Bundespräsident Johannes Rau umschrieb die Faszination mit den Worten: “Es ist die Musik, die den Menschen zum ganzen Menschen macht. In ihr kommen Gefühl und Geist, Seele und Körper zur Einheit.“ Am Tag der Hausmusik, am 22. November, werden in vielen Städten und Gemeinden wieder Musikschulen, Vereine, aber auch Musikfachgeschäfte Konzerte geben, um die Menschen zu motivieren, selbst ein Instrument zu spielen.
Man muss den Musikunterricht retten
Obwohl die Wissenschaft längst überzeugend nachgewiesen hat, dass aktives Musizieren die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nachhaltig positiv beeinflusst, nimmt das aktive Musizieren junger Menschen immer mehr ab. Die Präsidentin des Deutschen Musikverleger-Verbandes (DMV), Dagmar Sikorski, macht sich Sorgen, weil in vielen Bundesländern der Musikunterricht an den allgemein bildenden Schulen gekürzt wird. In einigen Grund- und Hauptschulen fallen schon bis zu 90 Prozent der Unterrichtsstunden für Musik aus. Gerade durch das neue Lehrerarbeitszeitmodell sind in Hamburg fast 300 Musikveranstaltungen im Jahr 2004 gefährdet. Bei der Konzeption dieses Modells scheinen die Belange der Musiklehrer wohl außer Acht gelassen worden zu sein. Dagmar Sikorski nannte weitere Details: In Bayern erhält nur noch ein knappes Fünftel der bayerischen Hauptschüler in der Klasse 7 Musikunterricht. In Hamburg wählen in der gymnasialen Oberstufe weniger als 10 Prozent das Fach Musik, an manchen Gymnasien ist es ganz verschwunden. In Nordrhein-Westfalen wurde das Fach Musik aus dem sprachlich künstlerischen Aufgabenfeld gestrichen. In Schleswig-Holstein liegt die Unterrichtsversorgung im Fach Musik unter 20 Prozent. Außerdem werden in den nächsten Jahren Hunderte von Musiklehrern pensioniert. Besonders die Einführung der Ganztagsschulen stellt den Musikunterricht und die Musikschulen vor neue Herausforderungen, die frühzeitig erkannt werden müssten.
Die Präsidentin des Deutschen Musikverleger-Verbandes appellierte an die kommunalen Repräsentanten und die Kultusminister zu verhindern, dass die junge Generation den Kontakt zur Musik verliert. “Die Jungen und Mädchen können den Gewinn durch Musik nicht mehr beurteilen und werden darum auch in den Schulen immer mehr den Musikunterricht ignorieren", so Dagmar Sikorski. Durch die drastischen Kürzungen in Kulturetats werde der Musikunterricht inzwischen immer mehr zum Stiefkind der Lehrpläne. Sie pflichtet dem Ausspruch des Bundespräsidenten bei, der formulierte „Wenn wir Musik und Kunst für die Sahne auf dem Kuchen halten und nicht für die Hefe im Teig, dann verstehen wir unsere Gesellschaft falsch.“ Ohne die Heranführung der Jugend an die Musik ist der wesentliche Teil unserer Kulturgesellschaft, das Musikleben in Deutschland, in allen Bereichen gefährdet. Dagmar Sikorski betont, dass in einigen Bundesländern inzwischen ein „Bündnis für den Musikunterricht“ ins Leben gerufen worden ist.
Leistungsfähiger mit Musik
Inzwischen ist bewiesen, dass Musikalität der Intelligenz zumindest förderlich ist. Musisch kreative Menschen sind auch in anderen Bereichen des Lebens zu größeren Leistungen fähig. Das Gemeinschaftserlebnis im Chor oder im Orchester fördert die soziale Kompetenz, das Erlernen eines Instruments die Selbstdisziplin.
Prof. Hans Günther Bastian aus Hannover stellte nach einem umfangreichen Untersuchung in Berliner Schulen fest, dass eine erweiterte Musikerziehung Gewalt und Aggressionen unter Kindern abbaut. Bastian: “Setzen wir gegen die physische Gewalt die psychische Macht der Musik.“ Bildungspolitik mit Musikerziehung in den Schulen sei die beste Sozialpolitik. Nicht ohne Grund vergleicht Otto Schily die Schließung von Musikschulen mit der Gefährdung der inneren Sicherheit.
Bundesweites Schülerband-Festival
Die deutschen Musikfachhändler machen sich ebenfalls große Sorgen, dass immer weniger Kinder und Jugendliche ein Instrument spielen. Das unterstrich Michael Huchthausen, Präsident des Gesamtverbandes Deutscher Musikfachgeschäfte (GDM). Darum setzen sich die deutschen Musikfachhändler zusammen mit anderen Verbänden besonders für eine Stärkung des Musikunterrichts ein. So veranstalten sie u.a. zusammen mit dem Deutschen Musikrat ein bundesweites Schülerband-Festival “SchoolJam", das zu einer stärkeren Begeisterung von Schülern für das Musizieren führen soll.
Als großen Erfolg bezeichnete Huchthausen das Projekt “Ein Anfang mit Musik“, mit dem Kindergärtner und Erzieher erlernen, wie Kinder an die Musik und an ein aktives Musizieren herangeführt werden könne. Nach den Worten von Huchthausen wurden seit 1985 in 159 Städten über 20.000 Pädagogen für den Musikunterricht ausgebildet. Im letzten Jahr waren es allein 2.000. “Denn für Musik ist es nie zu früh", erklärte Huchthausen.
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Quelle
http://www.dmv-online.com