Der internationale Ernst von Siemens Musikpreis geht 2013 an Mariss Jansons. Der lettische Dirigent, der am 14. Januar seinen 70. Geburtstag feiert, erhält den mit erstmals 250.000 Euro dotierten Preis als Auszeichnung für sein Lebenswerk im Dienste der Musik. Der Ernst von Siemens Musikpreis wird Mariss Jansons am 4. Juni 2013 im Münchner Prinzregenten-Theater vom Präsidenten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste überreicht.

Die Ernst von Siemens Musikstiftung feiert 2013 ihr 40-jähriges Bestehen und schüttet den bislang höchsten Förderbetrag von insgesamt 3 Millionen Euro aus. Seit ihrer Gründung hat die Stiftung 1350 zeitgenössische Musikprojekte auf der ganzen Welt unterstützt – von Island bis Australien, von den Philippinen bis Chile. Im Jubiläumsjahr findet eine Konzertreihe in verschiedenen Städten Europas statt, die den Preisträgern der Stiftung gewidmet ist.

Mariss Jansons wurde in die Liebe zur Musik hineingeboren: Seine Mutter war Opernsängerin, sein Vater der bekannte Dirigent Arvid Jansons. Er wuchs quasi im Rigaer Opernhaus auf – schon als Kind waren ihm der Dirigentenberuf und die Welt des Orchesters eine Selbstverständlichkeit. Mit dreizehn Jahren zog er mit seiner Familie nach St. Petersburg, wo sein Vater eine Stelle bei der Leningrader Philharmonie als Dirigent neben Jewgeni Mrawinski angetreten hatte. Er beschreibt die ersten Jahre als eine sehr harte Zeit, in der er neben den sprachlichen Hürden, die hohen Anforderungen an der Leningrader Musikschule, später am Konservatorium, meistern und aus dem Schatten des prominenten Vaters heraustreten muss. Trotz des Drucks, der Kontrolle und der harten Disziplin der Sowjetdiktatur wird Jansons nicht müde zu betonen, dass die Ausbildung im Bereich der Kunst phantastisch war: „wahrscheinlich die beste der ganzen Welt“. 1968 „entdeckt“ ihn kein geringerer als Herbert von Karajan und er darf die Sowjetunion verlassen, ein Studium bei dem legendären Hans Swarowsky in Wien aufnehmen – was laut Jansons dem Eintritt ins Paradies gleichkam – zudem Assistent von Karajan in Salzburg werden. Der Preisträger beim Berliner Karajan-Wettbewerb 1971 wird schließlich Assistent des großen Mrawinski bei den Leningrader, heute Petersburger Philharmonikern, dessen charismatisch-imperatorische Persönlichkeit Jansons nachhaltig geprägt hat. 1979 übernimmt Jansons mit den Osloer Philharmonikern einen damals noch weitgehend unbekannten Klangkörper, formte ihn zu einem internationalen Spitzenorchester und verwirklichte während der 22-jährigen Zusammenarbeit den idealen, hoch differenzierten Orchesterklang, den er sich vorstellte. Ein Orchester allein konnte Jansons Musizierdurst nicht stillen, er blieb ständiger Gastdirigent bei den Petersburger Philharmonikern und dirigierte zusätzlich häufig das London Philharmonic Orchestra. In der Mitte der neunziger Jahre führte ihn seine Karriere zudem nach Pittsburgh. Durch die Mehrfachbelastung, die Rastlosigkeit, das anstrengende Reisen und die Höchstleistungen, die sich Jansons stets abverlangte, erlitt er einige schwere gesundheitliche Rückschläge.

2003 entschied sich Jansons für einen Neubeginn in Deutschland: Er übernimmt 2003 mit dem Symphonieorchester und Chor des Bayerischen Rundfunks zwei hervorragende und traditionsbewusste Klangkörper von Weltrang. München reizt ihn „weil Musik hier wichtig ist, ein Teil des Lebens“. Worunter er in München allerdings leidet, ist das Fehlen eines akustisch wirklich angemessenen großen Konzertsaals. Große orchestrale Klangkultur kann sich nach seiner Überzeugung nur entfalten, wenn die Saalakustik perfekt ist. Eine Perfektion, die ihm das Amsterdamer Concertgebouw bieten kann, dessen Orchester Jansons seit 2004 ebenfalls als Chefdirigent vorsteht, gilt es doch als einer der besten Konzertsäle der Welt. Auf die Frage hin, ob es nicht schwierig sei, zwei Orchester von solchem Rang gleichzeitig zu dirigieren, antwortet Jansons, dass er gleich einem Vater, der niemals eines seiner Kinder bevorzugen würde, „seine Energien vollkommen gleich verteile. 100 Prozent an München und 100 Prozent an Amsterdam“. Glaubt man den Umfragen und Rankings, scheint ihm dies tatsächlich zu gelingen: Seine beiden „Kinder“ rangieren unter den besten sechs Orchestern der Welt.

Ein besonderes Anliegen ist Jansons die kulturelle Bildung. Unermüdlich setzt er sich deshalb für die musikalische Jugendarbeit ein, lädt Schüler und Studenten zu Proben und Konzerten ein, arbeitet mit Jugendorchestern und den Mitgliedern der Orchesterakademie. „Beethoven hat gesagt: Zuerst muss man fühlen, dann lieben – und dann verstehen.“ Bei aller intellektuellen Neugier und Offenheit für musikhistorische Erkenntnisse plädiert Jansons leidenschaftlich dafür, diesen Weg der Jugend zu vermitteln.

Kunst und insbesondere Musik ist für Jansons Sprache und Nahrung der Seele und des Herzens. Er sieht es als seine ureigenste Aufgabe an, „dem Publikum das wunderbare Ereignis der Musik“ zu schenken und jedes Konzert so zu dirigieren, als sei es sein letztes – was ihm auf bewundernswerte Weise gelingt. Die Ernst von Siemens Musikstiftung zeichnet mit Mariss Jansons eine der herausragenden Dirigentenpersönlichkeiten unserer Zeit aus, die bei allem Pultmagiertum und Genie fernab jeder Starallüre, ihre Ehrlichkeit nie preisgegeben hat und beim Wesentlichen, beim Tief-Menschlichen der Kunst bleibt.

Preisverleihung am 4. Juni 2013 im Münchner Prinzregententheater
Für sein Lebenswerk ehrt die Ernst von Siemens Musikstiftung Mariss Jansons mit dem oft als „Nobelpreis der Musik“ bezeichneten Ernst von Siemens Musikpreis. Die hohe Auszeichnung wird Mariss Jansons vom Präsidenten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Dieter Borchmeyer, bei einem musikalischen Festakt im Münchner Prinzregententheater am 4. Juni 2013 überreicht. Die Laudatio hält der renommierte Bariton Thomas Hampson, der Jansons seit langem persönlich und künstlerisch verbunden ist. Es spielen Mitglieder des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks.

40 Jahre Ernst von Siemens Musikstiftung
1973 wurde der erste Ernst von Siemens Musikpreis vergeben – an Benjamin Britten. Seither fanden insgesamt 40 Preisverleihungen statt; auf der Liste der Preisträger finden sich so berühmte Namen wie Herbert von Karajan (1977), Dietrich Fischer Dieskau (1980), Leonard Bernstein (1987), Claudio Abbado (1994) oder Anne-Sophie Mutter (2008). Aber auch ihre „alltägliche“ Arbeit, die Fördertätigkeit, baute die Stiftung über die Jahre immer weiter aus. Während im Jahr 1973 nur sieben Projekte unterstützt wurden, waren es 2012 bereits weit über hundert Musikprojekte. Die Ernst von Siemens Musikstiftung fördert zeitgenössische Musik auf der ganzen Welt – von Island bis Australien. Insgesamt hat die Stiftung seit ihrer Gründung 1350 Projekte unterstützt. 2013 schüttet sie den bislang höchsten Betrag aus: Von insgesamt drei Millionen Euro erhält 250.000 Euro der diesjährige Ernst von Siemens Musikpreisträger Mariss Jansons. 2,75 Millionen Euro stehen zur Projektförderung sowie für die drei Komponisten-Förderpreise zur Verfügung, die im Februar 2013 bekannt gegeben werden. Für die Auswahl der Projekte sowie der Preisträger zeichnet das derzeit neunköpfige Kuratorium der Stiftung verantwortlich. Ihm gehören 2013 Thomas Angyan als Vorsitzender sowie Hermann Danuser, Beat Furrer, Winrich Hopp, Helmut Lachenmann, Wolfgang Rihm, Peter Ruzicka, Ilona Schmiel und Nikos Tsouchlos an.

Zusätzlich trägt der Stiftungsrat Verantwortung für die Ernst von Siemens Musikstiftung. Ihm sitzt derzeit Dieter Borchmeyer, Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste vor. Den stellvertretenden Vorsitz hat Bettina von Siemens inne, weitere Mitglieder sind Rudolf W. Hug, Herbert Kloiber, Elisabeth Oltramare-Schreiber, Herbert Scheidt und Ferdinand von Siemens.