Marc Grandmontagne, Geschäftsführender Direktor des Deutschen Bühnenvereins, sieht einen wachsenden Widerspruch zwischen steigenden Erwartungen an die Theater und Orchester einerseits und der gleichzeitigen Marginalisierung von Kulturpolitik andererseits: "Ob es Flüchtlinge in unseren Städten sind, ob es um kulturelle Teilhabe von Kindern und Jugendlichen oder Projekte in sozial schwierigen Stadtteilen geht - die Theater engagieren sich landesweit in allen Bereichen. Trotzdem korrespondiert eine solche Rollenveränderung nicht mit entsprechender kulturpolitischer Aufwertung. So manches Theater kämpft damit, Tarifsteigerungen an sein künstlerisches Personal weitergeben zu können. Angesichts von zu erwartenden 54 Milliarden Steuermehreinnahmen in den nächsten Jahren fordern wir hier entschiedenes Gegensteuern."
Stadtgesellschaften unterliegen einem massiven Wandel, der für alle Beteiligten mit neuen Herausforderungen einhergeht. Migration, wachsende soziale Ungleichheit, Populismus und kulturelle Differenzen verursachen neue Konflikte und erfordern deshalb andere Herangehensweisen von Institutionen etwa aus den Bereichen Bildung, Kultur, Kinder und Jugend, Soziales und Sport. Theater und Orchester sind sich als unverzichtbare kulturpolitische Akteure einer offenen Stadtgesellschaft ihrer Verantwortung bewusst, nicht nur akut in ihre jeweiligen Städte zu wirken, sondern auch langfristig kulturelle Visionen zu entwickeln, die unsere Gesellschaft benötigt. Davon zeugen schon heute die vielfältigen Programme des Kinder- und Jugendtheaters sowie viele Projekte in den Bereichen Vermittlung und kulturelle Bildung.
Holger Schultze, Intendant des Theaters und Orchesters Heidelberg und Vorsitzender des Ausschusses für künstlerische Fragen im Deutschen Bühnenverein, unterstrich bei der Ausschuss-Sitzung am 15. und 16. Mai 2017 in Heidelberg: "Diese Verantwortungsübernahme kann allerdings nur gewährleistet werden, wenn Theater in der Lage sind, lebenswerte Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Sehr viele NV-Bühne-Künstler, vor allem Anfängerinnen und Anfänger, leben und arbeiten leider unter prekären finanziellen Bedingungen, deshalb ist es höchste Zeit, dass die öffentliche Hand angesichts voller Steuerkassen den schleichenden Finanzabbau an den Theatern beendet. Wir fordern in diesem Sinne die Städte auf, den einzelnen Theatern eine zweckgebundene Summe zur Verfügung zu stellen, um dieser prekären Situation vieler jungen Künstlerinnen und Künstler Abhilfe zu schaffen."