Mit Betroffenheit reagieren die Ruhrtriennale und Intendant Johan Simons auf die jüngsten Strafverfolgungen der Künstler Kirill Serebrennikow und Doğan Akhanlı durch Russland und die Türkei."Wir solidarisieren uns politisch und künstlerisch mit Kirill Serebrennikow und Doğan Akhanlı, die gerade zum unfreiwilligen Symbol werden, künstlerische Freiheit und freie Meinungsäußerung zu verteidigen“, so Johan Simons am Mittwoch in Bochum.

Am Dienstag war der russische Theater- und Opernregisseur Kirill Serebrennikow mit dem Vorwurf der Geldunterschlagung in St. Petersburg verhaftet worden. Am Mittwoch wurde er in Moskau vernommen und wird bis zum 19. Oktober mit einer Fußfessel unter Hausarrest gestellt. Es besteht ein Kontaktverbot. Serebrennikow darf kein Internet nutzen und keine Post über Social Media verschicken, kein Theater betreten und keine Filmaufnahmen machen. Er bestreitet die Vorwürfe. Im Juli hatte das Moskauer Bolschoi-Theater drei Tage vor der Premiere eine Ballett-Inszenierung Serebrennikows über den russischen Tänzer Rudolf Nurejew abgesagt; es dementierte damals, es hätte die Aufführung abgesagt, weil in dem Stück Nurejews Homosexualität offen thematisiert würde. Der türkischstämmige deutsche Autor Doğan Akhanlı war Ende vergangener Woche an seinem Urlaubsort in Spanien festgenommen worden; derzeit ist er unter Auflagen frei; die deutsche Bundesregierung versucht, eine Auslieferung an die Türkei zu verhindern. Akhanlı thematisiert in seinem literarischen Werk den Völkermord an den ArmenierInnen vor 100 Jahren in der heutigen Türkei. Er war bereits in der Türkei wegen des Vorwurfs des Raubes und Totschlags juristisch angeklagt, aber freigesprochen worden; das Urteil war 2013 wieder aufgehoben worden.

Johan Simons: "Natürlich ist es nicht einfach, sich von außen einen umfassenden Einblick in die juristischen Zusammenhänge zu verschaffen. Aber unser Vertrauen in die Unabhängigkeit und Rechtschaffenheit der russischen oder auch der türkischen Justiz ist seit der jüngsten Vergangenheit nicht ohne Grund erschüttert. Es gilt, früh und immer wieder das Wort zu ergreifen und zu warnen, wenn der Eindruck entsteht, die Feinde der Demokratie und der Kunstfreiheit könnten ihre Absichten hinter anderen Manövern verstecken. Europa und die Welt brauchen mutige KünstlerInnen und JournalistInnen, und mutige KünstlerInnen und JournalistInnen brauchen jetzt die Solidarität und Unterstützung Europas. Vor allem dann, wenn es schon ,Mut’ bedarf, eine unbequeme Wahrheit oder eine vermeintlich unschöne Tatsache frei auszusprechen. Gerade haben wir mit einem politischen Europa-Schwerpunkt die Ruhrtriennale 2017 eröffnet und während wir dieses Festival der Künste feiern, bestätigen die jüngsten Ereignisse in Russland und Spanien bzw. der Türkei einmal mehr die Dringlichkeit dieser Themenwahl aufs Traurigste. Sofort muss ich daran denken, was Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller vor wenigen Tagen in ihrer Festspielrede zur Eröffnung der Ruhrtriennale gesagt hat: ,Oft kommt der Anfang des Totalitären harmlos daher, als ginge es nur um den guten Geschmack, um die Verletzung der Gefühle, die Gewöhnung an einige Grenzen, über die man sich im Schreiben oder Malen nicht hinwegsetzen dürfe. Und dann kommt Schritt für Schritt immer noch eine Grenze hinzu. Die Zensur wollte immer schon nicht nur Bücher und Bilder, nicht nur Kunst verbieten, sondern die Wahrnehmung der Welt, aus der heraus die Kunstwerke entstanden sind.’ – Als KünstlerInnen in Freiheit, die wir hier in Deutschland sind, ist es unsere Pflicht, dafür einzutreten, den Wert dieser Grundwerte allen Menschen zu vermitteln und unsere Stimme für ihre Gültigkeit auch andernorts zu erheben. Zu diesen universellen europäischen Werten gehören eine unabhängige und rechtsstaatliche Aufklärung der fraglichen Vorwürfe und die uneingeschränkte Freiheit der Kunst.“