Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart haben dem Verwaltungsrat der Württembergischen Staatstheater in der Sitzung am Dienstagabend (5. November) ein Umsetzungskonzept und eine grobe Kostenkalkulation für die Sanierung und Erweiterung der Stuttgarter Oper sowie die Planungen für eine Interimsspielstätte an den Wagenhallen während der Sanierung vorgestellt.
"Wir haben im Verwaltungsrat in den vergangenen Monaten viele Alternativen geprüft und diskutiert, viele Prüfrunden gedreht, das Stadtgebiet für einen Interimsstandort gescannt. Mit den von Land und Stadt vorgelegten Planungen und Berechnungen haben Land und Stadt geliefert und die Voraussetzungen geschaffen: Die Zeit ist reif, in die Umsetzung dieses Jahrhundertprojekts zu gehen. Wir wollen, dass der Zug Fahrt aufnimmt“, sagte die Verwaltungsratsvorsitzende und Kunstministerin Theresia Bauer am Mittwoch (6. November) in Stuttgart.
Auf der Grundlage der vorgelegten belastbaren Zahlen solle nun eine Meinungsbildung im Verwaltungsrat, in den politischen Gremien und in der Gesellschaft herbeigeführt werden. Der Verwaltungsrat wird sich vor der nächsten regulären Sitzung im März 2020 nochmals intensiv mit den Baufragen befassen. Geplant ist, dass der Verwaltungsrat im Frühjahr über das vorgelegte Umsetzungskonzept für die Sanierung und Erweiterung der Oper und die Interimsspielstätte entscheidet. Der Landtag und der Gemeinderat der Stadt Stuttgart sollen ebenfalls befasst werden.
"Mir ist klar, dass die bauliche Ertüchtigung unserer württembergischen Staatstheater relevante finanzielle Ressourcen bindet. Aber das sollte es uns wert sein. Jetzt geht es darum, bei allen für diesen Kraftakt zu werben und die nötige Überzeugungsarbeit zu leisten. Ich bin überzeugt davon, dass unsere Gesellschaft ein Haus wie die Württembergischen Staatstheater braucht – sogar mehr denn je“, betonte die Kunstministerin.
Splett: Kosten von Anfang an möglichst transparent machen
Für die beim Finanzministerium angesiedelte Staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung hat Staatssekretärin Gisela Splett dem Verwaltungsrat die auf Grundlage des vom Nutzer erstellten Raumbedarfs grob geschätzten Kosten für die Sanierung und Erweiterung der Württembergischen Staatstheater (WST) vorgestellt. Dazu gehören neben der Sanierung der Oper (Littmann-Bau) ein neues und größeres Kulissengebäude am bisherigen Standort an der Konrad-Adenauer-Straße sowie die Neustrukturierung, Anbindung und Teilsanierung von Verwaltungsbau und Schauspielhaus. Die Kostenschätzung für das umzusetzende Programm wurde entwurfsunabhängig vom Amt Stuttgart des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg erstellt und durch externe Expertise plausibilisiert.
"Wir rechnen mit Baukosten in einer Größenordnung von rund 740 bis 960 Millionen Euro, wenn wir ohne zeitliche Verzögerungen weiterarbeiten. Einen konkreten Entwurf für die Sanierung und Erweiterung gibt es noch nicht, ein Architektenwettbewerb steht noch aus. In der Grobkostenschätzung sind die absehbaren konjunkturellen Preissteigerungen und Kostenrisiken enthalten, die wir ohne exakte Planung einpreisen müssen“, erklärte Gisela Splett.
Ohne diese Indizierung - also ausschließlich auf das heutige Preisniveau bezogen - lägen die Kosten in einer Größenordnung von rund 550 bis 720 Millionen Euro. Wie bei allen bedeutenden Bauprojekten des Landes soll der Landtag auch bei der Sanierung und Erweiterung der Württembergischen Staatstheater in zwei Stufen entscheiden. "Mit der Bereitstellung von Planungsmitteln im Haushalt ermöglicht der Landtag, dass wir die Planungen weiterführen und einen Wettbewerb vorbereiten und durchführen. Wenn nach dem Wettbewerb der Entwurf auf dem Tisch liegt, werden darauf aufbauend die konkreten Pläne erstellt und die Kosten können präziser beziffert werden. Erst auf Grundlage dieser entwurfsspezifisch ermittelten Kosten entscheidet der Landtag über die Etatisierung der Baukosten“, so Splett.
Mit dem zweistufigen Verfahren sollen große Projekte noch detaillierter geplant werden, ehe sie mit den Gesamtbaukosten im Landeshaushalt veranschlagt werden. Darüber hinaus hatte das Landeskabinett im Juni 2019 beschlossen, dass insbesondere bei bedeutenden, großen Bauprojekten eine starke Verbindlichkeit der abgestimmten Planungen gilt. Denn Änderungen im Nachgang werden oft teuer. "Uns ist wichtig, mit offenen Karten zu spielen. Das gilt auch für die Sanierung und Erweiterung der WST: Das ist ein richtig großes Projekt, dessen Kosten wir von Anfang an möglichst transparent machen wollen“, betonte Splett.
OB Kuhn: Für Investition mit Herz und Kopf kämpfen
Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn erklärte nach der Sitzung des Verwaltungsrats der Württembergischen Staatstheater: "Mit Oper und Ballett haben wir in Stuttgart einen wertvollen Schatz, der international von herausragender kultureller Bedeutung ist. Wer diesen Schatz erhalten und in die Zukunft überführen will, muss sich aktiv für die Weiterentwicklung einsetzen.“ Die Kosten seien auf den ersten Blick sehr hoch. "Deswegen müssen wir sie in der Bürgerschaft gut begründen. Es lohnt sich, für diese Investition mit Herz und Kopf zu kämpfen.“
Kuhn hatte im Verwaltungsrat die überarbeiteten Pläne für eine Interimsoper nördlich der Wagenhallen vorgestellt. Die Pläne greifen den Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs Rosenstein auf, der an dieser Stelle eine "Maker City“ für Kreativwirtschaft, Künstler und Wohnen vorschlägt. In der neuen Konzeption kann die sogenannte Containercity der Künstler erhalten bleiben. Im Vorgriff auf die spätere Nutzung sollen für den Bedarf der Interimsoper bereits jetzt zwei Gebäude der "Maker City“ durch die Stadt errichtet werden (84,1 Millionen Euro). Kuhn erklärte: "Wir haben jetzt ein Interim, von dem wesentliche Teile dauerhaft stehen bleiben können. Hier buchstabieren wir Nachhaltigkeit neu.“ Daneben werden eine Spielstätte für Oper und Ballett in modularer Bauweise sowie temporäre Gebäude für zum Beispiel Werkstätten errichtet, die später teilweise verkauft werden können.
Für die Bauten sind Kosten von 104,1 Millionen Euro errechnet, die hälftig von Stadt und Land getragen werden. Zieht man den erwartbaren Wiederverkaufserlös für die Modularbauten ab, bleiben für Stadt und Land jeweils 42,7 Millionen Euro.
Die Stadt hat zudem vorgeschlagen, an der Zuckerfabrik in Bad Cannstatt, wo sich bereits Kulissenlager der Staatstheater befinden, knapp 10.000 m² Nutzfläche zusätzlich zu schaffen, um so das neu zu errichtende Kulissengebäude zu entlasten und eine neue städtebauliche Perspektive zu eröffnen.
Der OB strebt im neuen Jahr einen Zielbeschluss zur Sanierung der Oper und für die Interimsoper im Gemeinderat an.
Hendriks: Hervorragende und ausgereifte Pläne – Frage entscheidungsreif
"Nach über zwei Jahrzehnten Vorgeschichte und einer seit 2014 höchst intensiv geführten Diskussion ist mit der gestrigen Sitzung des Verwaltungsrats ein historischer Moment gekommen. Es liegen nunmehr hervorragende und ausgereifte Pläne auf dem Tisch. Die Frage der Opernhaussanierung ist damit endlich entscheidungsreif. Wir danken Frau Ministerin Bauer, Frau Staatssekretärin Splett und Herrn Oberbürgermeister Kuhn für das absolut unmissverständliche und kraftvolle Bekenntnis zur Sanierung und Erweiterung der Staatstheater“, sagte der Geschäftsführende Intendant der Württembergischen Staatstheater Marc-Oliver Hendriks.
Schoner: Entscheidung für nächste Generation
"Die Entscheidung, die jetzt gefällt werden muss, ist eine, die nicht nur unsere Generation betrifft, sondern noch mehr die unserer Kinder. Das Opernhaus am Oberen Schloßgarten muss auch weiterhin ein öffentlicher Ort der Kunst und des Diskurses sein – so wie der Bau es seit über 100 Jahren ist. Dieser Verantwortung, ein Ort für alle Bürgerinnen und Bürger zu sein, sind sich die einzelnen Gewerke, das Staatsorchester, der Staatsopernchor, die Solist*innen und alle Mitarbeiter*innen des Hauses, in ihrem künstlerischen Tun mehr als bewusst – immer den Austausch mit unserem Publikum im Fokus“, so Opernintendant Viktor Schoner.