Hilfe beim Aufbau von zivilgesellschaftlichen Strukturen in Nahost, Belebung der europäischen Nachbarschaften und eine Renaissance der deutschen Sprache in der Welt - im 60. Jahr seines Bestehens stellt sich das Goethe-Institut neuen Herausforderungen.
2011 beging das Goethe-Institut seinen 60. Geburtstag. "Die vielen Glückwünsche und Danksagungen aus aller Welt waren eine wertvolle Bestätigung unserer Arbeit", betonte Präsident Klaus-Dieter Lehmann auf der Jahrespressekonferenz in Berlin. "Die nicht minder zahlreichen Herausforderungen des Jubiläumsjahrs haben gezeigt, dass die Arbeit der 150 Goethe-Institute heute mehr denn je gefragt ist. Galt es damals, Deutschland in die internationale Staatengemeinde zurückzuführen, so liegt heute die Aufgabe darin, den Erwartungen gerecht zu werden, die eine immer stärker fragmentierte Welt an ein demokratisches und gefestigtes Deutschland im Herzen der EU stellt."
Der Ausbruch des arabischen Frühlings hat die Arbeit der Goethe-Institute in Nordafrika und Nahost stark beeinflusst. Dank langjähriger und intensiver Beziehungen zu Künstlern, Intellektuellen, Bloggern und Filmemachern haben sich viele Institute rasch als Ansprechpartner und Dialogforen etabliert. Allen voran Kairo, das in seiner Tahrir-Lounge unweit des gleichnamigen Platzes jungen Ägyptern nicht nur die Möglichkeit des freien Meinungsaustausches und friedlichen Dialogs bietet, sondern mit Informationsveranstaltungen und praxisorientierten Seminaren zu Themen wie Frauenrechte, Online-Journalismus und Umweltverschmutzung einen Beitrag zum Aufbau der Zivilgesellschaft leistet. "Das Ziel, den Menschen in ihrer neu gewonnen Freiheit ein offener und helfender Ansprechpartner auf Augenhöhe zu sein" prägt auch die Planungen für 2012, unterstrich Generalsekretär Hans-Georg Knopp. Dabei gelte es, Flexibilität und Kreativität unter Beweis zu stellen. So würden auch die Möglichkeiten geprüft, möglichst bald die Arbeit in Libyen aufzunehmen. Geplant seien außerdem der Aufbau eines Jugendnetzwerks sowie ein großangelegtes Aus- und Fortbildungsprogramm für Kulturberufe - von Verlegern über Filmemacher bis zu Denkmalschützern.
Auch vor der eigenen Haustür findet sich das Goethe-Institut im Jubiläumsjahr mit großen Herausforderungen konfrontiert. "Europa ist für uns ein wichtiges Arbeitsfeld", unterstreicht Klaus-Dieter Lehmann. "Die derzeitige Finanzkrise macht deutlich, dass eine ausschließlich fiskalisch definierte Sicht auf Europa den Problemen nicht gerecht werden kann. Ohne die gemeinsame Verantwortung für den Kulturraum Europa ist die Zukunft nicht zu gewinnen. Unsere Institute stehen vor ganz neuen Herausforderungen." Dazu gehört auch eine zum Teil kräftige Steigerung der Nachfrage nach Deutschkursen vor allem in Südeuropa, in Spanien etwa bis zu 60 Prozent. Die 13 Goethe-Institute in Deutschland konnten 2011 einen Zuwachs von über 10 Prozent verzeichnen. Neben den Südeuropäern zeigten sich auch Asiaten und Amerikaner besonders lernfreudig.
Die Goethe-Institute in Europa begegnen dem Interesse vor allem vieler junger Menschen, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt ihre Zukunft suchen, mit maßgeschneiderten Angeboten. Berufsorientierte Kurse stehen ebenso auf dem Programm wie stark preisreduzierter Sprachunterricht für jugendliche Arbeitslose etwa in Athen. In Paris, Madrid, Barcelona und Lissabon gibt es zielgerichtete Kooperationen mit den dortigen Handelskammern, in Indien und China ein gemeinsames Nachwuchsförderungsprogramm mit der deutschen Wirtschaft.
"Das deutlich gestiegene Interesse an Deutsch und dem was wir gerne ,German Bildung’ nennen, ist aber nicht auf Europa beschränkt", unterstreicht Präsident Lehmann. "Dank einer durch den Bundestag mit acht Millionen Euro geförderten ,Bildungsoffensive Deutsch’ konnten wir 2011 die Qualität und das Sprachkursangebot weiter festigen, neue Vermittlungsformen entwickeln und zugleich in wichtigen Märkten eine gezielte Sprachpolitik betreiben." In Russland wirbt die große Kampagne "Lern’ Deutsch!" bei Bildungspolitikern, Schulleitern und Eltern für die Sprache des wichtigsten Handelspartners. Erste Erfolge sind bereits messbar. In den USA richtet sich das Goethe-Institut an junge Forscher und wirbt auch mal mit deutschen Rockbands, wie zuletzt mit einer Konzerttournee der Rockband Madsen. "Bei aller Freude über diesen schönen Erfolg müssen wir uns aber auch gewahr sein, dass die aktuellen Entwicklungen in Europa alte Ängste vor einer deutschen Dominanz sehr schnell wieder zu Tage treten lassen", bilanziert Präsident Lehmann. "Umso wichtiger, dass wir mit unseren Angeboten vor Ort mit den Menschen im Gespräch bleiben. Das Goethe-Institut kann hier mit dem in 60 Jahren erarbeiteten Vertrauensverhältnis wirkungsvoll helfen."
Befragt nach den größten Unterschieden im Vergleich zu den Anfangstagen betont Präsident Klaus-Dieter Lehmann die Arbeit des Goethe-Instituts als Global Player in einer vernetzten Welt. "Die Projekte werden größer, sie sind häufig multilateral angelegt und spiegeln die Tatsache, dass die Fragestellungen und kulturellen Phänomene heute in nie gekanntem Tempo die Grenzen überschreiten und eine wichtige gesellschaftspolitische Wirkung haben." Das internationale Kunstprogramm "Don’t/Panic" zur Klimakonferenz in Durban, die Initiativen zur Förderung von Qualitätsfernsehen für Kinder in Südostasien oder das gerade um eine gesamteuropäische Komponente erweiterte Projekt "Va Bene?!" in Italien sind nur einige von zahlreichen Beispielen. "Die Herausforderungen der großen Metropolen beeinflussen auch die künstlerische Produktion", unterstreicht Generalsekretär Hans-Georg Knopp, "und das Goethe-Institut ist mit seinen Präsenzen in 93 Ländern in einer hervorragenden Lage, unterschiedlichste Positionen zusammen zu bringen." So ist es nur folgerichtig, dass sich das Institut als Partner großer deutscher und internationaler Festivals und Kunstausstellungen etabliert hat und mittlerweile eine Vielzahl von Künstlerresidenzen fördert und betreibt. "Die Zahl der Kooperationen auch mit europäischen Partnern wächst weiter", betont der scheidende Generalsekretär. "So ist in gemeinsamer Arbeit der europäischen Kulturmittler mit chinesischen Partnern soeben der ,Europe-China Cultural Compass’ entstanden, eine umfassende Publikation, die das Ziel verfolgt, Austausch und Koproduktionen von europäischen und chinesischen Kulturschaffenden in allen kreativen Bereichen der Kultur zu fördern." Mit besonderem Interesse schaue man auch auf die wegweisende Zusammenarbeit mit der documenta 14 im kommenden Jahr.
Das weltweit tätige deutsche Kulturinstitut fördert die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland, pflegt die internationale kulturelle Zusammenarbeit und vermittelt ein umfassendes Deutschlandbild. In Zeiten neuer globaler Herausforderungen zielt die Arbeit des Goethe-Instituts auf ein vertieftes Verständnis der Kulturen untereinander und auf die Stärkung des Ansehens Deutschlands in der Welt. Derzeit verfügt das Goethe-Institut über 150 Institute und 10 Verbindungsbüros in 93 Ländern.
Absätze
Quelle
http://www.goethe.de