Der Fall des Ersten Solisten am Semperoper Ballett István Simon hat Aufsehen erregt. Die Semperoper hat ihm – nach zwei Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht Dresden  – die fristlose Kündigung ausgesprochen. Der Grund: "Zerstörung des Vertrauensverhältnisses“.

Die Vereinigung deutscher Opernchorsänger und Bühnentänzer (VdO) nimmt zu diesem Vorgang Stellung, nachdem in den Medien teilweise einseitige, unvollständige oder sogar unrichtige Behauptungen veröffentlicht wurden:

"István Simon hatte Bedenken in Bezug auf ethische und professionelle Aspekte des Verhaltens eines seiner Ballettmeister und meldete dies, wie es sinnvoll und korrekt ist, bereits im September 2017 seinem Ballettdirektor. Er erklärte, dass er aufgrund verschiedener Vorkommnisse in der Vergangenheit Schwierigkeiten habe, mit diesem Ballettmeister weiter arbeiten zu können. Anstatt einen solchen Vorgang mit den Beteiligten zu klären und eine für alle akzeptable Lösung anzustreben, reagierte das Haus sofort mit einer Freistellung Simons, die einer Suspendierung gleichkam.

In Zeiten, in denen die öffentliche Auseinandersetzung mit den Themen Belästigung, Machtmissbrauch und Diskriminierung endlich für einen sensibleren Umgang mit diesen Themen sorgt, ist dies alles andere als ein angemessenes Vorgehen.

In aller Deutlichkeit ist festzuhalten, dass István Simon es zu keinem Zeitpunkt abgelehnt hat, an einer internen Ermittlung im Semperoper Ballett mitzuwirken, wie es von der Semperoper behauptet wird. Er lehnte allerdings die Bedingungen ab, unter denen seine Befragung durch eine erst Ende Februar beauftragte, auf Unternehmensstrafrecht spezialisierte, externe Anwaltskanzlei erfolgen sollte. Die Semperoper hatte bis zu diesem Zeitpunkt selbst interne Ermittlungen durchgeführt, an denen Simon ohne Einschränkungen mitgewirkt hatte.

Nach Ansicht der VdO hat Istvan Simon seit September 2017 in allen Phasen der internen Untersuchung korrekt mit seinem Arbeitgeber zusammengearbeitet und immer wieder selbst und durch seine rechtlichen Vertretungen (auch ausdrücklich durch die VdO) seine Bereitschaft zur Mitwirkung an einem fairen und transparenten Verfahren und an einer für alle Seiten vertretbaren Lösung gezeigt und betont.

Zunächst hatte er in verschiedenen persönlichen Gesprächen seine Bedenken gegenüber dem Haus geäußert, sodann erfolgte auf Aufforderung der Semperoper Ende Januar eine ausführliche und konkrete Zusammenfassung aller beanstandeten Vorkommnisse per anwaltlichem Schriftsatz. Nachdem er also bereits in umfangreichem Maß Stellung genommen hatte, wurde er von der Kanzlei, die erst fünf Monate nach Bekanntwerden der Probleme mit internen Ermittlungen beauftragt worden war, zu einem nochmaligen "Gespräch“ vorgeladen einhergehend mit der Aufforderung, ein diesbezügliches "Informationsblatt“ zu unterzeichnen. Die Kanzlei erklärte darin u.a., dass Simon lediglich Einblick in das Protokoll seiner eigenen Aussage nehmen könne, eine Abschrift seiner eigenen Aussage sollte er nicht erhalten. Vielmehr forderte die Kanzlei die uneingeschränkte Einwilligung des Tänzers, dass seine Aussage sowie der abschließende Bericht ohne seine vorherige Zustimmung an Behörden und sonstige Dritte etc. übermittelt werden könne. Trotz Intervention hielt man seitens der Semperoper und der beauftragten Kanzlei – unter Berufung auf die "Thesen der Bundesrechtsanwaltskammer zum Unternehmensanwalt im Strafrecht“ – daran fest. Diese intransparenten Bedingungen wurden dann – nach Beratung mit seinen Anwälten und der VdO – als inakzeptabel zurückgewiesen. Inwieweit die o.g. Thesen für einen Unternehmensanwalt im Strafrecht hier für ein Verfahren, das eine Belästigung/Diskriminierung eines Mitarbeiters zum Gegenstand hatte, maßgeblich sein sollen, wo eigentlich ein potentieller Opferschutz im Vordergrund stehen sollte, bleibt das Geheimnis der Semperoper und der diese beratenden Kanzlei.

Bemerkenswert an dieser Stelle ist auch, dass die Bitte der VdO um Stellungnahme zur Art und Weise der Durchführung des beabsichtigten Verfahrens nie beantwortet worden ist. Ein fest terminiertes Gespräch zwischen der VdO und der Intendanz des Hauses, an dem auch der designierte Intendant Herr Theiler teilnehmen sollte, wurde kurzfristig – nachdem die Semperoper selbst an die Presse herangetreten war – ohne eben diese Intendanz (von Herrn Rothe krankheitsbedingt / von Herrn Theiler ohne Angabe von Gründen) durchgeführt. Für das ursprünglich geplante Ziel dieses Gesprächs, eine für alle Seiten vertretbare Lösung zu finden, war keine Bereitschaft zu erkennen.

Bevor sich Simon an die Semperoper gewandt hat, hat die Leitung des Hauses auf vielerlei Weise immer wieder ihre große Zufriedenheit mit Simons Arbeit in jeder Hinsicht kommuniziert und bis zum letzten Tag, an dem ihm mitgeteilt wurde, dass man beabsichtige, seinen Arbeitsvertrag fristlos zu beenden, war er immer noch für die anspruchsvollsten Rollen des Ballettrepertoires der Semperoper – einschließlich der Choreografien des Ballettdirektors – in der Spielplaneinteilung. Noch im Dezember 2017 wurde gegenüber dem verfahrensbegleitenden Anwalt wie auch noch im Februar 2018 gegenüber der VdO ausdrücklich bestätigt, dass ein weiterer Einsatz des Tänzers in den folgenden Vorstellungen stattfinden solle.

Es darf also angezweifelt werden, ob es tatsächlich Probleme mit der Arbeit von Simon gegeben hat, wie sie von der Semperoper zuletzt vollkommen unsubstantiiert in der Presse verlautbart wurden, oder ob diese Vorwürfe nicht nur als vorgeschobener Grund zur Rechtfertigung von mehr als fragwürdigen arbeitsrechtlichen Maßnahmen dienten.

Zu keiner Zeit hat es eine spezifische Risikosituation gegeben, die aufgrund Simons Schuld nachgewiesen wurde, und es hat auch niemals aufgrund seiner Schuld eine Verletzung einer anderen Person gegeben.

Die fristlose Kündigung ist absolut unangemessen; sie gefährdet die Karriere eines gefeierten Solo-Tänzers, dessen künstlerische Leistung unangefochten und umfänglich vom Publikum, den Medien und vom Haus selbst als exzellent bewertet wurden.

Ein solches Vorgehen eines so renommierten Hauses wie der Semperoper befremdet und ist zutiefst schockierend. Ein Mitarbeiter, der auf der Suche nach Hilfe und Unterstützung seinem Dienstherrn über eine Situation berichtet, die ihn zunehmend bei der Erfüllung seiner dienstlichen Verpflichtungen belastet hat, wird anschließend als Aggressor behandelt und für seinen Mut, Missstände zu beklagen, und das Wagnis, seine Rechte auch noch anwaltlich durchzusetzen zu versuchen, mit einer fristlosen Kündigung seiner wirtschaftlichen und künstlerischen Lebensgrundlage beraubt… Das spricht wohl für sich und dafür, dass sich in der Welt der Kunst noch lange nicht die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass es auch Rechte und schutzwürdige Interessen der Künstler und nicht nur der Vorgesetzten und Unternehmen gibt.

Es stellt sich die Frage, wie unter solchen Umständen noch konstruktiv eine Debatte über Missstände bei den Arbeitsbedingungen in der Kunst und speziell im Tanz geführt werden kann."

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