Das Brahms-Institut an der Musikhochschule Lübeck konnte für seine weltweit bedeutende Sammlung kostbare Brahms-Handschriften erwerben: die bislang verschollen geglaubten Handschriften von vier Chorsätzen aus "Sieben Lieder für gemischten Chor" op. 62, die sich bis dato in den USA in Privatbesitz befanden. Den Ankauf ermöglichten die Kulturstiftung der Länder, die Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein sowie die Possehl-Stiftung Lübeck.
"Wir konnten mit den neuen Brahms-Autographen national wertvolles Kulturgut für unsere einzigartige Sammlung sichern", so der Leiter des Brahms-Instituts, Prof. Dr. Wolfgang Sandberger: "Die Handschriften sind von großer wissenschaftlicher Bedeutung, denn sie ermöglichen erstaunliche Einblicke in die Kompositionswerkstatt von Johannes Brahms." Seit 25 Jahren hat die Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein die Aufgabe, Kulturgüter von herausragender Bedeutung für das Land Schleswig-Holstein zu sichern. "Auch in ihrem Jubiläumsjahr setzt die Stiftung kraftvolle Akzente für die Kunst und Kultur. Gerade im renommierten Brahms-Institut knüpft sie an eine langjährige und sehr erfolgreiche Zusammenarbeit an. Ein Schwerpunkt, den wir auch zukünftig pflegen wollen", so Staatssekretär Heinz Maurus, Vorstandsvorsitzender der Landeskulturstiftung.
Die Musikhochschule und das Brahms-Institut präsentieren die Handschriften am Sonntag, 3. Mai um 18 Uhr im Rahmen des Brahms-Festivals 2009 erstmals der Öffentlichkeit. Die Chorakademie des Schleswig-Holstein Musik Festivals führt die Lieder unter der Leitung von Rolf Beck auf. Prof. Dr. Wolfgang Sandberger erläutert in seinem Vortrag die musikwissenschaftliche Bedeutung der Handschriften. Bei der Handschrift handelt es sich um eine Reinschrift der Chorlieder op. 62 (1-4) für vierstimmigen gemischten Chor. Brahms verarbeitete darin Texte von Paul Heyse - der 1910 als erster deutscher Belletrist den Nobelpreis für Literatur erhielt - sowie aus der berühmten Sammlung der Heidelberger Romantik "Des Knaben Wunderhorn" von Achim von Arnim und Clemens Brentano. Brahms hat die Reinschrift auf Wunsch eines Freundes, des Bremer Musikdirektors Carl Reinthaler angefertigt und mit "Ostermontag [18]74" datiert. Die Quelle umfasst zehn Seiten mit vier Liedern (aus den insgesamt sieben Liedern op. 62): Nr. 1 "Rosmarin", Nr. 2 "Von alten Liebesliedern", Nr. 3 "Waldesnacht" und Nr. 4 "Dein Herzlein mild". Diese Lieder gehören heute zum Standardrepertoire professioneller Chöre und spiegeln ein Kernanliegen des Komponisten wider, das unter anderem aus seiner eigenen Tätigkeit als Chorleiter resultierte: die Beschäftigung mit dem Volkslied. Das Lied "Waldesnacht" gehört zu seinen berühmtesten Chorliedern.
Auf einer Auktion ersteigerte das Institut Ende vergangenen Jahres zudem das Autograph des Brahms-Liedes "Der Überläufer" op. 48, Nr. 2. Auch der Text dieses Liedes stammt aus "Des Knaben Wunderhorn". Das mit "1855" datierte kalligraphische Blatt wurde erst 1868 in der Liedersammlung op. 48 gedruckt. Es ist Rosalie Leser gewidmet, einer blinden Freundin von Clara und Robert Schumann, die auch Klavierschülerin von Johannes Brahms war. Der Ankauf dieses kostbaren Blattes wurde ermöglicht durch die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. Gerard Quinn (Bariton) wird den "Überläufer" zusammen mit Inge-Susann Römhild am Klavier im Rahmen der Veranstaltung vorstellen.
Dass bedeutende Brahms-Quellen heute noch auf dem internationalen Markt auftauchen, ist ein seltener Glücksfall. Im Zusammenspiel mit den bereits in der Sammlung des Brahms-Instituts vorhandenen Stichvorlagen sowie dem Erstdruck zu den Chorliedern ermöglichen die neuen Quellen einzigartige Einblicke in Brahms’ strategische Überlegungen zum Kompositions- und Publikationsprozess seiner Werke. Das Brahms-Institut an der Musikhochschule Lübeck besitzt weltweit eine der bedeutendsten Sammlungen zu dem in Hamburg geborenen Komponisten.
Neben Erst- und Frühdrucken, Briefschaften und Fotos gehören dazu diverse wertvolle Autographe, so etwa zum Klavierquartett op. 26 oder zum "Deutschen Requiem" op. 45. Mit Ausstellungen, Publikationen und Digitalisierungsprojekten macht das Institut seine Daten einer breiten Öffentlichkeit verfügbar. Ein wichtiges, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziertes Forschungsprojekt konnte gerade erst abgeschlossen werden: das Verzeichnis aller Briefe von und an Johannes Brahms (BBV). Weitere Informationen unter www.brahms-institut.de.
Einlasskarten für die öffentliche Präsentation sind ausschließlich an der Abendkasse erhältlich, der Eintritt ist frei. Anschließend sind die Handschriften vom 4. bis zum 10. Mai jeweils von 14 bis 18 Uhr in der Villa Eschenburg (Jerusalemsberg 4) zu sehen.
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