Am 1. September 2005 erscheint in der „Edition Zeitgenössische Musik“ die neueste Porträt-CD. Die Werke des 1963 geborenen Komponisten Tobias PM Schneid wurden exklusiv von der musikFabrik unter der Leitung von Peter Rundel eingespielt.

Stofflich Reines oder bereits Vermischtes ward in der frühneuzeitlichen Alchemie zusammen gebracht, auf dass unter dem Einfluss von magischer Beschwörung etwas visionär Geahntes entstehe: bevorzugt GOLD, gediegen. Als Vertreter einer Komponistengeneration, der einspurige Pfade ins Utopische suspekt geworden sind, handelt Tobias PM Schneid als Künstler in einer quasi alchemistischen Manier. Seine entschieden subjektive Musik bricht nicht mit Traditionen und findet doch zu Neuem. Ihm geht es um das Bewusstwerden jener intellektuellen und emotionalen FREIHEIT, die „eigentlich erst dann erfahrbar wird, wenn man die Grenzen, die ‚mirror cages’, wahrnimmt, akzeptiert und sie als kreatives Potential begreift“.
In Schneids geistiger Welt des künstlerischen Assoziierens durchdringen sich vielfältige Motive. So bewirkte die Malerei Robert Delaunays mit ihren kubistischen Simultanansichten von Paris und ihren prismatisch befreiten Farben entscheidende Schlüsselerlebnisse. Auch fühlt Schneid sich von jenen Zonen inspiriert, wo realer Weltbezug und inneres Erleben umzukippen drohen ins Halluzinatorische, Beklemmende – wie in den Werken von James Joyce oder Samuel Beckett. Zu Thomas Bernhards Wortkaskaden aus Fatalität und skurrilem Sprachwitz verspürt er eine Affinität. Oder er sondiert auf den Spuren des begnadeten Italoamerikaners Marshall Leo Gambetti den Slang der Bronx, schlägt für kaleidoskopische Werktitel Funken aus den „reprokreationalen“ Neologismen.
Schneid erstrebt keine „reine“ Musik. Er geht aus von präformiertem Material, von den musikalischen Stilen und Schreibweisen, die seine Identität als Mensch und Musiker geprägt haben und prägen. Erklärtermaßen lauscht er wieder und wieder in sich hinein, um sein Hin-und-her-Gerissen-Sein zwischen den eigenen musikalischen Existenzformen zu ergründen. Meist ist es so, dass „zuerst Klangfarben, also Hörbilder möglicher Instrumentation“ sich einstellen. Dann erst „kristallisiert sich die Vision einer konkreteren musikalischen Welt“ aus. Die Bandbreite der wählbaren Ingredienzien ist groß. Da ist zum einen der Bereich abendländisch tradierter Kunstmusik. Er reicht von der Kontrapunktik der alten Meister über die klassisch-romantische Tradition bis in die Moderne: zur kristallklaren Spielfreude Maurice Ravels, zum visionär Schicksalhaften Gustav Mahlers, zu den Techniken Luciano Berios oder der Metaphysik des als wesensverwandt empfundenen Bernd Alois Zimmermann und weiter. Allerdings: Schneid zelebriert keinen Stilpluralismus à la Alfred Schnittke. Erkennbare Zitate wird man in seiner Musik selten finden. Ihr Gepräge kommt zustande als eine Art „Fusion“, inspiriert vielleicht von den Gepflogenheiten in den Welten von Jazz und Rock, die für Schneids Empfinden ebenfalls von fundamentaler Wichtigkeit sind. Und sie wirken umso bestimmender, weil sie von tief verwurzelten Sehnsüchten und der Trauer des Blues durchflutet sind, weil etwas in ihnen von Phasen musikalisch-sinnlich geglückter Freiheit nachklingt.

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