„Standortbestimmung Musikhochschule Nürnberg: Aufbruchstimmung oder Nachhilfesituation für die Musiklandschaft in Bayern?“ Mit dieser Frage eröffnete Präsident Thomas Goppel das Pressegespräch im Kammermusiksaal der Musikhochschule Nürnberg, zu welcher der Bayerische Musikrat geladen hatte. Martin Ullrich, Präsident der Musikhochschule Nürnberg, und Vizepräsidentin Renate Reitinger zeigten im Gespräch mit Vertretern des BMR-Präsidiums, seiner Mitgliedsverbände sowie der Presse deutlich auf, wohin der Weg führt. Ullrich: „Unsere Profilierung zielt darauf, künstlerische Exzellenz zu erzeugen und den musikalischen Bildungsauftrag zu erfüllen. Das ist für uns kein Gegensatz, sondern zentrales Anliegen.“

Die Musikhochschule Nürnberg nutzt dabei die Gunst des „verspäteten Starts“. Weil 2008 erst gegründet und im Oktober 2009 mit einem neuen Präsidenten besetzt, nimmt man die Chance wahr, im dadurch verzögerten Bologna-Prozess Fehler der Frühphase zu vermeiden und ein Profil zu entwickeln, das durch ein vielfältiges Angebot auf die optimierte Ausrichtung der Berufsfeldorientierung setzt. Wichtig ist der Hochschulleitung dabei die Vereinbarkeit von musikalischer Bildung und künstlerischer Exzellenz. Ullrich: „Wir finden uns hier im institutionellen Kontext mit der Rektorenkonferenz der Musikhochschulen wieder. Sie hat im Herbst eine Imagekampagne gestartet, damit die Musikhochschulen in Deutschland zeigen können: wir erzeugen künstlerische Exzellenz, aber wir haben auch einen musikalischen Bildungsauftrag, der als ein Bestandteil kultureller Bildung insgesamt begriffen werden muss. So ist es zu dieser erstaunlichen Entwicklung gekommen, die große Imagekampagne unter den Begriff der “Musikalischen Bildung“ auszurichten.“ Da Nürnberg jedoch keine Schulmusikausbildung anbietet, konzentriert sich die Musikhochschule auf den Kernbereich der künstlerischen und der künstlerisch-pädagogischen Ausbildung sowie der elementaren Musikpädagogik. Ullrich: „Wir streben eine interne Vernetzung unserer Studienbereiche an. Da kommt uns auch die Bolognareform entgegen. Wir greifen den Trend zur Mehrfachqualifikation, wie er in den zurückliegenden Jahren verstärkt zu beobachten war, auf und versuchen, ihn sinnvoll in unseren Ausbildungsstrukturen abzubilden.“ Die Studiengänge zueinander durchlässig zu machen, darin sieht Ullrich die große Chance für den Standort Nürnberg. Ullrich: „Die Grenzen sind nur dort, wo die Grenzen der Ressourcen sind.“

„Unsere große Aufgabe ist es auch, Wege zu finden, um musikalische Bildung nachhaltig in der Gesellschaft zu verankern“, so Renate Reitinger. Gezielt habe man sich mit Bildungsbereichen der Stadt, der Frühförderung und der Zielgruppe der Schüler vernetzt und zahlreiche Initiativen gestartet, unter anderem eine jährliche Musiktheaterproduktion mit der freien Theaterbühne Mumpitz, die Kinderuni, einen Seminarschulbetrieb, bei dem Kinder in der Musikhochschule im Rahmen der Lehrpraxis kostenlosen Unterricht erhalten, sowie das Kooperationsprojekt „Wachsen mit Musik“, das auf drei Säulen basierend jedem Kind an derzeit 20 Kindergärten in Nürnberg qualifiziert vermittelten Zugang zur Musik ermöglicht.

Einen weiteren Focus richtet die Musikhochschule Nürnberg auf Kooperationen mit Institutionen im Pre-College-Bereich wie Berufsfachschulen, studienvorbereitenden Musikschulen und Musikgymnasien. „Noch immer ist nicht weitreichend bekannt, dass ein Musikstudium auch ohne Abitur möglich ist“, so Präsident Thomas Goppel. Tatsächlich kommen 30 % der Studenten im künstlerisch-pädagogischen Ausbildungsbereich aus den Berufsfachschulen, informierte Reitinger, „und das ziemlich konstant“. Zum Novum zählt auch die Aufnahme von Studenten aus der Schule für Blinde und Sehbehinderte. Ullrich: „Das ist ein Pilotprojekt, aber wir sehen es als unsere Verpflichtung an, auch solchen Menschen individuell, gleichberechtigt und barrierefrei ein Studium zu ermöglichen.“

Zu dieser inhaltlichen Profilierung und der Bolognareform gibt es in Nürnberg ganz konkret noch eine dritte Baustelle. Laut Ullrich eine „Morgengabe der Stadt Nürnberg“, soll die Musikhochschule hochschulgerecht umgebaut werden. Auch soll es einen neuen Orchestersaal als Studien- und Probensaal im Innenhof geben. Die Bauphase ist von 2011 bis 2013 geplant. Vergleichbar mit der inhaltlichen Konzeption ist die Sanierung des Gebäudes auf eine Optimierung und Ausweitung der vorhandenen Strukturen ausgerichtet.

„Klein, aber fein“, lobte Goppel die Angebote und Pläne der Musikhochschule Nürnberg und unterstrich, was ihm besonders gefällt: die gezielte und konsequente Überprüfung des Bandbreitenangebots an Musikalität, die Konzentration auf fachliche Begabung und die Möglichkeit zur Meisterschaft im Einzelnen.