Die Akademie der Darstellenden Künste hat sich zusammen mit dem Deutschen Bühnenverein, der Dramaturgischen Gesellschaft, der Kulturpolitischen Gesellschaft und dem Internationalen Theaterinstitut für eine öffentliche Veranstaltung entschieden, die am 3. Oktober 2003 anlässlich des zehnten Jahrestages der Schließung des Schiller Theaters eine Lagebestimmung der öffentlich getragenen Theater in Deutschland unter dem Motto „Theaterland wird abgebrannt?“ vornehmen soll. Hintergrund für diese Veranstaltung ist die angespannte Situation der Theater und Orchester in der Bundesrepublik Deutschland. Diese wird durch folgende Umstände deutlich:
Seit der Schließung des Schiller Theaters und der Freien Volksbühne in Berlin hat es eine Reihe von weiteren Theaterschließungen gegeben. Das Kleist Theater in Frankfurt/Oder wurde abgewickelt. Das Gleiche gilt für das Metropol Theater in Berlin. Das Theater des Westens wurde als öffentlich getragene Bühne aufgelöst und einem privaten Betreiber übertragen. Geschlossen ist auch die Landesbühne in Wittenberg und das Theater am Turm in Frankfurt/Main.
Anderenorts konnten die Theater nur noch durch Fusionen überleben. Solche Fusionen hat es vor allem in den neuen Bundesländern gegeben. Beispiele sind Greifswald/Stralsund, Altenburg/Gera, Plauen/Zwickau, Halberstadt/Quedlinburg und Nordhausen/Sondershausen. In den alten Bundesländern kam es zu einer Fusion der Theater in Wuppertal und Gelsenkirchen, die jedoch auf Beschluss des Stadtrates in Wuppertal wieder aufgelöst wurde, ohne dass dem Theater in Wuppertal das anlässlich der Auflösung der Fusion notwendige zusätzliche Geld zur Verfügung gestellt wurde. Reine Orchesterfusionen gab es beispielsweise in Solingen/Remscheid, Gelsenkirchen/Recklinghausen und in Riesa/Pirna.
Viele Theater konnten sich nur noch durch Haustarifverträge, in denen die Mitarbeiter auf Teile ihrer Vergütung für einen gewissen Zeitraum verzichteten, retten. 80 solcher Haustarifverträge hat der Bühnenverein mittlerweile für seine Mitgliedsbühnen abgeschlossen. Selbst fusionierte Theater blieben vor solchen Haustarifverträgen nicht verschont. Auch das vom Land Thüringen weitgehend geförderte Nationaltheater Weimar hat nunmehr einen Haustarifvertrag mit Gehaltsverzicht abgeschlossen.
Von Spartenschließungen war insbesondere die Sparte Tanz betroffen. Lübeck verzichtete sehr frühzeitig auf das Ballett. Schließungen der Sparte Tanz gab es aber auch in Köln, Weimar, Bochum, Frankfurt/Main und nun zuletzt in der Komischen Oper in Berlin. Heidelberg und Freiburg planen die Fusion des Tanztheaters. Das Stadttheater in Erfurt hat die Sparte Schauspiel abgebaut.
Gerade in den letzten zwölf Monaten haben sich immer wieder neue Krisenherde aufgetan. Dies gilt vor allem auch für die Theater in den alten Bundesländern. Die Theater und Orchester in Köln, Münster, Freiburg, Aachen, Frankfurt/Main sowie die Staatstheater Niedersachsens, insbesondere Hannover, waren neben vielen anderen mit erheblichen Kürzungsauflagen überzogen. Zwar werden solche Kürzungsauflagen zumindest teilweise wieder zurückgenommen. Selten jedoch finden die kulturpolitischen Auseinandersetzungen statt, ohne dass das Theater Schaden nimmt oder schließlich doch sich in erheblichem Umfang auf Kürzungen einstellen muss.
Die Situation führt auch an verschiedenen Standorten mittlerweile zu Auseinandersetzungen über die Leitungen eines Theaters. So wurde der Intendant Georg Köhl in Pforzheim auch aufgrund des Rückgangs von Abonnements fristlos entlassen. Mit der als Operndirektorin in Köln ausgesuchte Barbara Mundel ließ die Stadt kurzfristig wissen, man wolle mit ihr doch keinen Vertrag abschließen. An anderen Orten wird im Rahmen von Neubesetzungen verstärkt darüber nachgedacht, an die Spitze eines Theaters keinen künstlerischen, sondern einen kaufmännischen Leiter zu setzen.
Trotz der sich zuspitzenden Situation kommt es immer wieder zu neuen Kostensteigerungen aufgrund von gesetzlichen Vorschriften. Als Beispiel mag hier die Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes dienen, die einige GmbH-Theater verpflichtet hat, ein weiteres Betriebsratsmitglied bei voller Bezahlung freizustellen. Viele Gesetze sind zudem mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden, so beispielsweise die neue Gesetzgebung zu den geringfügig Beschäftigten, vor allem in der Gleitzone zwischen 400 und 800 Euro Monatsverdienst. Immer unübersichtlicher wird die rechtliche Auseinandersetzung über die Frage, wer als selbstständiger und wer als abhängig Beschäftigter in einem Theater tätig ist. Hinzu kommt eine immer zunehmende engere Sichtweise der Sozialversicherungseinrichtungen und der Steuerbehörden, die dringend zusätzliche Einnahmen benötigen und insoweit durch strengere Gesetzesauslegung höhere Beiträge bzw. höhere Steuern verlangen. Beispiele sind hier die unständig Beschäftigten für die Probleme im Sozialversicherungsrecht und die Fragen der Doppelbesteuerung von ausländischen Künstlern.
Die angespannte Situation hat mittlerweile dazu geführt, dass die Theater von 45.000 Arbeitsplätzen bis zu 6.000 Arbeitsplätzen abgebaut haben. Eine weitere Entwicklung in diese Richtung wäre verhängnisvoll.
Frankfurt, den 22. September 2003
Absätze
Quelle
http://www.buehnenverein.de