Die CDs der EDITION ZEITGENÖSSISCHE MUSIK „sind keine ,Events’, sondern eine nachhaltige, die Künstler respektierende Förderung“, wie man in einer Rezension vom 27. Dezember 2005 auf der Seite www.klassik.com nachlesen konnte. Seit Gründung der CD-Reihe im Jahre 1986 sind 58 CDs erschienen, die in ihrer Gesamtheit auch den Facettenreichtum zeitgenössischen Musikschaffens in Deutschland dokumentieren.

CD Nr. 59 ist dem Komponisten Orm Finnendahl gewidmet und wird am 1. Februar 2006 veröffentlicht. Orm Finnendahl ist kein musikalischer Humorist, aber seinen Werken liegen häufig Pointen-ähnliche Wendungen zugrunde, die den Hörer dort überraschen, wo er sich in Sicherheit wähnte.

Nicht erst seit Fallstudien arbeitet Finnendahl konsequent mit Verfahren, die er der Mathematik und den Naturwissenschaften entlehnt. Besonders wichtig sind Rekursionen, Wachstums- und Verästelungsmodelle, die durch wiederholte Anwendung ein- und derselben Regel auf ein Ausgangsmaterial und die dadurch entstehenden Resultate erzeugt werden. Er setzt zunächst in sich stimmige und nachvollziehbare Prozesse in Gang, die er aber mit Bruchstellen und Fallstricken versieht. In die Muster und Raster schleichen sich Webfehler und Differenzen ein, die nicht nur als ästhetische Irritationen verständlich werden, sondern dramatische Entwicklungen zeitigen.

Wenn die drei Musiker in Rekurs ihr Spiel auf Tonband festhalten und dann ihre eigenen Aufnahmen begleiten, verstricken sie sich bald in einem Netz der Vermeintlichkeiten: zwischen Präsenz und Abwesenheit, zwischen Gegenwart und Vergangenem, und zwischen Ursache und Wirkung. Das Tonband spielt als Medium eine zentrale Rolle in den hier eingespielten Werken, sofern es den Widerspruch zwischen technischem Fortschritt und ästhetischem Stillstand (der fixierten Schallaufzeichnung) versinnbildlicht, ein Widerspruch, den Finnendahl musikalisch exponiert und aufhebt.

In Kommen und Gehen verschwindet die Violine allmählich hinter ihrer Reproduktion, um ihren eigenen Klang nur noch hier und da um Nuancen zu bereichern. Und am Ende der Versatzstücke, dem jüngsten der hier versammelten Werke, steht schließlich nur noch das Rauschen der Stille, hinter dem der Pianist, der sich zuvor in einer brachialen Kadenz aufgebäumt hatte, vollständig zurücktritt.

WER 6562 2 Orm Finnendahl
Versatzstücke für Klavier solo und 6-Kanal-Zuspielung (1999/2004)
Kommen und Gehen für Violine solo und 8-Kanal-Zuspielung (2000)
Rekurs für Altsaxofon, Schlagzeug, Klavier und Aufnahmegeräte (1997/98)
Fallstudien für Kammerensemble (1993)

Mirijam Contzen: Violine
Benjamin Kobler: Klavier
Sascha Armbruster: Altsaxofon
Pascal Pons: Schlagzeug
Ensemble Mosaik / Leitung: Enno Poppe

Reinhören unter: http://www.musikrat.de/edition

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