Gestern wurde im Rahmen von Young Euro Classic der mit 5.000 Euro dotierte Europäische Kompositionspreis verliehen. Der diesjährige Preisträger ist der 26-jährige türkische Komponist Ege Gür, der für sein Stück „the image of that which is invisible“ ausgezeichnet wurde. Die Nationale Jugendphilharmonie der Türkei hat das Werk, das den Opfern der Erdbeben, die die Türkei und Syrien 2023 trafen, gewidmet ist, am 10. August als Deutsche Erstaufführung im Konzerthaus Berlin gespielt. Sarah Wedl-Wilson, Berliner Staatssekretärin für Kultur, hat den vom Regierenden Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, ausgelobten Preis überreicht. Der Europäische Kompositionspreis wurde zum 25. Mal verliehen, er geht jährlich an die beste bei Young Euro Classic präsentierte Ur- oder Deutsche Erstaufführung.
Die Deutsche Erstaufführung von Ege Gürs „the image of that which is invisible“ stand im Wettbewerb mit zehn weiteren Kompositionen, die in den vergangenen elf Festivaltagen zu hören waren. Die Entscheidung traf eine zehnköpfige Laienjury unter Leitung des Komponisten Nik Bohnenberger mit folgender Begründung: „Das Werk stach deshalb aus der Menge heraus, weil es auf mehreren Ebenen überzeugen konnte: nicht nur ist es ein Werk, das mit seinen Spieltechniken und seiner Orchestration wundervolle, neuartige und experimentelle Klänge herstellen kann, es kann darüber hinaus auch auf einer inhaltlichen und dramaturgischen Ebene berühren und zum Nachdenken und -fühlen anregen. Auf der handwerklichen Ebene ist insbesondere die Entscheidung lobenswert, melodiöse Anteile nur im Pikkolo und in den Kontrabässen als maximale Gegensatzpaare zu setzen, während die Klangmitte der Streicher und Holzbläser mit vertrübten Clustern gefüllt wurde. Dies gab dem Stück eine Janusköpfigkeit, die nur noch durch einen sehr feinen Einsatz von geräuschhaften Elementen in Schlagwerk und Harfe verstärkt wurde. Aus dramaturgischer Sicht war es ein Kunstgriff, den zunächst nur füllenden Clustern gegen Ende eine immer tragendere Rolle zu geben, das Subkutane drang dadurch an die Oberfläche!“
Seine Komposition „the image of that which is invisible“ widmet Ege Gür den Opfern der Erdbeben, die im Jahr 2023 die Türkei und Syrien trafen: „Die Leere, die von der Absolutheit, dem Unausgesprochenen, dem Unsichtbaren geschaffen wurde, dieser Mangel an Ausdruck hat in fähigen Händen zu unumkehrbaren Fehlern geführt. Die unumkehrbaren Fehler, die diese fähigen Hände gemacht haben, haben solche Ergebnisse gezeitigt, dass der Preis mit Hunderttausenden menschlicher Leben bezahlt werden musste. Dieses Werk ist allen unseren Brüdern und Schwestern gewidmet, die unter diesen Umständen starben.“
Seit der Festivalgründung spielt die Förderung zeitgenössischer und insbesondere junger Komponist:innen eine zentrale Rolle. Mit ihren Werken bringen sie stets aktuelle Themen und musikalische Einflüsse aus ihren Heimatländern zu Young Euro Classic.
Biografie des Preisträgers
Ege Gür (*1998), Komponist. Geboren in Istanbul, studierte Ege Gür zuerst Kontrabass und Klavier an der Hochschule für Bildende Künste in Ankara. Später wechselte er zum Kompositionsstudium an das Staatliche Konservatorium der Hacettepe Universität, derzeit ist er noch im Master-Studiengang eingeschrieben. Dabei hat Gür schon eine Vielzahl verschiedenster Kompositionen vorzuweisen: An Orchesterwerken entstanden As if (2019), In cold water, of silence (2020) und Effaced Fingers (2021). Im Bereich der Kammermusik komponierte Gür Werke für unterschiedliche Besetzungen vom Bläserquintett bis zum Trio für Kontrabass, Akkordeon und Piccoloflöte A liquid pearl. Klavierwerke und Filmmusik runden das bisherige Schaffen des 26-Jährigen ab. In seinen Kompositionen verbindet er Einflüsse der Musik des 20. Jahrhunderts mit den klanglichen und rhythmischen Traditionen der türkischen Musik.
Zur Auswahl für den Europäischen Kompositionspreis standen:
Freitag, 09.08.2024 Jovem Orquestra Portuguesa, Portugal
João Caldas – „Apneia“ (2020/2024, Deutsche Erstaufführung)
Samstag, 10.08.2024 Nationale Jugendphilharmonie der Türkei, Türkei
Ege Gür – „the image of that which is invisible“ (2023/24, Deutsche Erstaufführung)
Dienstag, 13.08.2024 National Youth Jazz Orchestra, Großbritannien
Sophie Speed – „Sakura"
Tamir Smith – „The Wicked Witch"
Finn Genockey – „The Weeks Ahead"
Julien Durand – „Portals"
Tom Hardy – „One for my Echoes"
Mittwoch, 14.08.2024 Deutsche Streicherphilharmonie, Deutschland
Shir-Ran Yinon „Brisk“ (Uraufführung)
Donnerstag, 15.08.2024 Nationaal Jeugdorkest, Niederlande
Joey Roukens „Night Flight“ (2021, Deutsche Erstaufführung)
Samstag, 17.08.2024 Ševčik Academy Orchestra, Tschechien
Jiří Teml Konzert für Violoncello und Orchester (Uraufführung)
Sonntag, 18.08.2024 NEXT GENERATION Juniorakademie Deutschland – Frankreich – Tschechien
Jiří Kabát „Kindersinfonie Nr. 2“ (2024, Deutsche Erstaufführung)