Mit einem Anstieg um 19,3 Prozent legte der digitale Musikmarkt in Deutschland im Jahr 2012 erneut deutlich zweistellig zu. Wie der Bundesverband Musikindustrie e. V. (BVMI) heute im Rahmen seiner Jahrespresse¬konferenz in Berlin bekannt gab, geht mittlerweile ein Fünftel der durch Musikverkäufe generierten Umsätze auf das Konto von Downloads oder dem Streaming von Musik. Der Gesamtmarkt verzeichnete nach der 2011 begonnenen Stabilisierung einen leichten Dämpfer: Insgesamt gingen die Umsätze aus Musikverkäufen um 3,2 Prozent zurück auf 1,44 Milliarden Euro. Grund hierfür war neben einem erneuten Rückgang im physischen Geschäft (-7,7 Prozent) ein überraschend schwaches viertes Quartal.
Prof. Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des BVMI: „Auch wenn es in diesem Jahr für eine schwarze Null nicht gereicht hat und die Zuwächse in den neuen digitalen Geschäftsfeldern die Verluste im physischen Tonträgermarkt nicht ganz auffangen konnten, teilen wir den neuen Optimismus, der seit einigen Wochen vor allem von unseren internationalen Kollegen verbreitet wird. Das digitale Angebot ist erwachsen geworden, auch in Deutschland. Dabei steht uns weiterhin ein starker physischer Markt zur Seite, sodass der digitale Wandel im deutschen Musikgeschäft – trotz Delle – derzeit ohne weitere Erosion des Gesamtmarktes gemeistert werden kann.“
Der physische Markt stellt mit einem Umsatzanteil von knapp 80 Prozent nach wie vor den Grundpfeiler der deutschen Musikindustrie dar. Allein mit CDs wurde 2012 rund eine Milliarde Euro erwirtschaftet. Trotz eines Rückgangs um 7,2 Prozent nimmt die Silberscheibe mit einem Anteil von 71 Prozent an den Gesamtumsätzen unangefochten den ersten Platz unter den Trägermedien für Musik ein. Die starke haptische Verankerung der deutschen Musikfans verdeutlicht auch das anhaltende Revival des Vinyls, das auch 2012 wieder zulegen konnte.
Jeder fünfte Euro wird digital erwirtschaftet
Die Einnahmen aus dem digitalen Geschäft (294 Millionen Euro) erreichten mit einem Anteil von 20,5 Prozent im letzten Jahr einen bisherigen Spitzenwert. Dabei kommt den Downloads eine zentrale Rolle zu: Rund 8,4 Millionen Menschen haben in 2012 Downloads gekauft, der Downloadumsatz kletterte um 24,4 Prozent auf etwa eine viertel Milliarde Euro. Mehr als die Hälfte dieser Umsätze (55 Prozent) gehen auf das Konto von Musikalben, die auch im digitalen Zeitalter die zentrale Währung im Musikgeschäft bleiben. Insgesamt 112 Millionen Alben wurden 2012 verkauft, davon jedes sechste (17,5 Millionen) digital.
Rückenwind hatten auch die abobasierten Streaming-Dienste, deren Zahl auf mittlerweile 19 Services angestiegen ist. Der Umsatz kletterte erneut um knapp 40 Prozent auf 36 Millionen Euro. Dazu Dr. Florian Drücke, Geschäftsführer des BVMI: „Auch wenn das Musikstreaming in der öffentlichen Wahrnehmung bereits sehr präsent ist, werden die Angebote mit den konkreten Erfahrungen der Nutzer erst nach und nach in der Breite ankommen. Die neuen Dienste verändern die Wertschöpfungskette einer Musikaufnahme grundlegend, sie leiten nicht nur in der Musiknutzung, sondern auch für die Firmen und die Künstler eine neue Ära ein.“ Das Streaming gilt derzeit vor allem als ein Zusatzgeschäft, aktuell macht es einen Umsatzanteil von 12,1 Prozent der Digitaleinnahmen bzw. 2,5 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Es sei aber zu kurz gedacht, das Streaming für sich alleine zu betrachten: „Die neuen legalen Angebote erweitern das Musikspektrum der Fans und erleichtern es ihnen, neue Musik zu finden – das kann sich wiederum auf die traditionellen Musikverkäufe positiv auswirken.“
Drücke weiter: „Viele Kunden befinden sich momentan in einer Orientierungsphase, in der es auch darum geht, den persönlichen Stil bei der Musiknutzung zu finden. Nachdem die Angebote auf dem Tisch liegen, befinden wir uns in der Schlüsselzeit des digitalen Wandels. Viel ist davon abhängig, wie sich die Kunden jetzt entscheiden.“ Dabei müsse allen klar sein, dass ein gutes Angebot noch keinen fairen Markt ausmache. Zwar habe der erfolgreiche Aufbau des legalen Angebots maßgeblich zur aktuellen Markterholung beigetragen. Flankierend habe aber auch die konsequente Durchsetzung von Rechten in Deutschland dem legalen Markt den Rücken gestärkt, indem die illegale Nutzung von Musik eingedämmt werden konnte. Diese stelle noch immer die größte Wachstumsbremse für die weitere Entwicklung des legalen Musikmarkts dar und damit auch die zentrale Herausforderung für alle, die am legalen Vertrieb kreativer Inhalte partizipieren.
Mit Blick auf den beginnenden Wahlkampf appellierte Prof. Dieter Gorny an die Politik, die Vorzeichen einer nachhaltigen Digitalen Ökonomie aktiver zu gestalten. Während sich die Musikwirtschaft den Herausforderungen der digitalen Revolution gestellt und unter widrigen Umständen zahlreiche Hürden gemeistert habe, fehle es nach wie vor an den Rahmenbedingungen, die einen fairen Wettbewerb im Internet ermöglichen. „Für die Zukunft ist es dringend erforderlich, die grundsätzlichen Spielregeln und Wertschöpfungsketten in einer neuen Digitalen Ökonomie zu definieren. Das geht nur, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen und sich gemeinsam für ein legales und faires Umfeld einbringen: die Kultur- und Kreativbranchen, die Internetwirtschaft, Werbeindustrie, Anbieter von Bezahlsystemen und natürlich die Politik. Was wir brauchen, ist eine Art „Digital New Deal“, der von der Politik gesteuert wird. Einseitige Signale wie der aktuelle Entwurf zur Abmahndeckelung sind hier deutlich kontraproduktiv.“
Neben der Abmahndeckelung besteht auch im Bereich der kollektiven Rechtewahrnehmung akuter Handlungsbedarf. So mussten die Einnahmen aus Leistungsschutzrechten (GVL) aufgrund der Zahlungsverweigerung der gesetzlich verpflichteten Geräteindustrie nachträglich für das Jahr 2011 um fast 30 Prozent nach unten korrigiert werden. Dazu Gorny: „Der Gesetzgeber hat den anhaltenden Konflikt zwischen den Verwertungsgesellschaften und der Geräteindustrie bislang nicht gelöst. So wird es nun im Fall einer weiteren Untätigkeit der Legislative – einmal mehr – an den Gerichten liegen, den Rechteinhabern ihre Vergütungen zuzuerkennen, sofern Verhandlungslösungen scheitern.“
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Quelle
http://www.musikindustrie.de