Von 19. bis 30. September 2014 fand in Osnabrück zum zehnten Mal das Morgenland Festival statt. Ein gutes Dutzend Konzerte und ein hochkarätiges Rahmenprogramm spiegelten die Musikkultur des Vorderen Orients. Nicht Weltmusik, sondern die ganze Breite von traditioneller Musik bis Jazz präsentiert das Programm des Festivals seit 10 Jahren. Die Veranstaltungen waren nahezu durchgehend ausverkauft – die Veranstalter freuen sich über eine Auslastung von 95 Prozent.

Highlights waren unter anderem die musikalischen Begegnungen zwischen den Klarinettisten Kinan Azmeh und Giora Feidman, zwischen dem aserbaidschanischen Jazzpianisten Salman Gambarov und seinem deutschen Kollegen Florian Weber, zwischen der Capella de la Torre und dem syrischen Ensemble Hawar oder der kurdischen Sängerin Aynur und der NDR Bigband. „Die Organisation dieses Dialogs zwischen der westlichen und der islamischen Welt ist eine der dringendsten Anforderungen an unsere Zeit auf dem Weg in eine friedvolle Zukunft. Das Morgenland Festival Osnabrück bietet hierfür ein kulturelles internationales Forum“, erklärt Michael Dreyer, von Anfang an künstlerischer Leiter des Festivals.

Wie gut das funktioniert, beschreibt Roland Biswurm in der Oktoberausgabe der NMZ: „Ibrahim Keivo (...) und Kinan Azmeh firmieren als Morgenland All Stars und spielen unter freiem Himmel vor dem Rathaus zu Osnabrück, wo vor etlichen Jahren (um genau zu sein, im Jahre 1648) der westfälische Frieden be- und geschlossen wurde, um damit den 30-Jährigen Krieg zu beenden. Jetzt ist wieder Krieg, allüberall und es braucht nichts weniger als Zeichen, und vor allem Taten: Friedensschlüsse, wie ebendiesen hier - zum zehnten Mal versuchen sie es und es gelingt auf betörende Weise. Wem all das nichts, aber gar nichts sagen mag, dem ist (...) nicht mehr zu helfen, denn die ersten drei Tage dieser zehnten Jubiläumsausgabe des ambitionierten Morgenland Festivals gehören zum Schönsten, was dieses Jahr mit diesem feuchttraurigen Sommer zu bieten hatte. (...). Schuld an alldem ist Michael Dreyer. (...) Woher kommt‘s denn, dass wir uns streiten müssen über dies und das und vor allem, über die Frage, ob dies und das das Maß macht. Das Maß von Welt. Das Maß von Kultur. (...) Wie wäre es denn, so spintisierte Dreyer immer und immer wieder, wenn gerade ein Deutscher mit diesem schweren Gepäck zweier Weltkriege, gerade in einer Stadt wie Osnabrück ein Zeichen setzte? Nicht bloß eine Kerze entzünden zur Weihnacht mit dem Friedenslicht aus Bethlehem, nicht einfach nur Handzettel mit frommen Sprüchen an der Uni verteilen, nein: Musikanten, Maler, Tänzer, Künstler aus eben diesem Morgenland nach Osnabrück einladen und zwar aus dem ganzen großen Morgenland. Das bedeutet aber auch, dass Musiker aus Armenien und der Türkei, aus Kurdistan und dem Irak, aus Uigurien und China miteinander sprechen, miteinander musizieren. Das schreibt sich jetzt so einfach dahin, und ist unterm Strich auch ganz einfach. Nur: das müssten endlich auch mal die Politiker kapieren, aber die haben ja gar keine Zeit für Musik. Schade eigentlich.“

Das Morgenland Festival Osnabrück entstand aus dem Gedanken, die reiche und doch weithin unbekannte Kulturlandschaft des Vorderen Orients einem westlichen Publikum näher zu bringen. Es will ein differenzierteres Bild jener Region zeigen, die für die Kulturgeschichte Asiens, Europas und Nordafrikas von fundamentaler Bedeutung ist und durch eine oft eindimensionale Medienberichterstattung vereinfacht und verzerrt dargestellt wird. „In einem rapiden Globalisierungsprozess übernimmt Kultur eine Identität stiftende Rolle.

Der Dialog mit fremden Kulturen hilft, eine eigene kulturelle Identität zu entwickeln und ihr einen Ort zu geben. Bei der Auseinandersetzung mit der vornehmlich islamisch geprägten Kultur des Vorderen Orients stellt man schnell fest, dass diese zwar längst durch Jahrzehnte der Migration in Westeuropa angekommen ist, in das offizielle Kulturleben aber kaum Zutritt gefunden hat“, beschreibt Michael Dreyer seinen Ansatz.

Das Morgenland Festival Osnabrück hat sich von einem Ort reiner Präsentation hin zu einem Co-Working Space entwickelt - ein Ort, an dem Musiker aus Ost und West zusammen-kommen und neue musikalische Wege suchen und gehen. Die Ergebnisse sind nicht immer kalkulierbar, aber genau das macht die Spannung des Festivals aus, eine Spannung, die Musiker und Publikum gleichermaßen teilen.

Das nächste Morgenland Festival findet in Osnabrück von 22. bis 26. Juli 2015 statt.