Vor dem Hintergrund der vierten Novellierung des Infektionsschutzgesetzes fordern der Bundesverband Freie Darstellende Künste (BFDK), der Deutsche Bühnenverein und die Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen (INTHEGA) dringend nötige Änderungen für den verfassungsrechtlich geschützten Kulturbereich. Nach monatelangen Schließungen, in denen es keine substantiellen Perspektiven für die Künste gibt, macht die Gesetzesnovelle und ihre Begründung klar, dass der Kulturbereich nach wie vor keinerlei Differenzierung erfährt, die dem besonderen Schutz des Art. 5 Absatz 3 des Grundgesetzes angemessen Rechnung trägt. Vielmehr macht der lapidare Verweis in der Begründung auf wirtschaftliche Kompensation des Schadens deutlich, wie wenig der Gesetzgeber geneigt ist, die ideelle Dimension von Kunst und Kultur für die Gesellschaft überhaupt anzuerkennen.
Angesichts der allgemeinen Lage fordern wir:
- Der Kulturbereich unterstützt alle sinnvollen Maßnahmen zur Bekämpfung und Eindämmung der Pandemie. Die Wiedererlangung der Kontrolle muss oberstes Gebot sein, damit nicht weitere wertvolle Zeit verstreicht. Daher unterstützen wir auch einen harten, konsequenten und schnellen Lockdown für alle Bereich der Gesellschaft, der allerdings zeitlich begrenzt und mit einer klaren Perspektive für Öffnungen ausgestattet werden muss.
- Teil der Öffnungsszenarien muss eine Differenzierung zwischen innen und außen beinhalten. Eine Gleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt, denn das Ansteckungsrisiko unter freiem Himmel ist nach allen Erkenntnissen deutlich geringer, als es in Innenräumen der Fall ist. Die Darstellenden Künste brauchen eine Öffnungsmöglichkeit für den Sommer – auch um ein Grundangebot für eine Gesellschaft aufrechtzuerhalten, die abgesehen von einer kleinen Unterbrechung seit einem Jahr komplett auf kulturelle Angebote verzichten muss und aller Voraussicht nach keinen normalen Sommerurlaub planen kann. Es geht hier um die kulturelle Teilhabe von Menschen – darunter viele Familien mit Kindern und ältere Menschen. Der Zeitpunkt dafür muss klar sein, eine Öffnung braucht Vorbereitung. Die vorhandenen Hygienekonzepte erlauben es, unter freiem Himmel in verantwortlicher Weise kulturelle Angebote zu schaffen.
- Der Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Angeboten der Kulturellen Bildung muss ermöglicht werden. § 28 Absatz 3 des Infektionsschutzgesetzes (Bildungseinrichtungen) muss dahingehend präzisiert werden, dass neben Schulen, Hochschulen, außerschulischen Einrichtungen der Erwachsenenbildung auch außerschulische Einrichtungen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung von der Regelung erfasst werden sollen.
- Wir brauchen zukünftig dringend die Möglichkeit zu Modellprojekten. Sollten sich bisherige Modellprojekte nicht bewährt haben, sollte geprüft werden, ob kleinere Dimensionen und eine stringentere wissenschaftliche Begleitung hier Abhilfe schaffen. Die Abschaffung dieses Formats jedenfalls ist keine Hilfe angesichts einer Zukunft, in der das Coronavirus uns noch lange begleiten wird. Daher müssen wir lernen, damit zu leben.
Janina Benduski, Vorsitzende Bundesverband Freie Darstellende Künste (BFDK)
Marc Grandmontagne, Geschäftsführender Direktor Deutscher Bühnenverein
Dorothee Starke, Präsidentin INTHEGA