Mit dem Beginn der Corona-Krise mussten auch die Musikhochschulen ihren Vorlesungs- und Unterrichtsbetrieb in kürzester Zeit auf Formen der Distanzlehre umstellen und das Sommersemester zunächst als Online-Semester starten. Für Bereiche wie den Gesangs-, Instrumental- und Schauspielunterricht, die ganz besonders auf Präsenz basieren, bedeutete diese Umstellung eine große Herausforderung. Eine Befragung zur Distanzlehre an vier Musikhochschulen gibt Einblick, wie die Lehrenden mit der aktuellen Situation umgehen.
Die Ergebnisse zeigen, dass der überwiegende Teil der Lehrenden mit der aktuellen Situation den Umständen entsprechend gut zurechtkommt (85 %) und dass grundsätzlich eine große Bereitschaft vorhanden ist, digitale Medien einzusetzen. Der Kontakt zu den Studierenden wird als sehr gut eingestuft. Knapp zwei Drittel der Lehrenden gehen jedoch davon aus, dass sich Effekte der sozialen Ungleichheit in der Studierendenschaft verstärken werden (63 %).
Die Krise als Katalysator im Digitalisierungsprozess
Als Nachteil der Distanz-Lehre ist zudem zu sehen, dass zwei Drittel der Befragten einen erhöhten Vorbereitungsaufwand haben (65 %) und dass knapp drei Viertel der Befragten eine höhere psychische Belastung (74 %) empfinden. Als nicht ausreichend wird die digitale Ausstattung der Hochschulen (60 %) beurteilt. Ebenfalls fast drei Viertel der Befragten meint aber auch, dass durch die vorübergehenden Hochschulschließungen die Digitalisierung wesentlich vorangetrieben wurde (72 %), und mehr als die Hälfte der Lehrenden gibt an, digitale Lernformate auch künftig häufiger nutzen zu wollen (53 %).
Einschränkungen vor allem im künstlerischen Bereich
Im künstlerischen Bereich wird die Online-Lehre dennoch überwiegend kritisch gesehen. Nur ein Viertel der befragten künstlerisch Lehrenden an ist der Meinung, dass Online-Lehre eine vollwertige Alternative oder zumindest eine praktikable Ergänzung zum herkömmlichen Präsenzunterricht ist. Kritisch bewertet werden hier vor allem die Einschränkungen beim (kammer)musikalischen Zusammenspiel und Einschränkungen bei der Übertragung im Hinblick auf Klangqualität, auf klangliche Differenziertheit, auf emotionalen Ausdrucksgehalt sowie Körperhaltung und Spielbewegung.
An der Befragung, die auf Initiative der Hochschule für Musik und Theater Rostock im Mai 2020 durchgeführt wurde, nahmen die Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin, die Hochschule für Musik und Theater Hamburg, die Universität der Künste Berlin sowie die hmt Rostock teil. Insgesamt stellten sich 327 Lehrende der Befragung. Verantwortlich für die Durchführung und Auswertung der Umfrage sind Helen Hammerich und Prof. Dr. Oliver Krämer.