Dresden wird nicht automatisch mit dem Schaffen von Johann Sebastian Bach assoziiert. Die Stadt Leipzig, als langjähriger Wirkungsort des Thomaskantors und Ausrichter des alljährlichen Bachfestes, steht viel stärker im Fokus der internationalen Bachliebhaber. Doch auch Dresden kann auf historisch belegte Aktivitäten und Konzerte des Meisters verweisen, bemühte er sich doch hier lange um den formalen Titel eines Königlichen Hofkompositeurs und übereignete dem sächsischen Hof verschiedene Kompositionen.

Gleich das Auftakt-Konzert am Vorabend des Bachfestes in der Semperoper nimmt darauf Bezug. Die Staatskapelle Dresden vereint im Sonderkonzert anlässlich ihres Gründungstages eine Orchestersuite von Bach mit Werken späterer Hofkapellmeister wie Johann Gottlieb Naumann und Sofia Gubaidulina. Mit Dresden wird auch die h-Moll-Messe verbunden, die der Kreuzchor anlässlich seines 800jährigen Jubiläums zum Bachfest in der Kreuzkirche aufführt. Bach spielte auch an der Silbermannorgel der einstigen Frauenkirche. Das Haus widmet dem Komponisten inzwischen jährliche Bachtage und bringt diese 2016 in das Programm des Bachfestes ein. Neben einem Orgelkonzert, Orgelandachten und Geistlichen Sonntagsmusiken sind in der Frauenkirche fünf hochkarätige Konzerte zu erleben! Das offizielle Eröffnungskonzert gestalten am 24.9. die Dresdner Barocksolisten unter Leitung von Helmut Branny und zum Ausklang interpretieren die Ensembles der Frauenkirche unter Leitung von Frauenkirchenkantor Matthias Grünert Bachs »Festmusiken für das kurfürstliche sächsische Haus«. Lebendig aber erhielt sein Oeuvre vor allem die alltägliche Musikpraxis in den Gemeinden. Einblicke darin kann man - über das Stadtgebiet verteilt – zum Bachfest in verschiedenen Kirchen gewinnen. So finden in der Diakonissenkirche und der Versöhnungskirche klassische Kantatengottesdienste statt, in der Auferstehungskirche gibt es ein ganztägiges Gemeindefest mit Bachmusik, in der Kreuzkirche wird zu Vesper und Orgelkonzerten mit Kreuzorganist Holger Gehring geladen und in der Dreikönigskirche können sich Sangesfreudige begleitet von Mitgliedern der Sinfonietta Dresden für Proben und Aufführung einer »Bachkantate zum Mitsingen« treffen. Namhafte Interpreten der Stadt aber nehmen sich auch eher selten erklingender Bachkompositionen an. So bringt Cappella Sagittariana Dresden in der akustisch reizvollen Annenkirche »Drei Lutherische Messen« zu Gehör und die Dresdner Philharmonie steuert unter Leitung des Spezialisten für Alte Musik Konrad Junghänel »Bachs Lutherische Messe F-Dur und ihre Ursprungskantaten« bei.

Bach gilt nachfolgenden Generationen und bis heute auch immer als Maßstab für neue kompositorische Bezüge und Ideen. Und so finden sich auch viele romantische und zeitgenössische Kompositionen sowie Uraufführungen im umfangreichen Programm. Die traditionsreiche Singakademie Dresden bringt zum Beispiel in der Kreuzkirche in großer Besetzung mit Soli, Chor und Orchester unter dem Titel »Lobgesänge« Kompositionen von Bartholdy und Strawinsky sowie eine Uraufführung ihres Leiters Ekkehard Klemm zu Gehör. Auch die Hochschule für Kirchenmusik kontrastiert bei ihrem Konzert in der Versöhnungskirche Bach und Reger mit zwei Uraufführungen. Die Hochschule für Musik »Carl Maria von Weber« konzipierte für das Bachfest in ihrem neuen Konzertsaal gleich eine kleine Veranstaltungsreihe: »Bäume, Misteln und Töne« stellt mit dem Sinfonieorchester der Hochschule Bach, Webern und die Dresdner Komponisten und Hochschulprofessoren Manos Tsangaris und Jörg Herchet in einen Zusammenhang und bei »Bach Plus I / II« musizieren die Studenten neben Bach zeitgenössische deutsche und internationale Kompositionen. Die Dresdner Musikhochschule widmet der Wirkungsgeschichte und Ausstrahlung Bachs auf Komponisten bis zur Gegenwart übrigens mit »Klang und Glaube« auch ein zweitägiges Internationales Symposium.

Und was wäre ein hiesiges Bachfest ohne Dresdens kreative Chöre und überregional geschätzte Vokalensembles? Das junge Ensemble AuditivVokal bewegt sich in seiner Inszenierung »BachdurchKREUZt« der Choreographin Katja Erfurth im prächtigen Foyer des Stadtmuseums mit musikalischen Motiven von Bach und Uraufführungen von Kompositionsstudenten auf das Schaffen von Bach zu wie weg, Vocal Concert gestaltet im Albertinum in Korrespondenz mit den hier ausgestellten Kunstwerken das Wandelkonzert »Perspektive: Bach« und Ensemble vocal modern lässt im Rahmen der Konzertreihe »SprachSpiele« von KlangNetz Dresden »Tönende Sprache und sprechende Töne« wirken. Zum Ende des Festivals lädt das Sächsische Vocal ensemble unter der Leitung von Matthias Jung zu einer Sonntagsmatinee und kombiniert in »Vater und Erben« Bach mit Motetten der Söhne-Generation und Kompositionen aus der Sammlung des Thomaskantors Hiller aus dem ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert.

Das Bachfest Dresden möchte aber auch dazu einladen, Bach abseits bekannter Pfade zu erleben. So wildert die Serkowitzer Volksoper im Kabarett Breschke & Schuch mit ihrem musikalischen Possenspiel »Präludium und Unfug« nach »Kaffeekantate und Bauernkantate« erstmals auf dem Feld der Alten Musik. Im Societaetstheater sind die in Dresden entstandenen Choreographien »Fünf Präludien aus dem Wohltemperierten Klavier« der Ausdruckstänzerin Marianne Vogelsang zu erleben und die Tonne, der traditionsreiche Jazzclub der Stadt, steuert zum Thema Bach drei unterschiedliche Programme im Grenzbereich zwischen Klassik und Jazz bei. Im Programm finden sich auch Veranstaltungen für Kinder, genreübergreifende Experimente der Freien Szene und mit der BACH-Börse kann man sich Musiker sogar nach Hause oder in die Firma einladen!

Zum Abschluss der unvollständigen Programmübersicht noch ein besonderer Tipp. Wer sich intensiv mit Bachs berühmten Goldberg-Variationen beschäftigen möchte, hat zum Bachfest bei drei sehr unterschiedlichen Konzerten dafür Gelegenheit: Im Jazzclub stellt der preisgekrönte US-Pianist Dan Tepfer »Goldberg-Variations« vor, auf dem Akkordeon interpretiert das russische Duo Kratschkowsky in der Bethlehemkirche die Variationen als romantische Bearbeitung für zwei Klaviere von Josef Rheinberger und Jan Katzschke spielt im Kulturrathaus die Goldberg-Variationen ganz puristisch auf dem Cembalo.