Mit dem Konzertprojekt "Aghet" möchten die Dresdner Sinfoniker an die an Armeniern verübten Massaker im damaligen Osmanischen Reich vor rund 100 Jahrhundert erinnern. Bereits im Vorfeld von der türkischen Regierung scharf kritisiert, sollte eine Aufführung am 13. November in den Räumlichkeiten des deutschen Generalkonsulat in Istanbul stattfinden, zu der die Dresdner Sinfoniker den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan, Ministerpräsident Binali Yildirim, Außenminister Mevlüt Cavusoglu und Kulturminister Nabi Avci eingeladen hatten. Zunächst ohne Begründung hatte das Auswärtige Amt seine Zusage zur Verfügungstellung der Räumlichkeiten zurückgezogen. Die Aufführung musste nun abgesagt werden. In einem an den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier gerichteten Offenen Brief wenden sich die Dresdner Sinfoniker nun gegen die Entscheidung. Hier das Dokument im Wortlaut: 

"Lieber Frank-Walter Steinmeier,

die schriftliche Antwort und Absage des Auswärtigen Amts auf unseren ausdrücklichen Wunsch, das Konzert in Istanbul nicht zu verschieben, endet mit den Worten: "Nichtsdestotrotz bin ich davon überzeugt, dass wir unsere Zusammenarbeit im Interesse der Annäherung zwischen der Türkei und Armenien fortsetzen sollten. Ich schlage vor, dass wir dazu im Gespräch bleiben und eine Durchführung Ihres Projekts unter günstigeren Rahmenbedingungen und mit einer besseren Vorbereitung als der derzeitigen neu planen.“

Wir können nicht auf einen fernen Termin in vager Zukunft in Istanbul hoffen, das Angebot des Auswärtigen Amts auf Verschiebung macht kaum Sinn, denn wenn kein Wunder geschieht, steht es außer Zweifel, dass sich die Lage in der Türkei innerhalb dieser Legislaturperiode nicht verbessern wird. Sie selbst nennen in der Begründung Ihrer Absage die Gründe dafür.

Die Zeit drängt. Wir möchten Ihnen einen konstruktiven Gegenvorschlag machen: wir wünschen uns, dass Sie, sehr geehrter Herr Steinmeier, Schirmherr der deutsch-türkisch-armenischen Freundschaftsgesellschaft werden. Die Gründungsveranstaltung wird demnächst in Berlin stattfinden. Gemeinsam suchen wir einen Termin, den Sie einrichten können. Die bisherigen Mitglieder sind hochangesehene Persönlichkeiten der armenischen, türkischen und deutschen Zivilgesellschaft, unter ihnen Cem Özdemir, Osman Okkan, Rolf Hosfeld, Lianna Haroutounian und Ilias Uyar.

Schon 1915 hätte Berlin Einfluss nehmen können auf den Verlauf der Geschichte, auf das Schicksal der Armenier in der Türkei. Heute sehen wir dies einhellig als schweres Versäumnis an, als Mitschuld! Jedoch setzt sich die leidvolle Geschichte der Minderheiten und Andersdenkenden in der Türkei fort. In den letzten Wochen sind zehntausende Menschen entlassen, verhaftet, gefoltert oder getötet worden. Ist dies nicht auch deshalb möglich, weil Verbündete und Partner aus strategischem Kalkül seit langem schweigen? Sicher richtet jede weitere Verstimmung jetzt Schaden an. Sicher ist es kritisch, den diplomatischen Faden zu gefährden, der so dünn gesponnen ist. Der Fehler aber liegt am Anfang des Schweigens. Ihn nicht zu korrigieren sondern immer weiter fortzusetzen, wird in der Rückschau das größte Leid verursacht haben.
Wir bitten Sie, unsere Einladung zur Gründungsveranstaltung anzunehmen, zu prüfen, ob Sie unseren Vorschlag zur Schirmherrschaft annehmen möchten.

Mit herzlichen Grüßen,

Marc Sinan und Markus Rindt"

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