Seit dem 1. Januar 2005 müssen Arbeitslose, die im Rahmen des Arbeitslosengeldes II eine so genannte Grundsicherung erhalten, bereit sein, Arbeitsgelegenheiten oder Zusatzjobs anzunehmen. Besser bekannt sind diese Arbeitsgelegenheiten als Ein-Euro-Jobs. Sie sollen dazu dienen, besonders jungen Erwachsenen, Migranten, Menschen mit Vermittlungshindernissen und älteren Erwerbslosen den Einstieg beziehungsweise Wiedereinstieg in das Erwerbsleben zu ermöglichen. Die Betreffenden erhalten zusätzlich zum Arbeitslosengeld II eine Stundenvergütung von rund einem Euro für eine Tätigkeit, die 30 Stunden die Woche nicht überschreiten darf.

Für Ein-Euro-Jobs kommen nach dem Gesetz nur solche Tätigkeiten in Frage, die zusätzlich und die gemeinnützig sind. Sie sollen nicht in Konkurrenz zur privaten Wirtschaft treten. Bestehende Arbeitsplätze dürfen nicht gefährdet und die Schaffung neuer darf nicht behindert werden. Die Hauptzielrichtung ist, die soziale Integration zu fördern, die Beschäftigungsfähigkeit zu ermöglichen und so Chancen für eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen.

Sind Ein-Euro-Jobs also Sozialarbeit mit den Mitteln der Arbeitsmarktpolitik? Oder bedeuten sie einen Sprengstoff für den teilweise ohnehin prekären ersten Arbeitsmarkt im Kulturbereich? Betrachtet man die Situation der betroffenen Langzeitarbeitslosen, so wird so manchem ein Ein-Euro-Job lieber sein, als den ganzen Tag zu Hause zu sitzen. Arbeit ist ein wesentlicher sinnstiftender Teil des Lebens, Erwerbsarbeit bedeutet soziale Kontakte, Anerkennung, Lob, Kritik, den Austausch mit anderen. Vieles, was den Menschen als soziales Wesen ausmacht, wird über die Erwerbsarbeit erzielt.

Einige Ein-Euro-Jobber werden sich erhoffen, mit den gesammelten Erfahrungen ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Die Lücken im Lebenslauf werden kleiner und Erfahrungen aus unterschiedlichen Zusammenhängen können eingebracht werden. Auch für Kultureinrichtungen oder Kulturvereine scheinen Ein-Euro-Jobs eine lohnende Gelegenheit zu sein.

Arbeit gibt es zumeist genug, vieles muss liegen bleiben, Ideen und Vorhaben können nicht umgesetzt werden, weil die nötigen finanziellen Ressourcen fehlen, um Personal zu beschäftigen. Ein-Euro-Jobs bieten die Chance, für immerhin bis zu neun Monate eine Arbeitskraft beschäftigen zu können, ohne dafür Personalkosten einsetzen zu müssen, denn den Stundenlohn von einem Euro bezahlt die Bundesagentur für Arbeit ebenso wie einen Verwaltungskostenanteil von bis zu 300 Euro im Monat.

Die Ein-Euro-Jobs scheinen auf den ersten Blick für alle Chancen zu beinhalten. Bei mittelfristiger Betrachtung kann es allerdings sein, dass die Risiken überwiegen werden. Der Arbeitsmarkt Kultur ist ein unsicherer Arbeitsmarkt.

Dies gilt auch für öffentliche oder öffentlich geförderte Kultureinrichtungen oder -institutionen. In weiten Teilen sind die Beschäftigungsverhältnisse unsicher, Zeitverträge, Honorar- oder Werkverträge sind keine Seltenheit mehr sondern inzwischen üblich.

Wurde in den 70er-Jahren noch um eine institutionelle Förderung gestritten, damit mittelfristige Perspektiven für Einrichtungen oder Vereine entwickelt werden konnten und Personal eingestellt werden konnte; geht es nunmehr darum, über Projekte kurzfristig den Betrieb aufrecht zu erhalten und mit Perspektiven, die allenfalls ein Jahr dauern, Mitarbeiter zu beschäftigen. Was liegt näher als bei Engpässen in der Förderung so genannte „Ein-Euro-Jobber“ zu beschäftigen? Arbeitslose Akademiker gibt es genug, die mit der Hoffnung auf einen Einstieg in den Kulturbereich für neun Monate einen Ein-Euro-Job übernehmen werden. Projekte sind immer zusätzlich, sie können durchgeführt oder auch unterlassen werden.

Und wo keine fest angestellten Mitarbeiter beschäftigt sind, können auch keine verdrängt werden. Wo keine Förderung fließt, können auch keine Stellen geschaffen werden. Die in den 70er- und 80er-Jahren entstandenen soziokulturellen Zentren liefern den Beweis, dass wer einmal startet, mittels Maßnahmen der Arbeitsförderung einen Kulturbetrieb aufrechtzuerhalten, sehr schnell daran hängen bleibt. Es besteht die Gefahr auf Dauer von den Schwankungen der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen abhängig zu sein.
Bis heute sind feste Stellen in den soziokulturellen Zentren in der Minderzahl. Ein gesicherter Arbeitsmarkt mit Perspektiven zur Organisationsentwicklung und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnte in diesem kulturellen Feld nicht etabliert werden.

Es gilt nunmehr höchste Aufmerksamkeit darauf zu richten, dass in den verschiedenen Bereichen des kulturellen Lebens wie Theatern, Konzerthäusern, Bibliotheken, Museen und Kulturvereinen der Arbeitsmarkt Kultur durch Ein-Euro-Jobs nicht gefährdet wird.
Der Deutsche Kulturrat will deshalb Kriterien für die Schaffung von Ein-Euro-Jobs im Kulturbereich entwickeln.

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

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