Konzert im Alten Spital
Konzert im Alten Spital  
Foto:  Olli Zilk

Einen Musikclub zu betreiben, bedeutet oft Arbeit bis in die Nacht hinein, wirtschaftliche Schwierigkeiten und Ärger mit den Nachbarn wegen Lärms. Warum es sich trotzdem lohnt, berichten Pamela Schobeß vom Berliner Musikclub Gretchen und Olli Zilk, Betreiber zweier Clubs in Ostbayern, im Gespräch mit F.A.Z.-Autor Benjamin Fischer.

Die Nachwehen der Pandemie, Kostensteigerungen allenthalben und stellenweise eine sehr spürbare Zurückhaltung beim Kartenverkauf. Die Gemengelage für Live-Musik ist gerade alles andere als unkompliziert: Wie ist der Status Quo bei Ihnen vor Ort?  

ZILK: Viele Leute haben sich im Zuge von Corona komplett aus dem Kulturleben verabschiedet. Den Kartenvorverkauf habe ich mich mittlerweile eingestellt, das wäre bloß zusätzliche Arbeit für mich, wir machen nur noch Abendkasse. Die Publikumszahlen haben sich in der Zwischenzeit etwas erholt, aber was man sehr deutlich merkt: Das Geld sitzt nicht mehr so locker. Unsere Karten kosten zwischen 10 und 20 Euro, aber ich sehe, dass einstige Stammgäste heute nur noch vereinzelt kommen. Auch der Umsatz pro Kopf ist deutlich zurückgegangen, in den Wochentagen liegt er an der Theke im Schnitt bei 4 Euro – wobei ich im Vergleich zu Berlin bestimmt günstige Preise verlange, ein Bier kostet 3,50 Euro. Freitag oder Samstag sind es an guten Tagen vielleicht mal 10 bis 12 Euro pro Kopf. Ich habe aber immerhin den Vorteil, dass ich zwei Clubs habe und mir bei einem auch die Immobilie gehört. Einer von beiden ist abends immer leer und ich kann ihn für private Feiern vermieten. Da hatte ich letztens einen Pro-Kopf-Verbrauch von 40 Euro. Wenn jemand anderes zahlt, haben die Leute Lust zu trinken. So kann ich meine Konzerte querfinanzieren, ich fördere mich quasi selbst – Saufen für die Kultur (lacht).

SCHOBESS: Also bei uns kostet das Bier auch 3,50 Euro, für Berlin haben wir aber sehr moderate Preise. Ich kann das im Grunde genommen alles unterstreichen. Nach Corona hat sich zeitweise gerade die ältere Zielgruppe sehr zurückgehalten, da herrschte noch viel Verunsicherung. Wir haben ein sehr gemischtes Publikum und die Jüngeren, grob umrissen die 18 bis 20-Jährigen, waren zeitweise komplett weg. Das hat sich in der Zwischenzeit wieder gegeben, aber wir sehen auch, dass Gäste weniger Shows besuchen. Vorverkauf machen wir nach wie vor, aber wir mussten bei den Eintrittspreisen etwas hochgehen, weil die Kosten für die diversen Gewerke einfach derart explodiert sind. Die Ticketpreise sind immer noch vergleichsweise günstig, aber wir spüren auch eine gewisse Zurückhaltung. Wir versuchen daher in Absprache mit den Bands einen Teil der Karten günstiger zu verkaufen. Da schreiben wir auch immer dazu, dass die, die sich es leisten können, doch bitte ein Standardticket kaufen mögen. Das funktioniert tatsächlich gut, um Leuten Zugang zu Kultur zu ermöglichen, für uns ist es finanziell aber keine Hilfe.  

ZILK: Ich habe die Preise tatsächlich noch gar nicht erhöht, das ist immer noch Vor-Corona-Niveau – bei Getränken und bei Tickets. Aber ich muss meistens auch kein Personal bezahlen, da kann ich viel auffangen. Wenn es schlecht läuft, habe ich halt nichts verdient, aber ich zahle nicht drauf. Junge Leute kamen bei uns leider schon vor Corona nicht viele. Daher habe ich in Corona damit angefangen, bis 21 keinen Eintritt zu nehmen. Seit ein paar Wochen habe ich die Grenze auf 25 angehoben. Überrannt werde ich von Jüngeren aber nach wie vor nicht, wenn es hoch kommt, sind es mal 20 Prozent. Bei meiner Kapazität von 100 Leuten in den beiden Clubs ist das immer noch sehr überschaubar. Aber ohne freien Eintritt kämen die allermeisten wahrscheinlich gar nicht. Wir haben Konzerte, bei denen 50 Prozent der Gäste über 50 ist und die sind in zehn Jahren vielleicht nicht mehr da – der Nachwuchs fehlt bei uns sehr.

Gibt es Unterschiede mit Blick auf die Genres?

SCHOBESS: Tatsächlich funktionieren die großen Clubs in Berlin, die eher ein mainstreamigeres Programm fahren, in der Regel gut. Aber viele sind noch nicht auf den Besucherzahlen von vor Corona. Wir im Gretchen machen sehr viele, sehr unterschiedliche Sachen und eben auch vieles aus Nischen-Genres: modernen Jazz mit Elektro-Einflüssen und anderes. Das war auch bei uns schon vor Corona nicht leicht, aber jetzt ist es wirklich dramatisch. Die Leute kaufen generell nicht nur kurzfristiger, sondern auch weniger Tickets und die dann lieber für Acts, die sie kennen und schon schätzen, als mal ein anderes Genre auszuprobieren oder Newcomer:innen eine Chance zu geben.

Herr Zilk, wie machen Sie ihr Programm? Die Rahmenbedingungen sind ja im Bayerischen Wald nicht mit Berlin oder Köln vergleichbar, braucht es da einen anderen Ansatz?

ZILK: Mein Programm ist gar nicht so anders. Wir hatten schon Künstler:innen aus 107 unterschiedlichen Ländern und auch musikalisch ist es sehr divers, von Elektronik, über Jazz bis hin zu Punk oder Reggae. Aber wir machen das alles vor maximal 140 Leuten – es sei denn, ich bekomme Förderungen. Seit Corona veranstalten wir beispielsweise Open Airs, um die Kultur näher an die Leute zu bringen. Ich habe acht Bühnen im Umkreis von 30 Kilometern, auf denen es im Wechsel jede Woche drei, vier Konzerte gibt. Das Publikum, was 10 Kilometer entfernt wohnt, würde niemals in den Bahnhof nach Bad Kötzting kommen, weil du hier auf dem Land nicht mehr zurückkommst, wenn du nicht mehr als 50 Euro fürs Taxi zahlen willst. Und was ich auch merke: Wenn in der Beschreibung einer Band das Wort „Jazz“ auftaucht, kommen direkt 50 Prozent weniger Leute. Am Ende sind es oft weniger als 20, das Publikum hat fast schon Angst vor Jazz. Aber ich mache trotzdem Jazz-Shows, weil ich das für wichtig halte und diese 15–20 Leute kommen eben immer zu Jazz-Konzerten. Da sehe ich mich in der Pflicht, auch denen etwas zu bieten.

Open-Air-Konzert auf dem Steinhof in Zell
Open-Air-Konzert auf dem Steinhof in Zell  
Foto:  Oliver Zilk
Open-Air-Konzert in der Schnitzmühle in Viechtach
Open-Air-Konzert in der Schnitzmühle in Viechtach  
Foto:  Oliver Zilk
Konzert vor dem Alten Spital in Viechtach
Konzert vor dem Alten Spital in Viechtach  
Foto:  Oliver Zilk

Das Gretchen ist nicht gefördert. Wie bekommt man angesichts der gestiegenen Kosten weiter den Spagat hin, Newcomer:innen und nischigeren Genres eine Plattform zu geben, also diesem kulturellen Anspruch gerecht zu werden, und gleichzeitig wirtschaftlich stabil zu bleiben?

SCHOBESS: Mein Partner Lars und ich sind seit 27 Jahren Clubbetreiber:innen und wir waren schon immer nischig. Berlin gilt ja gerne als Techno/House-Hauptstadt und dann gibt es eben Konzerte. Die meisten örtlichen Veranstalter machen alles, was auf Tour ist – oft weil sie mit größeren Agenturen arbeiten und deren Shows dann veranstalten müssen. Wir hängen da nicht dran und haben auch noch nie so gearbeitet. Wir haben schon immer jenseits des Vier-Viertel-Takts gebucht, um es mal so zu sagen, also kein House und kein Techno gemacht. Damit hat man auch vor Corona nie wirklich Geld verdient. Wir hatten 2019 eine Umsatzrendite von 0,03 Prozent und es ist nicht so, dass wir uns ein exorbitant hohes Gehalt auszahlen. Im Gegenteil, ich habe lange noch nebenbei fürs Fernsehen gearbeitet und wir betreiben parallel eine Promo-Agentur. Wir machen das alles aus der Liebe zur Musik. Es bereitet uns einfach eine unfassbare Freude, beispielsweise Acts bei uns über die Jahre wachsen zu sehen. Wenn es optimal läuft, sind wir dann nach einigen defizitären kleinen Shows irgendwann bei einer ausverkauften mit 600 Leuten und damit haben wir dann die Verlustbringer ausgeglichen. Das geht heute leider aber kaum mehr, weil eben die Kosten so explodiert sind. Dadurch bricht unser System zusammen, wir sind einer dieser Läden, die dringend auf Programmförderung angewiesen sind, wenn wir das so weitermachen wollen.

Gibt es andere oder weitere Möglichkeiten, um die Lücke zu schließen?

SCHOBESS: Nicht wirklich. Wir haben eine Veranstaltungsdichte von 250 bis 280 Veranstaltungen im Jahr. Wir würden auch gerne öfter private Veranstaltungen machen, mit denen wir Geld verdienen. Aber das werden weniger, da auch die Firmen bei Weihnachtsfeiern und anderem sparen. Außerdem buchen wir aktuell teilweise schon für das Jahr 2026, weil wir viele internationale Acts haben und die ja ihre Touren planen müssen. Kommt da eine kurzfristigere Anfrage für ein Event, ist der Termin oft schon für ein Konzert geblockt. Ich habe mich vor ein paar Monaten mit dem Berliner Kultursenator unterhalten, und ihm versucht, die Notwendigkeit einer Programmförderung für Clubs wie unseren zu erklären. Da meinte er, das müsse doch eigentlich über Sponsoring laufen. Ich habe da tatsächlich sehr lange drüber nachgedacht, aber am Ende funktioniert dieser Ansatz einfach nicht. Denn die Sponsoren gehen in die Hallen zu den großen Shows mit viel Publikum und nicht in ein Venue, wo eine Nachwuchsband vor 100 Leuten oder weniger spielt. Aber genau für diese Shows bräuchten wir das Sponsoring. Wenn Clubs sich deshalb mangels Förderung mehr dem Mainstream annähern müssen, um zu überleben, ist das eine massive Gefahr für die kulturelle Vielfalt.

Fehlt es da in Teilen auch einfach am Verständnis für Ihre Arbeit?

SCHOBESS: Ein Grundproblem ist, wenn es um Opern oder Philharmonien geht, ist für die Gesellschaft klar: Das ist Kultur. Da spielt es keine Rolle, dass die meisten Leute keine Ahnung davon haben, was aufgeführt wird oder wie die Programme entstehen. Was wir machen in den Clubs – ganz egal, um welche Genres es am Ende geht –, das ist aber eben auch Kultur und das muss die Gesellschaft lernen. Wie dann Förderungen gestaltet und Gelder verteilt werden, das steht auf einem anderen Blatt. Aber erst einmal braucht es das Grundverständnis, dass das, was wir zwei hier machen erstens Kultur ist und zweitens eine unfassbar hohe soziale Relevanz hat. Bei uns kommen Menschen aus unterschiedlichsten Generationen und Milieus zusammen, die Gesellschaft braucht solche Orte.

ZILK: Nur die Clubs zu fördern ist in meinen Augen zu wenig. Wir müssen auch das Publikum fördern und den Leuten Anreize geben, trotz finanziellem Druck vielleicht doch zu Kulturveranstaltungen zu gehen. Der Kulturpass war da eine gute Idee, aber meines Erachtens müsste man ihn auf alle bis 27 ausweiten, alle die in Ausbildung sind und vielleicht auch noch die Rentner berücksichtigen. Eben Gruppen, die aufs Geld schauen müssen, egal wie alt sie sind und wo sie leben. Auch eine Art Kultur-Taxe für Übernachtungen wäre eine denkbare Idee. Einerseits um Mittel zu generieren, andererseits, um das Bewusstsein für lokale Angebote zu stärken.

Die Spielstätten in Großstädten stehen oft ja stärker im Fokus als die im ländlichen Raum, obwohl sie oft rar gesäte Orte für Live-Musik sind. Herr Zilk, wird Ihre Arbeit eigentlich entsprechend wertgeschätzt oder ist das ausbaufähig?

ZILK: Leider ist die lokale Bedeutung meiner Clubs recht überschaubar. Ich bin seit acht Jahren hier und es gibt immer noch Leute im Ort, die nicht wissen, dass es meine Kulturbühne gibt. Es ist aber auch immer die Frage: Ist Kultur umsonst oder muss ich dafür bezahlen? Der Naturpark Bayerischer Wald hat zum Jubiläum ein Konzert von mir finanziert – freier Eintritt und es kamen 500 Leute. Mit Eintritt wären es wohl nur 100 gewesen. Die meisten gehen eben nur auf Konzerte, die nichts kosten. Daher plädiere ich dafür, dass wir die Förderung in Teilen auch so ausgestalten, dass wir Konzerte gratis zugänglich machen können, gewissermaßen als Art Einstiegsdroge. Denn so bekommen wir die Leute zu Shows und in die Spielstätten. Wenn davon einige dann auch zu kostenpflichten Konzerten wiederkommen, gewinnen alle.

Bergen mehr Gratis-Konzerte aber nicht auch die Gefahr, dass manche dann bewusst nur diese Shows besuchen und nicht gesehen wird, wie viel das alles kostet?

ZILK: Es müsste den Leuten eben klar gemacht werden, was dieses Konzert, das für die Zuschauer:innen gratis ist, kostet, um da gar nicht erst ein falsches Bild aufkommen zu lassen. Bei den Umsonst-Konzerten, die hier in meiner Region stattfinden, werden übrigens auch alle Bands von der Stadt bezahlt. Leider wird das aber selten genutzt, um neuer Musik eine Bühne zu geben, da spielen nur Cover-Bands. Die Gelder sollten besser an Leute wie uns gegeben werden, die Nischen bedienen und gezielt Bands mit eigener Musik einem größeren Publikum präsentieren wollen. Meine eigene Stadt macht dahingehend leider überhaupt nichts, aber in einer anderen habe ich jetzt für vier Konzerte jeweils 500 Euro bekommen, damit ich mich um alles kümmere, und für die Bands gab es 1000 Euro Gage. Da konnte ich Künstler:innen, die das erste Mal in Europa waren, einem Publikum aus 400–500 Leuten präsentieren. Die allermeisten hätten sich dafür im Normalfall niemals interessiert. Mit so einer durchdachten Herangehensweise lässt sich über Gratis-Konzerte viel bewerkstelligen, finde ich. Aber klar, am Ende macht es die Masse.

SCHOBESS: Hier in Berlin hat die Stadt nach Corona den Kultur-Sommer gestartet. Da gab es Förderungen für Open-Air-Shows, für die man sich als Kollektiv oder Spielstätte bewerben konnte. Das war als Komplettpaket angelegt, wir konnten alle Kosten einreichen und den Bands gute Gagen zahlen. Da ging es explizit um zwei Sachen: Alle Gewerke aus der Live-Branche zu supporten und gleichzeitig das Publikum wieder aufzurütteln, damit sie wieder rausgehen. Dafür war das ein richtig guter Weg. Aber generell bin ich nicht ganz bei dir, Olli, dass man regelmäßig Gratis-Konzerte anbieten sollte, um so die Leute an Kultur heranzuführen. Vereinzelt ist das super, aber wenn es zu oft solche Angebote gibt, lässt sich den Leuten einfach nicht vermitteln, dass Kultur eben Geld kostet. In Berlin lässt sich das Problem wunderbar beobachten. Viele Läden laufen im Sommer einfach schlechter, weil es so viel Umsonst & Draußen-Veranstaltungen gibt. Und die Gesellschaft sieht da vor allem eins, nämlich dass es etwas gratis gibt. Weiter denken viele nicht. Würde flächendeckend viel stärker gefördert, hätte ich gar kein Problem mit einer Masse an Gratis-Konzerten, aber das ist eben nicht die Realität.

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Open-Air-Konzert auf der Burgruine Runding
Open-Air-Konzert auf der Burgruine Runding  
Foto:  Oliver Zilk

Wenn wir uns die Rahmenbedingungen für Spielstätten anschauen, dann dient gerade Berlin ja oft als Negativbeispiel mit Blick auf Gentrifizierung. Und nicht nur in Städten sorgt das Thema Lärm beziehungsweise die Behandlung von „Kulturlärm“ für viele Diskussionen. Ist das immer noch ein sehr zäher Kampf?

SCHOBESS: Ja, das ist immer noch sehr zäh und die Situation wird sich auf absehbare Zeit wohl auch nicht verbessern. Wir haben nach wie vor den Gentrifizierungsdruck, unseren ersten Laden haben wir deshalb ja auch verloren. Das größte Problem in Berlin ist die extreme Verdichtung. In den 1990er Jahren gab es noch viele Freiflächen und leerstehende Häuser, da konnte man sich frei ausprobieren. In Teilen ist die heutige Lage auch unsere eigene Schuld, denn wir sind mit unseren Clubs und den ganzen Kreativen an irgendeine Ecke gegangen und so wurde das Stadtviertel mit der Zeit interessant. Dann kamen die Investoren und es begann mit der Verdrängung der Leute mit weniger Geld. Das ist immer noch so, es wird viel teuer saniert und dann gibt es noch das Autobahn-Projekt A100, das viele Clubs bedroht. Viele Anwohner haben sich auch daran gewöhnt, dass es während Corona auf einmal viel ruhiger war, und einigen fällt es bis heute schwer, zurückzufinden in die Normalität einer lebendigen Großstadt. Das kriegen wir teilweise auch direkt gespiegelt von den Ämtern, die viel mehr Lärmbeschwerden bekommen – von Leuten, die seit vielen Jahren neben einem Club leben.

Hat also auch der Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses, Clubs als Kultur anzuerkennen, in der Praxis seit 2020 noch nicht viel verändert?

SCHOBESS: Eigentlich sollte das dafür sorgen, dass die Ämter mit den Clubs entspannter umgehen und sich auch für sie einsetzen. Ein Problem ist jedoch, dass es offenbar lange dauert, bis bestimmte Dinge vom Senat in die Bezirke durchdringen. Und da hast du dann die unterschiedlichen Verwaltungsmitarbeitenden, die alle anders denken, anders sozialisiert sind und ein anderes Verständnis von ihrer Aufgabe haben. Mal klappt es besser, und man erfährt eine stärkere Unterstützung von der Stadtplanung oder dem Umweltamt, anderswo läuft es dann wiederum schlechter. Deshalb brauchen wir so dringend die Bundesregeln in Form einer Änderung der Baunutzungsverordnung, damit Spielstätten baurechtlich nicht mehr wie Bordelle als Vergnügungsstätten behandelt werden, sondern eben als Kulturorte. Das macht es dann auch den Verwaltungsmitarbeitenden leichter. Dazu gehört auch gerade für städtische Clubs die Anpassung der TA Lärm an die Realitäten, etwa indem Lärm von Menschen mindestens gleichgesetzt wird mit Verkehrslärm. Autos haben aktuell erstaunlicherweise lärmtechnisch viel mehr Rechte als Menschen.

Gentrifizierung ist bei Ihnen im Bayerischen Wald ja wohl eher kein Problem, Herr Zilk. Aber wie sieht es mit Lärmbeschwerden oder anderen strukturellen Problemen aus?

ZILK: Ich bin da relativ fein raus. Das liegt aber auch an meiner Größe, mit der Kapazität von 100 Leuten bin ich mit meinen beiden Clubs meistens unter dem Radar. Bei den Open-Airs in den Sommermonaten ist immer um 22 Uhr Schluss. Das wissen die Leute und so kann auch eine Punk-Band mal sehr kurzfristig draußen spielen, ich hatte noch nie die Polizei vor der Tür. Hier in der Region herrscht zudem unheimlich viel Leerstand. Es gibt diverse Versuche, diese Freiräume zu beleben, ich habe da auch schon einmal spontan ein Konzert in einem ehemaligen Optiker-Laden organisiert. Für solche Aktionen brauche ich meistens auch keine behördliche Genehmigung. Das ist fast schon paradiesisch. Natürlich ist das nicht überall auf dem Land so, aber als ich hier anfing vor acht Jahren, hat mich der Bürgermeister aus dem Nachbarort angerufen und gesagt, sie hätten auch Räumlichkeiten, ob ich es nicht auch dort mal probieren möchte. Solche Anfragen bekomme ich immer wieder. Leute, die Kultur veranstalten, werden in meiner Region teils geradezu hofiert. Nichtsdestotrotz habe ich mit den festen Clubs auch meine Probleme und musste da beispielsweise in Lärmschutz investieren, obwohl sich noch nie jemand beschwert hatte. Und dem Amt zufolge habe ich für Open Airs im Alten Spital zu wenig Toiletten, weil die davon ausgehen, dass bei einem Open Air drinnen und draußen Leute sind. Das ist einfach etwas realitätsfern, aber wahrscheinlich kein Vergleich zur Lage in Städten.

Wir haben jetzt viel über die kulturelle Aufgabe, Herausforderungen und politische Themen gesprochen. Wie gut können Sie persönlich denn von Ihrer Arbeit als Clubbetreiber:in leben?

ZILK: Ich hatte zuletzt mehrfach die Situation, dass ich mit meiner Karte nicht mehr bezahlen konnte, um Obst für den Abend zu kaufen. Natürlich habe ich ein Netzwerk und kann mir helfen. Aber da ein ein Teil der Corona-Hilfen als Gewinn behandelt wurde, hatte ich eine Steuernachzahlung von 10.000 Euro. Das war ein Riesenproblem und ist es immer noch. Seit Bestehen hatte ich bis dahin nie ein Minus gemacht. Ich denke, ich spreche für sehr viele im Kulturbereich, wenn ich sage: Wir können keine großen Sprünge machen. Daher müssen wir die Teuerungen weitergeben, was dann wiederum dazu führt, dass weniger Leute kommen. Wir sind relativ nah an einem Kipppunkt. Ich persönlich habe wie gesagt das Glück, dass ich die Clubs gut für private Veranstaltungen vermieten kann. Aber das bedeutet natürlich auch noch einmal mehr Arbeit. Kürzlich habe ich zum Beispiel an einem Freitag ein Open-Air veranstaltet und ab 0 Uhr eine Geburtstagsparty im Club übernommen, weil meine 75 Jahre alte Mutter nicht mehr stehen konnte. Die Party ging bis 5 Uhr morgens und am Abend stand dann das nächste Open Air an. Da machst du dich kaputt und für drei Tage Open-Air blieben bei mir persönlich dann 250 Euro hängen. Wenn man diesen Job macht, dann nicht fürs Geld, sondern weil es einem Spaß macht und weil es das Leben reich macht. 

SCHOBESS: Wenn man unsere Arbeitszeit mal ins Verhältnis setzt, arbeiten wir deutlich unter dem Mindestlohn. Uns macht es einfach riesig Spaß, aber wir sind auch ein bisschen anders als andere Clubs dieser Größenordnung mit der hohen Veranstaltungsdichte. Das Team ist relativ klein, viele sind schon jahrelang dabei, das ist gewissermaßen unsere Familie. Lars und ich sind auch abends immer vor Ort. Ich mache mal die Garderobe, mal die Kasse und bin gerne an der Bar, Lars kümmert sich um die Künstler:innen und macht bei Clubnächten die Technik. Dadurch sparen wir natürlich auch Geld. Wenn wir im Urlaub sind, brauchen wir vier, fünf Leute, um das zu machen, was wir machen. Zum einen, weil wir das eben schon lange machen und viel können, aber eben auch, weil man das keinem anderen in der Form einfach so zumuten kann. An sich ist es Ausbeutung. Das wird kompensiert durch die Freude, die uns dieser Beruf macht. Wir begreifen das nicht als Arbeit und sind total dankbar, dass wir das machen können. Aber auch wir werden natürlich älter und viel zurücklegen können wir nicht. So gut die Corona-Hilfen am Ende ausgestaltet waren – um auch mal ein bisschen Eigenlob für unsere Verbandsarbeit zu verteilen –, eins haben wir nicht durchsetzen können: Lohnausgleich für die geschäftsführenden Gesellschafter wie Olli oder uns.

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Musikclub Gretchen in Berlin
Musikclub Gretchen in Berlin  
Foto:  Gretchen

ZILK: Viele haben überhaupt keine Vorstellung von unserer Arbeit. Es ist immer herrlich, wenn Gäste zu mir kommen und fragen: Was machst du eigentlich hauptberuflich? Ich habe tatsächlich mal meinen Stundenlohn ausgerecht und bin auf 2 Euro gekommen, das ist einfach irre. Wir Clubbetreiber sind eine besondere Spezies, daher gibt es uns auch nicht wie Sand am Meer, und jeder, der wegfällt, wird nicht nachkommen. Deshalb braucht es so dringend Förderungen.

SCHOBESS: Die Clubs, die in der LiveMusikKommission organisiert sind, also die kleineren und mittleren Spielstätten, sind in aller Regel gar nicht gefördert oder profitieren allenfalls punktuell von Programmen. Da tut es weh, wenn man eine Pressemitteilung von Kulturstaatsministerin Claudia Roth liest, die sich darüber freut, dass ihr Kulturhaushalt nicht kleiner geworden ist und wie sie die Games- oder Filmindustrie mit mehr Geld unterstützen kann. Von Musik steht da nicht viel drin. Immerhin gibt es jetzt ein Schallschutzprogramm auf Bundesebene, das allerdings recht klein ist. Das ist schon bitter für mich und viele andere, die sich ein Bein ausreißen, um ein kulturell wertvolles Programm zu machen, immer wieder neue Nachwuchsmusiker:innen zu präsentieren, internationale Künstler:innen nach Deutschland zu holen und den unterschiedlichsten Communities Räumen zu bieten.

Das Interview fand am 26. Juli 2024 statt. Die Fragen stellte Benjamin Fischer von der F.A.Z.

Pamela Schobeß ist Betreiberin des Musikclubs Gretchen in Berlin-Kreuzberg und politische Sprecherin im Vorstand der LiveKomm.
Pamela Schobeß

Olli Zilk betreibt die Clubs Altes Spital in Viechtach und den Bahnhof Kötzting. Außerdem veranstaltet er Konzerte auf verschiedenen Bühnen im ländlichen Ostbayern.
Olli Zilk