Vor der Anhörung des Rechtsausschusses im Bundestag unterstreicht der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) noch einmal seine Kritik und seine Besorgnis mit Blick auf den deutschen Ansatz zur Umsetzung der DSM-Richtlinie in Deutschland. Der Gesetzentwurf sieht für Deutschland ein eigenes Regelungskonstrukt vor, das die Rechtsposition von Künstler:innen und den mit ihnen partnerschaftlich zusammenarbeitenden Musikfirmen schwächt, die Online-Plattformen hingegen teilweise weiter stärkt. Zudem widersprechen Sonderregelungen in einzelnen Ländern per se dem Anliegen der DSM-Richtlinie, ein harmonisiertes Urheberrecht im europäischen digitalen Binnenmarkt zu schaffen. Außerdem gibt es jenseits der europarechtlichen Bedenken klare verfassungsrechtliche Probleme, auf die jüngst der Verfassungsrechtler Christoph Möllers in seinem Gutachten hingewiesen hat. In der Branche besteht die Erwartung, dass sich der Rechtsausschuss mit diesen verfassungsrechtlichen Aspekten ausführlich beschäftigt, zumal Herr Prof. Dr. Möllers im Ausschuss heute als Sachverständiger gehört wird, die Stellungnahme findet sich hier.
Gemeinsam mit anderen kreativwirtschaftlichen Verbänden übt der BVMI seit Monaten deutliche Kritik am deutschen Ansatz. Auch die Künstler:innen melden sich zu Wort: Im November vergangenen Jahres gab es einen von rund 650 Musiker:innen unterzeichneten Offenen Brief an die Politik, vor kurzem hat darüber hinaus Peter Maffay in einem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung (Ausgabe vom 1./2. April 2021) noch einmal dargelegt, wie fatal die Folgen des geplanten deutschen Ansatzes für die Arbeit von Kreativschaffenden wären.
Dr. Florian Drücke, der Vorstandsvorsitzende des BVMI: "Der deutsche Gesetzentwurf zielt auf eine juristische Disruption, die dem europäischen Kompromiss widerspricht und den Digitalmarkt in Deutschland und darüber hinaus destabilisieren wird. Der Ansatz geht nach wie vor an der digitalen Realität und der gelebten Branchenpraxis vorbei und dies, obwohl zahlreiche Branchen vielfach konkrete rechtliche und tatsächliche Bedenken artikuliert haben.“
"Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Durch das System der sogenannten "mutmaßlich erlaubten Nutzungen“ werden Kreative und ihre Partnerfirmen quasi teilentmündigt, weil sie nicht mehr bestimmen können, wofür, wie und vom wem essentielle und wertvolle Teile ihrer Inhalte genutzt werden können. Künftig können in Deutschland bis zu 15 Sekunden aus einem Musikstück, Filmwerk oder Laufbild, bis zu 160 Zeichen Text, 125 Kilobyte für Fotos und Grafiken gegen eine (geringe) kollektivierte Pauschalvergütung erlaubnis- und haftungsfrei öffentlich verwendet werden. Und zwar von jedem/jeder nicht-kommerziellen Nutzer:in. Die Auswertung findet dabei auf den Plattformen statt, die damit – nichts Neues! – in der Regel erheblich verdienen; wie einträglich das Werbegeschäft von YouTube & Co. ist, ist kein Geheimnis.“