Mit einer Forderung nach weitergehenden Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insbesondere im Bereich anspruchsvollen Kulturradios hat sich der Deutsche Musikrat erneut in die Diskussion um Gebührenerhöhungen und Hörfunk-Programmreformen eingeschaltet. Der Deutsche Musikrat mit Sitz in Berlin und Bonn vertritt als einer der größten Dachverbände in Deutschland rund 8 Millionen Mitglieder aus den Bereichen Profi- und Laienmusik, musikalische Bildung und Musikwirtschaft.

Übergeordnetes Ziel, so der Deutsche Musikrat, müsse es sein, musikalische Vielfalt in den Kulturradios deutscher Sender verstärkt zu fördern und durch eine breitere Auswahl von Musikangeboten insbesondere auch jüngere Menschen für Kulturprogramme zu gewinnen. Hintergrund der Forderung ist die Befürchtung, dass die Diskussion um Einschaltquoten auch vor den Kulturkanälen nicht halt mache. Bereits heute ist der Bevölkerungsanteil, der mit den Kultur- und Informationsangeboten des öffentlich-rechtlichen Hörfunks erreicht wird, mit 7% äußerst gering. Der Deutsche Musikrat befürchtet eine fortschreitende Veralterung der Hörer anspruchsvoller Hörfunkprogramme; deren Altersdurchschnitt heute bei 55 Jahren liegt, während gleichzeitig immer weniger jüngere Hörerschichten von den Kulturkanälen erreicht werden. Um jüngere Menschen an das Kulturradio heranzuführen, sei der Versuch zu beobachten, Kulturkanäle verstärkt zum Begleitradio zu entwickeln. Man entferne sich dadurch aber von anspruchsvollen musikalischen Konzepten mit der Gefahr einer qualitativen Verflachung bis hin zur Beliebigkeit. Kein Wunder also, wenn sich kulturell anspruchsvolle Hörerkreise enttäuscht abwendeten und den Kulturkanälen verloren gingen.

Dieser Entwicklung, mit der sich öffentlich-rechtliches Kulturradio verstärkt kommerziellen Gesichtspunkten unterzuordnen droht, kann nach Meinung des Deutschen Musikrates sowie der Landesmusikräte der Bundesländer nur durch eine verstärkte Entwicklung anspruchsvoller musikalischer Kulturformate entgegengewirkt werden. Eine Verflachung eines anspruchsvollen Kulturangebotes stelle im übrigen auch eine nicht zu unterschätzende Gefährdung für das gebührenfinanzierte Rundfunksystem in Deutschland mit seinen rd. 7 Mrd. Gebühren dar. Eine Selbsterneuerung von Kulturradio-Sendungen im Sinne einer hohen Qualität sorge dagegen gerade in kulturbewußten und politisch interessierten Hörerkreisen für Akzeptanz und Unterstützung für das System öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten.

Angesichts der rd. 35 Mio Menschen, die täglich mind. ein ARD-Radioprogramm einschalten, erreiche man neue und vor allem junge Hörerkreise für ein Kulturradio nur, indem man sich um die Erschließung und Anbindung neuer Hörerkreise bemühe. Institutionelle Medienpartnerschaften mit musikalischen Einrichtungen, Musik der Verbände und Vereine, Musik der freien Kulturszene, aber auch mehr Musik für Kinder und Jugendliche, aktive Wahrnehmung und Beteiligung an Wettbewerben wie Jugend Musiziert, den Deutschen Chor- und Orchesterwettbewerben, cross-over-Programme aber auch der Ausbau reiner Musikspartenprogramme sind nach Ansicht des Deutschen Musikrates gangbare und erfolgsversprechende Wege, neue Hörerschichten zu gewinnen und die Musikszene des jeweiligen Sendegebietes von Kulturradios zu unterstützen. Auch die Entwicklung und Durchführung eigener Wettbewerbe von Seiten der Rundfunkanstalten könnten in diesem Zusammenhang gute Erfolge zeitigen.

Der Deutsche Musikrat weiß sich mit seinen Forderungen in guter Gesellschaft: nach einer Emnid –Untersuchung und Erkenntnissen der Arbeitsgemeinschaft Media Analyse sind über 77% der Befragten unzufrieden mit einer zu kleinen Titelauswahl öffentlich-rechtlicher Hörfunksender, über 62% möchten mehr Musik mit deutschen Titeln hören. Diese Zahlen reflektieren auch die Tatsache, dass öffentlich-rechtliche Sender kaum noch neue Musik spielen; der Neuheitenanteil liegt bei nur knapp 15%, bei deutschsprachigen Neuheiten sogar nur bei 1,2%. Der Auslandsanteil gemessen an Sendeminuten liegt dagegen bei 70%. Da über 80% der Bevölkerung täglich mehr als 4 Stunden Radio hören, liegen differenziertere Programmangebote andererseits nahe.

Der Deutsche Musikrat und die ihm angeschlossenen Landesmusikräte, die in den Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks tätig sind, beobachten Veränderungen der Hörfunklandschaft und speziell die Entwicklung der Kulturradio-Wellen seit geraumer Zeit und wollen deren Entwicklung auch weiterhin engagiert begleiten. In Gesprächen mit Hörfunkdirektoren wird in den kommenden Monaten verstärkt darauf gedrängt werden, dass die in den Rundfunkstaatsverträgen gebotene kulturelle Vielfalt und Qualität auch im musikalischen Bereich erhalten bleibt und eher aus- statt abgebaut wird.

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