Ins Alte Pfandhaus Köln luden Landesmusikrat NRW, Kulturrat NRW, Mediamusic und Frauenkulturbüro NRW zu einer Tagung ein. Gut 70 Komponisten, Schriftsteller, Drehbuchautoren, darstellende und bildende Künstler kamen zusammen, um über die Herausforderung zu sprechen, die die digitale Distribution und die zunehmende Entrechtung der Urheber im Internet darstellen.
Reinhard Knoll begrüßte sie und besonders auch Oliver Keymis, den Vizepräsidenten des Landtags NRW und Kulturpolitischen Sprecher der Landtags-Grünen. An seiner Anwesenheit zeige sich, wie politisch das Thema der Tagung ist und wie ernst es auch Landtagspolitiker nehmen.
Ursula Theissen führte in die Positionen der Wirtschaftspolitik und die Erwartungen des Kulturrats NRW an die Politik ein. Clustermanager versuchen derzeit im Auftrage der Landesregierung, die Firmen und Aktiven zu bündeln. Netzwerkertreffen werden initiiert, doch ist die Personaldecke zu dünn.
Thomas Kipp führte in das Problemfeld von Kreativität, Distribution und Recht ein. An die Künstler appellierte er: ’Sie müssen immer die Aspekte Kultur und Markt zusammen denken, sonst sind Sie zum Scheitern verurteilt.’ Wie geht man mit der informatorischen Revolution des Internets um? Wie kommt man an einen Anteil an den Verwertungserlösen? Der Gesetzgeber kommt hinter den Entwicklungen nicht her und kann den Wunsch auf eine aktuelle Rechtsgrundlage nicht einlösen. Die EU versucht zu retten, was zu retten ist, befindet sich aber außerhalb von sehr bevölkerungsreichen Teilen dieser Welt, die Fakten schaffen.
Matthias Hornschuh moderierte vier Kurzreferate des Filmmusikkomponisten Andreas Schäfer, des Drehbuchautoren Stephan Brüggenthies, der Popkomponistin und -sängerin Mariama und der Romanautorin Gisa Klönne. Andreas Schäfer entdeckte jüngst von ihm mit Musik versehene Dokumentarfilme auf YouTube. Bis zu 15.000 Klicks sind dokumentiert, doch nie fließt dafür Geld an Autoren und Produzenten. Gerippte Dokumentarfilme sind nicht nur ein wirtschaftliches Problem, die Autoren werden dort auch meist nicht genannt. Die GEMA hat noch kein funktionierendes Erlösmodell für das Internet.
In seinem Referat zu Literatur und Digitalisierung skizzierte Stephan Brüggenthies die Auswirkungen des E-Books, das Problem der illegalen Textweitergaben, die Chancen für die Verbreitung und die großen Logistikkosten, die auf die Verlage zukommen. Er geht davon aus, dass E-Books mittelfristig kaum preiswerter als Papierbücher werden können. Doch erbringt das E-Book einen neuen Markt? Niemand weiß das genau. Vermutlich führt es eher zu einer Verlagerung als zu einer Erweiterung der Zielgruppen.
Stefan Benn beschäftigte sich mit den Vergütungsmodellen und den damit verbundenen Legalitätsfragen. Das Urheberrecht schütze den Urheber auch im derzeitigen Marktumbruch ausreichend, wäre dieses Recht auch durchzusetzen. In Deutschland sind Politik und Behörden zögerlich, in Frankreich wurde hingegen die Behörde HADOPI gegründet, die bei mehrfachen Verstößen gegen das Urheberrecht berechtigt ist, Internetsperren gegen Provider anzuordnen. Und in England sieht die Digital Economy Bill ein abgestuftes Vorgehen gegen illegale Handlungen im Internet vor. Die Medienaufsichtsbehörde Ofcom warnt und entzieht den Zugang. Die Provider müssen sogar ihre Nutzer protokollieren und diese bei Verstößen anschreiben. Nicht zufällig ist YouTube in England lizensiert, in Deutschland legt das Unternehmen hingegen darauf kaum Wert.
In der Schlussrunde warfen Thomas Kipp und Stefan Benn die Frage nach der scheinbaren Gegensätzlichkeit von Meinungsfreiheit und Netzüberwachung auf, die eine lebhafte Diskussion auslöste. In einem Schlussappell mahnte Hornschuh:
1. Geltendes Recht sollte umgesetzt werden. Wir müssen den deutschen Sonderweg verlassen. International geht viel mehr, als hier passiert. Das heißt auch, die Störerhaftung für Webanbieter einzurichten.
2. Wir müssen überlegen, welche Verhandlungspartner über unsere Interessen beschließen. Verwerterinteressen sind nicht gleich Urheberinteressen, Verwerter können nicht in Verhandlungen für Urheber sprechen.
3. Wir müssen Demagogik meiden. Meinungsfreiheit, Bürgerrechte und Überwachung werden zu Holzschlaghammer-Argumenten.
4. Es besteht ein Wissensdefizit um die Zusammenhänge des Markts bei den Kreativen. Es gibt zwar öffentliche Beratungsangebote, aber nicht in genügender Zahl. Wir müssen aber auch bei den Künstlern darum werben, dass sie sich beraten lassen.
Robert von Zahn
Bericht Tagung "Ende der Nachrungskette"Bericht Tagung "Ende der Nachrungskette", 15.04.2010 in Köln (Stand: 22.04.10, PDF-Datei, 112 KB)
Absätze
Quelle
http://www.lmr-nrw.de