Musikfirmen haben im vergangenen Jahr, trotz der schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen und vor dem Hintergrund tiefgreifender Veränderungen im Musikgeschäft, weltweit rund 4,5 Milliarden US$ in die Suche, den Aufbau und die Vermarktung von Künstlern investiert. Wie der internationale Dachverband der Tonträgerhersteller, die International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) heute anlässlich der Vorstellung des neuen globalen Reports „Investing in Music“ in London mitteilte, wurden allein für das A&R (Artist & Repertoire), also die Suche und den Aufbau neuer Talente, 2,7 Milliarden US$ ausgegeben. Damit liegen die aktuellen Investitionen auf dem Niveau der vorherigen Jahre.

Im Jahr 2008 beliefen sich die A&R-Ausgaben insgesamt auf 2,8 Milliarden US$, seitdem sind die Umsätze im weltweiten Musikgeschäft allerdings um 16 Prozent zurückgegangen, so dass der Anteil der A&R-Investitionen am weltweiten Umsatz aus Musikverkäufen statt 15 Prozent im Jahr 2008 derzeit sogar 16 Prozent beträgt. Dabei wird vor allem in lokales Repertoire verstärkt investiert. Mit Erfolg: Gemessen an den von media control ermittelten offiziellen deutschen Top 100 Album Charts betrug der Anteil des nationalen Repertoires im vergangenen Jahr etwa 55 Prozent.

Im Branchenvergleich liegen die A&R-Ausgaben der Musikfirmen deutlich über den Forschungs- und Entwicklungsausgaben (F&E) anderer Wirtschaftszweige. So betragen die F&E-Aufwendungen der Software- und Computerindustrie laut „Industrial R&D Investment Scoreboard“ der Europäischen Kommission etwa 9,6 Prozent, die der Pharmazeutischen Industrie und der Biotechnologiebranche etwa 15,3 Prozent.

Prof. Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Musikindustrie: „Der Aufbau neuer Talente sichert die Basis für einen ständigen Erneuerungsprozesses im Musikgeschehen und ist damit zugleich auch ein Schlüssel der kreativen Vielfalt im Musikgeschäft. Mehr als ein Sechstel der Einnahmen aus verkauften Musikaufnahmen fließt zurück in die Suche und den Aufbau neuer Talente – damit sind die Musikfirmen die wichtigsten Investoren beim Aufbau langfristiger Musikerkarrieren. Entgegen aktueller Behauptungen ist es heute für einen Künstler wesentlich schwieriger, im Musikgeschäft mittel- bis langfristig Fuß zu fassen. Vor dem Hintergrund der Marktstörung durch massenhafte illegale Nutzungen sind die Einnahmemöglichkeiten geschrumpft, zugleich aber sind die Anforderungen deutlich gestiegen. Die neuen digitalen Möglichkeiten bieten natürlich viele Chancen, erfordern aber auch ein großes Know-how im Umgang mit den neuen Medien. Als Partner der Kreativen liefern die Musikfirmen hier wichtige Unterstützung, indem sie nicht nur in die professionelle Vermarktung von Musik investieren, sondern auch Anschubfinanzierungen leisten – und dabei nicht selten auch das Ausfallrisiko tragen.“

Zweidrittel der Künstler mit Profi-Ambitionen, aber ohne Plattenvertrag, wünschen sich einen Vertrag mit einer Musikfirma

Dass auch Künstler diese Zusammenarbeit mit Musikfirmen schätzen, zeigen zwei aktuelle Studien aus dem Jahr 2012, die in Großbritannien und Deutschland durchgeführt wurden. In Deutschland wurden im September mit Unterstützung durch das Popbüro Region Stuttgart, die VW Sound Foundation, die Popakademie Baden-Württemberg, Local Heroes und SoundGroundBerlin mehr als 300 Musiker, die keinen Vertrag mit einer Musikfirma haben, nach einer möglichen Zusammenarbeit mit einem Label gefragt. Dabei zeigte sich, dass insgesamt 80 Prozent der Befragten, die berufliche Ambitionen mit der Musik verfolgen und noch keinen Vertrag mit einer Musikfirma haben, sich einen solchen Plattenvertrag wünschen. Als „sehr wichtig“ bei der Zusammenarbeit mit einem Label wurden die Unterstützung im Bereich Marketing und Promotion (71 Prozent), Kontakte zu TV und Radio (58 Prozent), die Möglichkeit, sich ganz auf den kreativen Prozess konzentrieren zu können (50 Prozent), Tour-Support (46 Prozent) und Vorschusszahlungen (45 Prozent) genannt. In Großbritannien kam eine Studie in Zusammenarbeit mit dem „Unsigned Guide“ zu ähnlichen Ergebnissen. Dort wünschen sich 71 Prozent der Künstler ohne Vertrag mit einem Label eine professionelle Zusammenarbeit auf Basis eines vertraglichen Verhältnisses.

Dazu Dieter Gorny: „Wir werden oft mit der These konfrontiert, im Zuge der Digitalisierung seien Musikfirmen nun überflüssig, jeder Künstler könne oder wolle sich heute selbst vermarkten oder über innovative Finanzierungsinstrumente wie das Crowdfunding die eigene Karriere allein in die Hand nehmen. Die aktuelle Studie zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. Die meisten Musiker mit Profi-Ambitionen wünschen sich sowohl die finanzielle als auch die professionelle Unterstützung der Musikfirmen – und suchen sich dabei ihre Partner frei am Markt. Für viele Künstler legt die Zusammenarbeit mit einem Label nach wie vor den Grundstein einer professionellen Musikkarriere, vor allem auch weil sie sich dann voll und ganz auf den kreativen Schaffensprozess konzentrieren können. Die netzpolitische Debatte, die sich leider oft auf neu gegen alt reduzieren lässt, sollte sich gerade mit Blick auf solche Studien stärker den ökonomischen Realitäten der Kreativbranchen stellen.“

Der internationale Report „Investing in Music“ ist eine Publikation des Dachverbands der Tonträgerhersteller (IFPI) in Zusammenarbeit mit dem internationalen Netzwerk der unabhängigen Musikfirmen WIN. Für den Report wurden von der IFPI zahlreiche Fakten zu den Investitionen von Musikfirmen zusammengetragen, darunter die A&R-Ausgaben (z.B. Vorschusszahlungen, Aufnahme- und Videokosten, Aufwendungen für den Tour Support) sowie Marketingausgaben (inklusive TV-Werbung, Kooperationen, Online-Marketing oder Promotion).

Neben dem Zahlenmaterial werden zahlreiche Fallstudien zur Partnerschaft von Musikfirmen und Künstlern vorgestellt, darunter Michael Bublé, Raphael Gualazzi, David Guetta, Jan Lisiecki und Sexion D’Assaut.