2015 werden die kulturpolitischen Weichen für die Einführung des Ganztagsunterrichts gestellt. Eine Tagung des Bayerischen Musikrats am 23. April bringt Musik-, Sport- und Kunstverbände mit Schuldirektoren und Vertretern des Ministeriums ins Gespräch. Sie bleuchtet die immensen Gefahren, aber auch die großen Chancen des Ganztagsunterrichts für die Musik.

Der "gebundene" Ganztagsunterricht wird Schüler verpflichten, bis nachmittags 16.00 Uhr in der Schule zu sein und einen strammen, nach den bisherigen Plänen hauptsächlich auf die Wissensvermittlung abgestimmten Stundenplan zu absolvieren. Zeitfenster für Musik, die über den bisher üblichen Musikunterricht hinausgehen, sind nicht vorgesehen. Wer ein Instrument lernen will, muss während der Mittagspause oder zu Hause am Abend üben. Schon seit der Einführung des G8 beklagen Musikpädagogen, dass immer mehr 12-14jährige den Musikunterricht abbrechen. Dass es nach einer flächendeckenden Einführung des Ganztagsunterrichts noch schwieriger sein wird, Kinder und Jugendliche für das eigene Musizieren zu begeistern, liegt auf der Hand. Die bisherige Infrastruktur der Musikausbildung durch öffentliche Musikschulen, Private Musikinstitute und freiberufliche Musiklehrer droht zusammenzubrechen, wenn der außerschulische Musikunterricht nur noch am späten Nachmittag, am Abend oder am Wochenende stattfinden kann.

Der Tonkünstlerverband Bayern e.V., ein Mitgliedsverband des Bayerischen Musikrats, fordert in seiner Resolution mehr Zeit für musische Fächer im Stundenplan, mehr eigenes Musizieren der Schüler, die Förderung individueller musikalischer Begabungen, die Bereitstellung von Räumen zum Üben und einheitliche Qualitätsstandards.

Er sieht in den bisherigen Plänen zur Umsetzung des Ganztagsunterrichts die Gefahr falscher Weichenstellungen, die in wenigen Jahrzehnten zum Ende des "Musiklandes" Bayern führen werden: Musikvereine, Laienorchester und -chöre, Hausmusik, aber auch internationale Solisten aus Bayern wird es dann kaum noch geben, da der Nachwuchs fehlt; denn die Jugendlichen müssen aufgrund der schulischen Überforderung ihr Instrument gerade dann aufgeben, wenn sie anspruchsvollere Musik etwa von Mozart oder Beethoven spielen könnten. Künstlerisch begabte Schüler benötigen Muse, um ihre Begabungen zu entfalten. Doch für eine individuelle Entwicklung ist im Ganztagsunterricht nach den derzeitigen Plänen kaum Zeit. Der Tonkünstlerverband Bayern betont in seiner Resolution die Chancen des Ganztagsunterrichts, wenn der Musik und den musischen Fächern mehr Gewicht gegeben wird: Jeder Schüler könnte ein Instrument lernen. Viel mehr Begabungen könnten entdeckt werden. Gemeinsames Musizieren fördert soziales Verhalten und ist gut für die Integration von Kndern mit Migrationshintergrund. Außerdem haben neurologische Forschungen gezeigt, dass Musik Intelligenz fördert.

"Staat und Gesellschaft müssen Verantwortung übernehemn, damit der Ganztagsunterricht nicht die Schule zur Lernfabrik macht, vielmehr Individualität, Kreativität und soziales Miteinander entwickelt werden. Denn diese kulturellen Fähigkeiten entscheiden über die Zukunft unserer Gesellschaft," betont der 1. Vorsitzende des Tonkünstlerverbandes Bayern, der Festivalleiter und Buchautor Dr. Franzpeter Messmer.

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