Zum ersten Mal erhält ein deutscher Komponist den Grawemeyer Award for Music Composition: Die oft als "Nobelpreis für klassische/ernste Musik" apostrophierte Auszeichnung geht in diesem Jahr an den Komponisten York Höller für seinen Orchesterzyklus Sphären.

Der Grawemeyer Award for Music Composition, der höchstdotierte werkbezogene Musikpreis der Welt, wurde 1984 ins Leben gerufen; zu den Geehrten gehören u.a. Witold Lutoslawski, György Ligeti, Harrison Birtwistle, John Adams, Pierre Boulez, Unsuk Chin sowie, im vergangenen Jahr, Brett Dean. Die Grawemeyer Foundation an der Universität Louisville vergibt jährlich die Preissumme von insgesamt einer Million Dollar – je 200.000 – für ein herausragendes musikalisches Werk sowie für zukunftsweisende Konzepte in den Bereichen Bildung, Religion, Psychologie und einer verbesserten Weltordnung. Die Auswahl wird durch eine jeweilige Spezialjury in Verbindung mit einer breiteren Gruppe von Nicht-Fachleuten getroffen. Der 1993 verstorbene Charles Grawemeyer war ein Industrieller und Absolvent der Universität von Louisville, der eine lebenslange Leidenschaft für Musik, Bildung und das Studium der Religionen hegte. Weitere Einzelheiten erhalten Sie unter http://www.grawemeyer.org.

York Höllers Sphären wurde unter 136 Einreichungen aus aller Welt ausgewählt. Die offizielle Preisverkündung würdigt das Werk als "magnificently scored, using a large orchestra to generate colors ranging from the most delicate to the most overwhelming" (ein PDF-Download mit dem kompletten englischen Text finden Sie hier). Sphären ist ein komplexes, großformatiges Werk für Orchester und Live-Elektronik voller literarisch-philosophischer, musikalischer und persönlicher Reminiszenzen – mit den Worten des Musikwissenschaftlers Stefan Drees "ein zu Musik kristallisierter Erfahrungsschatz". Die ersten fünf Sätze oder, wie der Untertitel lautet, "Klangbilder" entstanden zwischen 2001 und 2005 und beziehen sich auf die im Zentrum der griechischen Naturphilosophie stehenden Elemente Wasser, Luft, Erde und Feuer. Nach dem Tod seiner Frau fügte Höller 2006 noch einen abschließenden sechsten Satz mit dem Titel "Sphärentrauer" hinzu unter Bezug auf ein Kapitel in Peter Sloterdijks monumentalem Werk "Sphären", auf das auch der Titel von Höllers gesamtem Zyklus zurückgeht.

Sphären entstand im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks und wurde am 04.04.2008 vom WDR Sinfonieorchester Köln unter Semyon Bychkov in der Kölner Philharmonie uraufgeführt. Einen ausführlichen Werkkommentar des Komponisten, den Einführungstext von Stefan Drees sowie alle Werkdetails finden Sie Einen ausführlichen Werkkommentar des Komponisten, den Einführungstext von Stefan Drees sowie alle Werkdetails finden Sie hier. Im Audiobereich unserer Internetseite können Sie sowohl ein Klangbeispiel aus dem IV. Satz "Regenkanon" sowie für die Dauer einer Woche nach Preisverkündung das komplette Werk anhören (mit freundlicher Genehmigung des WDR). Im Audiobereich der Boosey & Hawkes Internetseite können Sie sowohl ein Klangbeispiel aus dem IV. Satz "Regenkanon" sowie für die Dauer einer Woche nach Preisverkündung das komplette Werk anhören (mit freundlicher Genehmigung des WDR). Eine kommerzielle CD mit der Aufnahme von der Uraufführung befindet sich beim Label NEOS in Vorbereitung.

York Höller (geb. 1944) gilt als ein Pionier und Klangzauberer der Neuen Musik. Zu seinen Interpreten zählen u.a. das Chicago Symphony Orchestra, das BBC Symphony Orchestra, die London Sinfonietta, das Orchestre de Paris, das Orchestre Philharmonique de Radio France, die Berliner Philharmoniker, die Münchner Philharmoniker, das WDR Sinfonieorchester Köln, die Bamberger Symphoniker, das Gürzenich-Orchester Köln, das Ensemble Intercontemporain, das Ensemble Modern,
die musikFabrik, das Ensemble Wien-Berlin, das Klangforum Wien sowie die Dirigenten Stefan Asbury, Daniel Barenboim, Pierre Boulez, Semyon Bychkov, Peter Eötvös, Michael Gielen, Elgar Howarth, Heinz Holliger, Ingo Metzmacher, David Robertson, Simone Young und Hans Zender. Nach seinem Studium in Köln folgte Höller Einladungen von Pierre Boulez ans Pariser IRCAM sowie von Karlheinz Stockhausen an den WDR Köln, dessen Elektronisches Studio Höller von 1990 bis 2000 leitete. Höllers Hauptwerk, die Oper Der Meister und Margarita nach dem Roman von Mikhail Bulgakov wurde 1989 an der Opéra de Paris uraufgeführt (Inszenierung Hans Neuenfels); sein Katalog umfaßt weiterhin Orchesterwerke, Solokonzerte sowie Ensemble- und Kammermusik. Die Synthese live erzeugter und elektronischer Klänge ist für Höller ebenso zentral wie die Arbeit mit reihenartigen Gebilden, sogenannten "Klanggestalten", die auf eine vom Komponisten selbst entwickelte Weise zur Grundlage großer Strukturen werden. Höllers Schaffen, von ihm als "organisch-energetisches System" begriffen, steht einer Ergründung der mannigfachen inner- und außermusikalischen Bezüge ebenso offen wie der unmittelbar klangsinnlichen Erfahrung.

Höllers jüngste Werke sind ein Klavierstück im Auftrag des Klavier- Festivals Ruhr (Uraufführung in Essen im Juli 2010 im Rahmen des Projektes "Piano Book" von Pierre-Laurent Aimard und Tamara Stefanovich) sowie Movements für Violoncello und Klavier. Aufführungen seiner Komposition Klangzeichen für Bläserquintett und Klavier (2002/03) stehen mit dem Ensemble Intercontemporain im Museum Insel Hombroich (Mai 2010) sowie mit dem Ensemble Zephyr (Solisten des WDR Sinfonieorchesters Köln) und Anthony Spiri vor.

Weitere Informationen finden Sie unter www.boosey.de/Hoeller. Ein neues detailliertes Werkverzeichnis mit Biographie, einer Einführung in Höllers Schaffen, Pressestimmen und Diskographie steht als PDF-Download (ca. 1,1 MB) zur Verfügung.

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