"Jazzpilot*innen" – unter diesem Titel untersuchen die Deutsche Jazzunion und die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb seit zwei Jahren Schnittstellen und Synergien zwischen Methoden und Inhalten aus der Jazzvermittlung und der politischen Bildung.

Nun beginnt eine Praxisphase des Kooperationsprojekts und dafür hat eine eigens einberufene Jury aus insgesamt 23 Bewerbungen aus der ganzen Bundesrepublik fünf Modellprojekte ausgewählt. Eingereicht werden konnten Ideen zu Vermittlungsformaten, in denen bis Ende August 2023 auf unterschiedlichste Weise erprobt werden soll, wie eine Vermittlung von Jazzimprovisation und politischer Bildung für Kinder und Jugendliche in der Praxis umgesetzt werden kann.

Die innovativen Projektideen wurden von Musiker*innen, Musikpädagog*innen und politischen Bildner*innen aus 18 Orten in acht Bundesländern eingereicht. Sie decken ein Angebot für Kinder und Jugendliche aller Altersstufen von 0 bis 18 Jahren ab.

Jakob Fraisse, Leiter Bildung & Forschung der Deutschen Jazzunion: "Die fünf ausgewählten Jazzpilot*innen-Modellprojekte sind Experimentierlabore für die Kombination von moderner Jazzpädagogik und politischer Bildung. Es geht dabei sowohl um das Erleben von musikalischer Improvisation als Kommunikations- und Ausdrucksform als auch um das Erlernen essenzieller sozialer Fertigkeiten, auf denen das Zusammenleben in unserer freiheitlich-demokratischen Gemeinschaft aufbaut. Indem sich Jazzpädagogik und politische Bildung begegnen, erschließen sich neue Perspektiven für beide Bereiche."

In der Jury wirkten Alexander von Nell (Netzwerk Junge Ohren), Sina-Mareike Schulte und Anne Benjes (Musikland Niedersachsen), Ulrike Schwarz (AG Jazzpilot*innen), Prof. Dr. Michael Görtler (OTH Regensburg) und Johanna Schneider (Vorstand Deutsche Jazzunion) mit. Die Bandbreite der ausgewählten Projekte reicht von Spielarten der musikalischen Improvisation und Komposition über Hörspiel- und App-Nutzung bis hin zum Musizieren als demokratischem Prozess. Es finden sich Ideen zu Körperbildern, zu Abenteuergeschichten, Naturschutz und "Außenseiter*innen" darunter, wie auch Projekte, die eine Gedenkkultur und eine Aufarbeitung der NS-Zeit mit lokalen Bezügen thematisieren.

Die nächsten Schritte: Im April findet für alle Teilnehmer*innen ein Workshop zur politischen Bildung statt. Nach Abschluss der Modellprojekte bis Ende August 2023 werden diese in einem Podcast und einer Printpublikation zum Jahresende vorgestellt. Alle Projekte werden von der Deutschen Jazzunion sowie der bpb kofinanziert und von Expert*innen aus der Jazzvermittlung sowie der politischen Bildung fachlich begleitet.

Die Modellprojekte auf einen Blick:

"Harlem am Main", Frankfurt: Über die Beschäftigung mit der Geschichte der Swing-Jugend als widerständiger Subkultur einerseits und durch einen musikpraktischen Workshop andererseits möchten die Initiator*innen gemeinsam mit Jugendlichen der These Wiglaf Drostes auf den Grund gehen: „Ein menschliches Gehirn, das mit Jazz Fühlung aufnimmt, verliert seine rechten Winkel. Jazz ist die Verneinung des Stechschritts und des Marschiertritts“.

"Jazz in / Jazz out", Osnabrück: Ein zweiteiliger Workshop mit dem Ziel, Jazz und Demokratieverständnis in spielerischer Art und Weise zu verbinden. Er richtet sich in der ersten Phase an Schüler*innen der Studienvorbereitende Ausbildung (SVA) und in der zweiten Phase an interessierte Jugendliche, die nicht zwangsläufig musikalische Vorerfahrung mitbringen müssen.

"Projekt Hörspur – klingende Orte der Vergangenheit: SS-Sonderlager KZ-Hinzert", Saarbrücken: Eine musikalisch-künstlerische Auseinandersetzung (Jazz / Improvisierte Musik im Bandkontext) mit Erinnerungskultur, um aktuelle Ausdrucksformen für die Reflexion der Vergangenheit ins eigene Tun in der Gegenwart zu entwickeln.

"Kiklimuko 2023 Kinder-Klang-Improvisations-Musik-Konzert", Düsseldorf: Junge Menschen werden zu Improvisator*innen, Geschichtsschreiber*innen, Klangkünstler*innen und Komponist*innen, die sich mit (für sie) relevanten politischen und sozialen Themen musikalisch auseinandersetzen.

"Körper in Bewegung bringen – STATT_WERK_WORKS", Berlin: Wochenkurs zum Erleben und Ausprobieren verschiedener, auch experimenteller Spielarten der musikalischen Improvisation, verknüpft mit den Fragen: Welche Körperbilder und Inszenierungen von Weiblichkeit sind durch (Musik-)Kultur und Medien in der Gesellschaft präsent, wie beeinflussen sie unser Selbstbild oder wirken sich auf unser Denken und Handeln aus?

"Jazzpilot*innen" ist eine Kooperation der Deutschen Jazzunion und der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche mit Mitteln der musischen, kulturellen und politischen Bildung in der Entwicklung zu mündigen und teilhabenden Mitgliedern einer demokratischen und offenen Gesellschaft zu unterstützen. Im Fokus stehen sowohl Kinder und Jugendliche als auch Lehrer*innen und Pädagog*innen, die Jazzimprovisation und Grundlagen politischer und kultureller Bildung individuell unterrichten wollen. Die Ergebnisse der Recherche- und Konzeptionsphase (2020-2022) stehen als Dokumentation zur Verfügung. Mehr Informationen auf der Website.