Wenn Winnie Brückner zum Wasserglas greift und zu gurgeln beginnt, schafft die Sängerin der Weimarer Jazz-Formation K.ill Y.our D.arling einen meditativen Klangteppich für ihren Song „Because of You“. Zu erleben waren die avantgardistisch, atmosphärischen Lieder von K.Y.D. auf dem großen Konzert der 2. PopCamp-Staffel, das am 3. November im Kesselhaus der Kulturbrauerei Berlin stattfand.

Außerdem auf dem Programm standen vier weitere, stilistisch jedoch ganz anders ausgerichtete Bands, die ebenfalls am „PopCamp – Meisterkurs für Populäre Musik“ teilnehmen. Sie alle zeigten, was sie in der 1. und 2. Arbeitsphase des von der Projektgesellschaft des Deutschen Musikrates veranstalteten Spitzenförderprogramms gelernt haben. Mit tanzbarerer Musik, Wortwitz und ausgefeilter Choreographie heizten THE TITANS aus Stuttgart als erster Act des Abends den über 600 Besuchern ein. Etwas leisere Töne schlugen anschließend Erik & Me aus Berlin an. Sänger und Namensgeber der Band Erik Lautenschläger liebt es melancholisch, was seinen Songs auch anzuhören ist. „Niemand kann mich hören, ich sing nur für mich“ singt er mit zerbrechlich anmutender Falsett-Stimme. Als dritte Band betraten K.ill Y.our D.arling die Bühne, denen die vier Rockladies PRISTINE aus Dortmund folgten. Leadsängerin Jihni Pristine fegte als musikalischer Wirbelwind der Stärke 12 über die Bühne, sprang ins Publikum und war Energie pur. Wer sie kurz zuvor Backstage erlebt hat, konnte sich kaum vorstellen, dass es sich um die gleiche Person handelte. Nachdem sich der Sturm des Auftritts der PRISTINES gelegt hat, verbreitete die Berliner Band HOTEL mit ihrer ausgefeilten audiovisuellen Performance Endzeitstimmung. In ihrer Musik, die sie selbst als Nasarock beschreibt, und den dazu gezeigten, aufwendig gestalteten Videoprojektion zeichnet die Band ein düsteres Zukunftszenario von beklemmender Intensität. Das Konzert des PopCamp im Kesselhaus der Kulturbrauerei bot ein Programm wie es vielfältiger kaum sein kann und unterstrich damit noch einmal das Motto des Spitzenförderprojekts „Vielfalt statt Mainstream“.

PopCamp schafft Zukunft
Das PopCamp hat Zukunft und schafft Zukunft. Norbert Niclauß, Referent des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, war bei dem Konzert dabei. „Jede Band hat einen eigenen Ansatz und etwas Spezifisches. Auch die Mischung finde ich interessant. Bei der Auswahl wurde nicht versucht, einem vermeintlichen Mainstream hinterherzulaufen, das gefällt mir“, erklärt er. Wenige Wochen vor dem Konzert hatte der Bund dem Spitzenförderprogramm auch künftige Unterstützung zugesagt. Insgesamt erhofft sich der Bund von dem Meisterkurs für Populäre Musik, dass den Bands das Überschreiten der Schwelle zur Professionalität erleichtert werde. Das Popcamp sei dafür aus Sicht des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) ein guter Einstieg in eine Spitzenförderung für junge Rock- und Popbands. „Die klare Ausrichtung des Coachings und dessen Ausführung durch Branchenprofis sei überzeugend, erklärt Niclauß abschließend.
Als Dozenten standen den Bands in der einwöchigen 2. Arbeitsphase in Berlin Jeff Collier und Kim Sanders (Vocalcoaching/ Songwriting), Bettina Habekost (Choreografie & Performance), Kosho (Arrangement & Komposition), Kraans de Lutin (Produktion & Sounddesign), Anke Lange (Kommunikation), Lothar Scholz (GEMA, GVL, KSK), JoJo Tillmann (Licht & Bühnendesign), Susanne Vogel (Bass & Arrangement) und Diane Weigmann (Text & Komposition) zur Seite.

Individuell ganzheitlich fördern
„PopCamp“ stehe für hochwertige Popmusik und nachhaltiges, ganzheitliches Artist Development, erklärt Prof. Udo Dahmen, Vizepräsident des Deutschen Musikrates und Initiator des PopCamps. Hochwertige Popmusik könne dann entstehen, wenn außergewöhnlichen Künstlerpersönlichkeiten auch über besondere musikalische Ausdrucksfähigkeiten verfügen. Dem entsprechend wird im PopCamp sowohl die Persönlichkeit des Künstlers gefördert als auch dessen musikalische Ausdrucksfähigkeiten. Das war auch der Konsens des im Rahmen der 2. Arbeitsphase in Berlin veranstalteten Expertengesprächs zwischen Dahmen und Prof. Dieter Gorny, Executive Vice President MTV Networks Europe. Gorny betonte, dass die Profilschärfung eine zentrale Aufgabe des Artist Developments sei. „Individualität ist entscheidend, Moden führen zu nichts!“ Künstlerische Authentizität, Kreativität und Eckigkeit gelte es wie im PopCamp zu fördern; diese Eigenschaften seien die Grundlage für die erfolgreiche Vermarktung einer Band. „Jede der Bands im PopCamp hat diese Eckigkeit, und das können die Fans auch erwarten“, unterstrich Dahmen. Die Arbeit mit den Bands habe sich gelohnt, so Dahmen. Eine künstlerische Weiterentwicklung sei schon jetzt festzustellen. Der ökonomische Erfolg, der folgen werde, sei allerdings nicht davon abhängig, ob sich die Musik der Bands als Mainstream verkaufen lässt. Denn es sei auch möglich, in einer musikalischen Nische bestehen zu können.

„Es war toll, dabei zu sein!“
Die Resonanz der Teilnehmer ist nach absolvierter 2. Arbeitsphase und Konzert durchweg positiv. „Es war grandios, bei dem Konzert zu sehen, wie sich die Bands weiterentwickelt haben“, erklärt Madze Peng, Bassist von Erik & Me. Sebastian Purfürst, Sänger, Gitarrist und Komponist von HOTEL, ist besonders dankbar für die vielen inspirierenden Gespräche. „Man spürte, dass Bands und Dozenten ein Team waren“, hob Iris Roaming, Sängerin von HOTEL, hervor und fügt hinzu: „Es war toll, dabei zu sein!“

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