Das Beethoven-Archiv, die wissenschaftliche Abteilung des Bonner Beethoven-Hauses, hat einen neuen Leiter. Professor Dr. Bernhard R. Appel hat im Januar die Führung der traditionsreichen Einrichtung übernommen, die als Zentrum der weltweiten Beethoven-Forschung angesehen wird. Als langjähriger leitender Mitarbeiter in der Robert-Schumann-Forschungsstelle in Düsseldorf gilt Appel nicht nur als Schumann­­experte, sondern aufgrund seiner editorischen Arbeiten als ex­zellenter Fachmann in Fragen der Musikphilologie.

In der fast 80jährigen Geschichte des Beethoven-Archivs gab es bisher sechs Leiter, die das Institut, sein Konzept und Arbeitsprogramm prägten. Es waren zunächst die jeweiligen Ordinarien des musikwissenschaftlichen Seminars an der Universität Bonn:
Ludwig Schiedermair, Joseph Schmidt-Görg und Günther Massenkeil, dann ab 1977 Martin Staehelin, Sieghard Brandenburg und Ernst Herttrich.
Gegründet 1927, kann das Beethoven-Archiv auf eine ergebnis- und traditionsreiche Geschichte verweisen. Es verfügt heute über eine umfangreiche Quellensammlung und die größte Spezialbibliothek zu Beethoven. Seine zentrale Aufgabe besteht in der Erarbeitung einer neuen Gesamtausgabe der musikalischen Werke, der Skizzen sowie der Briefe und anderer Dokumente des Komponisten. Das Beethoven-Archiv richtet außerdem Symposien aus, und die angestellten Wissenschaftler üben eine breitgefächerte Beratungs- und Vortragstätigkeit aus. Aufgrund der Einbindung in den Gesamtkomplex des Beethoven-Hauses können wissenschaftliche Arbeitsergebnisse unmittelbar umgesetzt und mit der Praxis verbunden werden.

Eine große Herausforderung für Musikphilologen sieht der neue Archiv-Leiter Bernhard Appel in der Positierung nicht nur im Umfeld von Kultur und Wissenschaft, sondern auch in der Gesellschaft. „Statt über Schließungen und Mittelkürzungen zu jammern, sind wir als Editoren, Philologen und Musikwissenschaftler heute und zukünftig stärker als je zuvor gefordert, uns in der Kultur- und Wissenschaftslandschaft zu positionieren. Wir sind mehr denn je dazu verpflichtet, mit universitärer Forschung und mit anderen Fächern, auch mit naturwissenschaftlichen zu kooperieren.” Kunstanspruch, ästhetische Wertungen aber auch Forschungstendenzen und -inhalte ließen sich weder gesellschaftlich einklagen, noch mittels pädagogischer Bildungsbedrängnis durchsetzen, so Appel. „Wenn uns die Sache ernst und wert ist, gesellschaftlich präsent zu sein, so hilft nur gelebte Identi­fizierung mit der „klassischen” Musikkultur und der Mut, sich vom Mainstream nicht einschüchtern zu lassen.” Es sei deshalb für Musikphilologen heute besonders wichtig, Wege zu suchen und zu finden, sich einer Öffentlichkeit verständlich zu machen, die ein Recht habe, zu wissen, wofür die öffentliche Hand und anderer Förderinstanzen Forschungsmittel ausgeben, betonte Appel bei seiner Amtseinführung, die im Rahmen einer Ausstellungseröffnung im Kammermusiksaal stattfand.