Die Initiative "Aufstehen für die Kunst“ hat am 18.03.2021 Popularklage zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen die Schließungsanordnung von Theatern, Opern und Konzerthäuser, Bühnen, Kinos und ähnliche Einrichtungen in § 23 Abs. 1 der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung erhoben. Stellvertretend für die Initiative haben Wolfgang Ablinger-Sperrhacke, Christian Gerhaher, Kevin Conners, Hansjörg Albrecht, Anne-Sophie Mutter und Thomas Hengelbrock die Popularklage gestellt.
Es geht den Klägern um eine grundsätzliche Klärung der Vereinbarkeit der erlassenen Kulturveranstaltungsverbote mit der Bayerischen Verfassung.
Das Kulturveranstaltungsverbot ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihrer durch Art. 108 der Bayerischen Verfassung geschützten Kunstfreiheit und in ihrer Berufsausübungsfreiheit aus Art. 101 BV. Es ist zudem aus mehreren Gründen schlechterdings unvereinbar mit dem in Art. 118 Abs. 1 BV normierten Gleichheitssatz. Pauschale, also keine Ausnahmen vorsehende Kulturveranstaltungsverbote lassen sich verfassungsrechtlich mit Blick auf die hohe Bedeutung der Kunstfreiheit nicht rechtfertigen. Im Ergebnis wird den Klägern die Ausübung ihrer Kunst vor Zuschauern und die Ausübung ihres Berufs unmöglich gemacht. Die Untersagung jeglicher Kulturveranstaltungen sind zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 auch nicht notwendig. Die Kläger stellen dabei nicht in Abrede, dass der Staat als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie Schutzmaßnahmen erlassen kann. Diese müssen sich aber am Stand der wissenschaftlichen Untersuchungen messen lassen. Pauschale und möglicherweise übervorsichtige Verbote sind allenfalls dann gerechtfertigt, wenn (wie z.B. am Anfang der Pandemie) noch gar nicht hinreichend bekannt ist, ob und wie bestimmte Gefahren drohen. Für Kulturveranstaltungen, die in modern belüfteten Veranstaltungsstätten durchgeführt werden, liegen mittlerweile zahlreiche wissenschaftliche Studien vor, die zum Ergebnis kommen, dass ein signifikantes Infektionsrisiko bei Einhaltung von Hygiene- und Schutzkonzepten nicht festgestellt werden kann. Es ist gut und richtig, dass in Deutschland die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie maßgeblich an wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet wurde. Neue und spezifische Erkenntnisse sind dabei aber zu berücksichtigen. Die Erkenntnissituation unterscheidet sich daher – insbesondere in Bezug auf Kulturveranstaltungen – heute sehr deutlich von derjenigen im Frühjahr 2020, als der Staat zunächst nicht anders konnte als pauschale Verbote auszusprechen. Der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand rechtfertigt heute solche Pauschalverbote aber nicht mehr.
Die Kulturverbote sind deshalb verfassungsrechtlich nicht schon erforderlich. Die mit der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung verfolgten Ziele können auch durch mildere Mittel erreicht werden. Jedenfalls ist das Totalverbot unverhältnismäßig und deshalb unangemessen. Zudem ist der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz verletzt, da die Kulturveranstaltungen aktuell noch vollständig verboten sind, obwohl Gottesdienste, Versammlungen, Einzelhandel (Gartenmärkte, Baumärkte und Buchhandlungen) derzeit mit nur geringen Einschränkungen geöffnet sein dürfen.