Mit einem ausverkauften Konzert des WDR Sinfonieorchesters und des französischen Cellisten Gautier Capuçon beendet das internationale Musikfestival „Heidelberger Frühling“ am morgigen Samstag (25. April) die erfolgreichste Saison seiner 19-jährigen Geschichte. Rund 40 000 Besucher machten das Musikfestival erneut zum größten in Baden-Württemberg. Seit dem 21. März standen weit über 100 Veranstaltungen auf dem Programm, darunter die ersten gemeinsamen Konzerte der Pianisten András Schiff und Igor Levit sowie der Sänger Thomas Hampson und Thomas Quasthoff. Unter dem Titel „Freiheit wagen“ behandelte das Festival die aktuelle Debatte um die Chancen und Gefahren des digitalen Wandels und fragte in diesem Kontext insbesondere nach der Verantwortung der Künste und Künstler in Zeiten gravierender gesellschaftlicher Umbrüche.

Besonderes Interesse fand die von Levit geleitete Kammermusik Akademie. Mit Frederic Rzewski stand dort einer der großen amerikanischen Künstler der Moderne im Zentrum. Fast zwei Wochen lang war der Komponist und Pianist bei der dichten, jeweils ganztägigen Abfolge von moderierten Workshops und Konzerten als Mentor, Interpret und streitbarer Diskussionspartner zu Gast. Als Mentoren arbeiteten neben Levit und Rzewski erneut der Pianist Matan Porat und der Geiger Ning Feng sowie erstmals der Geiger Marc Bouchkov und der Cellist Isang Enders mit den elf eingeladenen Stipendiaten.

Unter den zahlreichen Erst- und Uraufführungen in diesem Festivaljahrgang stach besonders Rzewskis Werk „Dreams II“ hervor, das der „Heidelberger Frühling“ gemeinsam mit der New Yorker Carnegie Hall und der Londoner Wigmore Hall in Auftrag gegeben hatte. Igor Levit stellte es in einem Solorezital Bachs „Goldberg-Variationen“ voran, die er in Heidelberg erstmals öffentlich aufführte. Levit vollendete damit seinen Heidelberger Variationen-Zyklus – 2012 spielte er Beethovens „Diabelli-Variationen“ und Rzewskis „The People United Will Never Be Defeated!“.

Mit der Akademie für Musikjournalismus unter der Leitung von Eleonore Büning (Frankfurter Allgemeine Zeitung) feierte ein neuer Bereich der Festival Akademie Premiere. Büning und die Mentoren Manuel Brug (Die Welt) und Sophie Diesselhorst (nachtkritik.de) arbeiteten sechs Tage lang intensiv mit vier herausragenden Nachwuchsjournalisten. Diese hatten die Möglichkeit, das Festival und insbesondere die Kammermusik Akademie hautnah zu begleiten und darüber zu berichten, Gespräche mit Künstlern und Programmmachern zu führen und über Musik und ihre Wirkung, aber auch über die sich verändernde Kultur- und Medienlandschaft zu diskutieren. Die während der Akademie entstandenen journalistischen Beiträge – u.a. ein Porträt von Markus Hinterhäuser, dem designierten Intendanten der Salzburger Festspiele und diesjährigen Musikpreisträger des „Heidelberger Frühling“ – finden sich in einem eigenen Blog: www.musik-journalismus.com.

Heidelbergs Tradition als Stadt des Liedes würdigte das Festival einmal mehr mit der Lied Akademie unter der Leitung von Thomas Hampson, die einen Schwerpunkt auf kammermusikalische Lied-Bearbeitungen legte. Als Dozenten waren neben Hampson Thomas Quasthoff, Ian Bostridge und Wolfram Rieger zu Gast. Hinzu kamen zahlreiche Liederabende und ein Spaziergang durch die Liedstadt Heidelberg mit Amarcord und der Germanistin Veronika Haas. Neue Wege ging der „Heidelberger Frühling“ mit dem Format „Lied.Lab“, bei dem junge Sängerinnen und Sänger an vier Abenden mit der Gattung experimentierten. Hierfür hatte u.a. Andrè Schuen gemeinsam mit seinen Eltern und dem Schwester-Cousinen-Trio Ganes einen Abend konzipiert, dessen Spektrum vom ladinischen Volkslied über das Kunstlied bis hin zum ladinischen Ethno-Pop reichte. Anna-Lucia Richter beschäftigte sich gemeinsam mit der Tänzerin Yael Schnell mit Kurt Weills „Die sieben Todsünden“.

Das „Lied.Lab“ ist nur eines der Formate, durch die sich der „Heidelberger Frühling“ mit unkonventionellen Präsentationsformen beschäftigt – ein Thema, dass das Festival seit jeher prägt. Auch mit der „MLP Late Night Lounge“ und den „After Work Concerts“ in einem ehemaligen Hallenbad wurde die ritualisierte Atmosphäre klassischer Konzerthäuser bewusst aufgebrochen und dem Besucher ein neuer Rezeptionskontext eröffnet.

Parallel zum Festivalprogramm organisierte der „Heidelberger Frühling“ die dritte Heidelberg Music Conference. Unter dem Titel „Die Kunst ist frei – aber wie lange noch?“ ging es um Fragen, die sich im Spannungsfeld von Ökonomisierungsdruck auf Künstler, Veranstalter, Verlage und Distributoren auf der einen Seite und künstlerischer Freiheit auf der anderen bewegen. Nach Gerard Mortier 2013 und Daniel Libeskind 2014 eröffnete dieses Jahr Peter Gelb, General Manager der Metropolitan Opera New York, die Fachtagung mit rund 150 Teilnehmern.

Mitschnitte und Live-Übertragungen der Sender SWR2, Deutschlandradio Kultur, Deutsche Welle und ARTE Concert sorgten auch in diesem Jahr dafür, dass zahlreiche Höhepunkte des „Heidelberger Frühling“ auch weit über die Grenzen Heidelbergs hinaus eine breite Zuhörerschaft fanden. Sendetermine finden sich auf der Festival-Homepage www.heidelberger-fruehling.de.

Der 20. „Heidelberger Frühling“ findet vom 2. bis zum 30. April 2016 statt. Das Programm wird im Oktober veröffentlicht.