Am 1. September starten bundesweit 400 Jugendliche ihr Freiwilliges Soziales Jahr in unterschiedlichsten Kultureinrichtungen, -initiativen und -projekten. Beworben hatten sich mehr als 3.200 junge Frauen und Männer für ein FSJ Kultur. Sei dem Start des FSJ Kultur im Oktober 2001 ist die Zahl interessierter Jugendlicher kontinuierlich gestiegen.

„Wenn mir jemand gesagt hätte: „Du wirst ein Jahr lang etwas tun, wovon Du bis dahin keine Ahnung hattest, mehr arbeiten als in Deiner ganzen Schulzeit zusammen, Verantwortung und die Konsequenzen deine Handelns tragen, tagtäglich und an Wochenenden und Feiertagen arbeiten, dafür allerdings weniger Lohn bekommen als eine ungelernte Hilfskraft, dann hätte ich vermutlich gefragt, warum ich mir das antun solle und dann auch noch freiwillig. Die Antwort ist verblüffend einfach: Weil´s richtig was bringt!“

Mit Begeisterung spricht Katja über ihr FSJ Kultur. Ein Jahr lang hat sie in einer kulturellen Einrichtung gearbeitet. Neben der alltäglichen Arbeit im Team hat sie eigenverantwortlich ein Projekt geplant und durchgeführt. „Ich fühle mich gebraucht und nützlich, meine Arbeit geschätzt und wertvoll. In diesem Jahr habe ich mehr für die Steigerung meines „Marktwertes“ getan als in den vielen Jahren davor.“

So wie Katja erleben fast alle Jugendlichen, die zwischen Schule und Ausbildung ein Jahr lang „mal etwas anderes tun“ wollen, das FSJ Kultur als eine persönliche Bereicherung. Gegen ein monatliches Taschengeld von 280 Euro arbeiten sie im Team eines Museums, eines Jugendkulturzentrums, einer Bibliothek, einer Musik- oder Kunstschule, einer Medienwerkstatt oder eines Theaters. Mit einer kontinuierlichen Begleitung durch die Träger des FSJ Kultur und insgesamt 25 Bildungstagen haben die Jugendlichen gute Voraussetzungen, ihre Lernerfahrungen zu reflektieren und im Sinne produktiver Lebensbewältigung und Lebenskunst in der eigenen Biografie zu verankern. Die Freiwilligen erhalten einen Einblick in gesellschaftliche Zusammenhänge und Entscheidungsprozesse und haben die Möglichkeit zur konkreten Mitgestaltung, indem sie angeregt werden, sich für andere Menschen und bürgerschaftliche Belange zu engagieren. Durch die Auflage, im Rahmen der Tätigkeit ein eigenes Projekt zu realisieren, entwickeln die Jugendlichen ein Gespür für ihre eigenen Stärken und Schwächen und erwerben gleichzeitig neue Schlüsselkompetenzen, die berufsqualifizierend sind und ihre Persönlichkeit stärken.

Auch die Einsatzstellen werden auf den Einsatz der Jugendlichen gut vorbereitet und bei auftretenden Problemen beraten. Qualitätsstandards sorgen dafür, dass die Jugendlichen in allen Arbeitsstellen möglichst ähnliche Rahmenbedingungen vorfinden.

Kulturarbeit ist engagementfreundlich
Die Gesellschaft braucht das freiwillige Engagement junger Menschen. Die Diskussion um das soziale Pflichtjahr spiegelt diesen Bedarf und ist der Versuch, Engagement zur Regel und damit verbindlich für jeden Jugendlichen zu machen. Kritiker des Pflichtjahrs halten dagegen, dass Menschen nur freiwillig bereit sind, sich für die Belange der Gesellschaft zu interessieren. Man müsse sehr viel mehr attraktive Einsatzmöglichkeiten schaffen, die es für den Einzelnen interessant machen, gegen ein Taschengeld Vollzeit zu arbeiten. Mit einem dreijährigen Bundesmodellprojekt unter dem Motto „Rein ins Leben“ startete 2001 die Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (BKJ) gemeinsam mit fünf Landesvereinigungen Kulturelle Jugendbildung e.V. (LKJ) den Versuch, das traditionelle FSJ um neue Einsatzfelder in der Kultur zu erweitern. In Berlin, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurden 125 Einsatzstellen für freiwilliges Engagement Jugendlicher in der Kultur geschaffen. Damit wurde erstmalig ein gesetzlicher Freiwilligendienst im kulturellen Bereich möglich.

Auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) entschied sich für das Experiment, das FSJ Kultur in einem Bundesmodellvorhaben zu prüfen. Es unterstützte die Initiative der BKJ flankiert von zuständigen Ministerien der fünf beteiligten Länder. Die Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin, die Stiftung Demokratische Jugend und die Robert Bosch Stiftung sind weitere Förderer. Im Mai 2002 wurde ein novelliertes FSJ-Gesetz verabschiedet. Der kulturelle Bereich ist darin ausdrücklich als neues Einsatzfeld benannt.

Ausgangspunkt der BKJ für ihre Initiative „Rein ins Leben!“ war die Überzeugung, dass der Kulturbereich gut geeignet ist, Jugendlichen einen Gestaltungs- und Experimentierraum für bürgerschaftliches Engagement zu geben. Die in weiten Teilen der Kulturarbeit (überlebensnotwendige) Flexibilität und Offenheit für neue Ideen und gesellschaftliche Veränderungen sind gute Voraussetzungen dafür, den Engagementwillen der Jugendlichen in entsprechende Aufgabenprofile zu übersetzen. In den meisten Fällen gelingt es, die Interessen der Einsatzstellen und die Bedürfnisse der Jugendlichen effektiv zu verknüpfen. Die Fachkräfte in den Einrichtungen und Projekten sind aufgrund ihrer künstlerisch-pädagogischen Ausbildung in der Lage, Lernprozesse von Suchenden am Schnittpunkt zwischen Schule und Ausbildung bzw. Berufsleben zu initiieren und zu verantwortungsvoll zu begleiten.

Kompetenzgewinn auf allen Ebenen
Mit dem FSJ Kultur Qualitätsmanagement-Konzept der BKJ wurde für die beteiligten Träger, Einrichtungen und Jugendlichen ein gemeinsamer Rahmen geschaffen, der konkrete Qualitätskriterien für die praktische Umsetzung beinhaltet und an den Qualitätsdimensionen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität orientiert ist. In einem dialogischen Verfahren entstanden Standards für die Einsatzstellen, für die Träger (LKJs) und für die Seminararbeit, welche die Qualität im FSJ Kultur gewährleisten sollen. Die extern moderierten Qualitätsdiskussionen und die breite Diskussion um bürgerschaftliches Engagement in der Kulturarbeit zeigt bereits deutliche Spuren in der Öffnung von Kultureinrichtungen für Freiwilligendienste und ehrenamtliches Engagement. Damit entwickelte das FSJ Kultur nicht nur Schlüsselkompetenzen bei Freiwilligen, sondern durchaus einen deutlichen Kompetenzgewinn auf allen beteiligten Ebenen.

Die Zahl der Einsatzstellen deckt die hohe Nachfrage bei weitem nicht ab
Der Mehrzahl der jungen Bewerberinnen und Bewerber musste auch in diesem Jahr wieder eine Absage erteilt werden. Nur 400 der mehr als 3.200 jungen Frauen und Männer können am 1. September ihren Freiwilligendienst antreten. Weder gibt es bislang so viele Einsatzstellen noch reichen die Zuschüsse von Bund und Ländern, um diesen Bedarf auch nur annähernd zu decken. Der Kulturbereich hat keine Refinanzierungsmöglichkeiten, über die andere Träger im FSJ, vor allem die großen Wohlfahrtsverbände normalerweise verfügen. Wünschenswert wäre aber, wenn dem politischen Willen, den Freiwilligendienst attraktiv zu gestalten und auszuweiten, Taten folgen könnten. Die Jugendlichen jedenfalls sind voller Tatendrang, motiviert und wollen „rein ins Leben“. Jede Verweigerung dieses Engagements schwächt unsere Gesellschaft!

Weitere Informationen über das FSJ Kultur
Die Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (BKJ) sichert gemeinsam mit den anderen Trägern im Trägerverbund die Rahmenbedingungen des FSJ Kultur. Sie begleiten die Einsatzstellen bei allen finanziellen, organisatorischen und pädagogischen Fragen und unterstützen sie, die Arbeit nach Qualitätsstandards auszurichten. Sie organisieren die Weiterbildung und Vernetzung der Kultureinrichtungen, betreiben Lobbyarbeit und präsentieren das FSJ Kultur in der Öffentlichkeit.

Infos:
Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung
Büro Leipzig, Sternwartenstr. 4, 04103 Leipzig
Fon:0341/257 73 07
Fax: 0341/257 73 09
www.fsjkultur.de

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