Weimar und Leipzig: In den Musikhochschulen dieser beiden ostdeutschen Städte fanden kürzlich die nationalen Probespiele des Bundesjugendorchesters statt. Mit dieser Wahl setzte Projektleiter Sönke Lentz ein eindeutiges Zeichen: „Traditionell ist das Bundesjugendorchester eher im Westen Deutschlands verankert. Der Kontakt zu Institutionen wie dem Musikgymnasium Belvedere ist uns jedoch sehr wichtig. Wir haben in den letzten Jahren immer mehr tolle Musiker aus Thüringen, Brandenburg und Sachsen für unser Orchester gewinnen können“. Tatsächlich geben die Zahlen ihm recht: Immer mehr junge Menschen aus den neuen Bundesländern bewerben sich bei dem in der Trägerschaft des Deutschen Musikrates stehenden Bundesjugendorchester. „Wir bemühen uns, regelmäßig Konzerte in kleineren und größeren Städten im Osten Deutschlands zu geben. Ganz besonders freuen wir uns, dass wir im Januar 2012 erstmals seit der großen Tournee 1987 durch die ehemalige DDR nun wieder in Thüringen ein Konzert spielen werden“, sagt Lentz.

Zu den diesjährigen Probespielen haben sich insgesamt über 130 junge Menschen beworben. Aufgenommen wurden letztlich 44 Musiker, darunter 17 Mädchen und 27 Jungen. Das Durchschnittsalter der neuen Mitglieder liegt bei 16 Jahren, wobei die jüngste Kandidatin knapp 13 Jahre ist. Viele Musiker haben vorher in einem der zahlreichen Landesjugendorchester gespielt, so auch die Bassposaunistin Maxine Troglauer aus Wiesbaden: Sie spielt seit fünf Jahren Bassposaune und ist seit Sommer 2010 im Landesjugendorchester Hessen, wo sie bereits viele Erfahrungen gesammelt hat. Doch nun will sie, wie sie sagt, „eine Stufe höher“: „Ich habe gemerkt, ich will Bassposaune studieren und das Bundesjugendorchester ist glaube ich ein guter Weg, um noch professioneller zu werden“. Auch Dennis Pientak aus Hilden (NRW) hatte ähnliche Motive für sein Probespiel: „Mich hat am BJO gereizt, dass ich noch mehr Orchestererfahrung sammeln wollte. Ich wollte in einem großen Orchester mit hohem Niveau schwierige Werke spielen können. Und unter bekannteren Dirigenten spielen. Das Bundesjugendorchester hat einen guten Namen und im Lebenslauf kommt das nicht schlecht.“

Doch gleichzeitig wird deutlich, dass es für viele angehende junge Musiker zunehmend schwieriger wird, neben der Schule Zeit für ihr Instrument zu finden. Erst kürzlich musste eine Musikerin kurzfristig ein Projekt mit Sir Simon Rattle absagen, da es nicht möglich war, eine Schulklausur nachzuschreiben. „Solche Dinge erleben wir immer häufiger“, sagt Sönke Lentz, „Für unsere Arbeitsphasen im Winter und über Ostern wird es von Jahr zu Jahr schwieriger, die Abiturienten aus der Schule zu befreien. Der Zeit- und Leistungsdruck in der Schule hat unter anderem durch die Schulzeitverkürzung stark zugenommen. Aufgrund dieses Leistungsdrucks haben viele talentierte junge Musiker oft keine Möglichkeiten mehr, die für sie wichtigen Erfahrungen mit professionellen Dozenten und Dirigenten im Orchester zu sammeln“, sagt Lentz. Nicht selten komme es daher vor, dass ein Musiker zwischen zwei Konzerten einen Tag nach Hause fährt, um eine Abiturklausur zu schreiben. „Für viele unserer Musiker ist es ungemein wichtig, die Erfahrungen im Bundesjugendorchester zu sammeln, da sie wissen, sie wollen Berufsmusiker werden. Darauf wollen sie keinesfalls verzichten. Dafür nehmen sie lange Reisen und schulischen Stress auf sich“. Selbstverständlich versucht das Orchesterbüro hier zu unterstützen, wo es geht: „Seit jeher legen wir die Arbeits- und Konzertphasen soweit es geht in die Ferien. Da die Ferien in jedem Bundesland jedoch anders terminiert sind, gelingt dies nicht immer für jeden.“ Auf lange Sicht wünscht sich Lentz eine bessere Verknüpfung von Bildung und Kultur. Dass es auch anders geht, zeigen die Beispiele Maxine und Dennis: „Ich habe mich schon früh für eine Schule entschieden, in der es eine Musikförderklasse gibt. Dort gibt es eine musikalische Studienleitung, die handhaben Termine flexibel“, sagt Dennis und Maxine fügt hinzu: „Solange die Noten stimmen, geht vieles. Meine Tutorin hat außerdem selber ganz lange Musik gemacht, daher ist sie sehr verständnisvoll. Das ist Gold wert.“

Die diesjährige Wintertournee des Bundesjugendorchesters führt die jungen Musiker nach Bonn (9. Januar), Führt (10. Januar), Ludwigsburg (11. Januar), Weimar (12. Januar), Krakau (14. Januar) und Berlin (15. Januar). Das Konzert in Berlin wird live in der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker übertragen.