Die aus Südkorea stammende Komponistin Younghi Pagh-Paan erhält den Preis der Europäischen Kirchenmusik 2015. Die Stadt Schwäbisch Gmünd ehrt sie mit dieser Auszeichnung für ihre herausragenden Verdienste um Komposition und Lehre zeitgenössischer Musik sowie für ihre musikalisch einzigartigen interkulturellen Visionen. Der Preis wird während des Festivals Europäische Kirchenmusik (17. Juli bis 9. August) am Mittwoch, 22. Juli, um 20 Uhr in der Augustinuskirche Schwäbisch Gmünd durch Oberbürgermeister Richard Arnold verliehen. Vor der Preisverleihung wird das international gefragte Vokalensemble Singer Pur zu Ehren der Preisträgerin ein Konzert geben: „Der Geist weht, wo er will“ – unter diesem Titel stehen neben einer Uraufführung und weiteren Werken von Younghi Pagh-Paan zeitgenössische Kompositionen und Musik der Renaissance auf dem Pro-gramm.

Die sechs Sänger von Singer Pur bringen Motetten von Nicolas Gombert, Palestrina, Orlando di Lasso und Salomone Rossi zu Gehör, neben zeitgenössischen Stücken von Ivan Moody und Sandeep Bhagwati. Im Mittelpunkt stehen Werke der Preisträgerin Younghi Pagh-Paan: Es erklingen die Vertonung eines koreanischen Gedichts („Die gelbe Erde“) sowie eine Uraufführung als Auftragskomposition des Festivals nach Psalmtexten und Reflexionen des chinesischen Philosophen Laotse („In deinem Licht, sehen wir: das Licht“). Weiterhin werden zwei markante Werke für Orgel und Violoncello aufgeführt: „Unterm Sternenlicht“ und „Augenblicke – Gebet“.

Der Preis der Europäischen Kirchenmusik ist mit 5.000 Euro dotiert. Seit 1999 zeichnet er hochrangige Interpreten und Komponisten für wegweisende Leistungen im Bereich der Geistlichen Musik aus. Zu den bisherigen Preisträgern gehören die Komponisten Petr Eben, Sofia Gubaidulina, Klaus Huber, Arvo Pärt, Krzysztof Penderecki, Dieter Schnebel und Hans Zender. Zu den Geehrten gehören ferner die Dirigenten Frieder Bernius, Marcus Creed, Eric Ericson und Helmuth Rilling, der französische Organist Daniel Roth, Kammersänger Peter Schreier, der Musikwissenschaftler, Dirigent und Komponist Clytus Gottwald und der Thomanerchor Leipzig. In diesem Jahr wird der Preis zum 17. Mal verliehen.


„Ich war immer anders …“
Younghi Pagh-Paans Bekenntnis zu ihrem Herkunftsland Korea und ihr musikalisches Konzept, Elemente traditioneller koreanischer Musik mit den Techniken „westlicher“ neuer Musik zu verbinden, spiegeln sich in ihren künstlerischen Produktionen wider, in denen etwas Individuelles, Besonderes, Einmaliges hervorsticht. Bewusst vereint sie in ihrem Schaffen Gegensätze, um die Welt perspektivisch zu erfassen: „In der Tiefe oder Dunkelheit ist nicht nur Schrecken und Tod, sondern auch Rettung und Licht. Das ist Glauben. Deshalb will ich das Licht suchen, in der Musik und im Leben.“ Die Frage nach dem Eigenen und dem Fremden löst sich auf, Religion und Kultur sind nicht an nationale Grenzen oder persönlichen Besitz gebunden; sie gehören allen Menschen, denn nach Younghi Pagh-Paan ist die „Grundlage jeder Kultur der Mensch“.

Younghi Pagh-Paan wurde 1945 in Cheogju (Südkorea) geboren. Bereits als Kind lernte sie sowohl westliche als auch traditionelle koreanische Musik kennen, die ihren frühen musikalischen Horizont prägte. Jahre später kamen ihr diese Erfahrungen wieder ins Bewusstsein, als sie die politischen Unruhen von 1968 als Musikstudentin an der Universität in Seoul miterlebte. Von da an war ihr klar, dass fortschrittliches Komponieren in Korea nicht bedeuten konnte, westliche Vorbilder zu imitieren, sondern dass eine neue koreanische Musik an die eigenen kulturellen Traditionen anknüpfen musste. Durch ein Stipendium des DAAD kam sie 1974 nach Deutschland, um ihre Studien bei Professor Klaus Huber an der Musikhochschule in Freiburg fortzusetzen. Im Anschluss war sie Stipendiatin der Heinrich-Strobel-Stiftung des Südwestrundfunks und 1985 Stipendiatin der Kunststiftung Baden-Württemberg. Mit ihrem Orchesterstück „Sori“ verschaffte sich Younghi Pagh-Paan 1980 bei den Donaueschinger Musiktagen breite öffentliche Anerkennung. Die Hauptlinien ihrer kompositorischen Ästhetik formulierte sie 1983 in ihrem Grundsatztext „Unterwegs: Reflexionen über meine Tätigkeit als Komponistin“. Nach Gastprofessuren an den Musikhochschulen Graz und Karlsruhe wurde Younghi Pagh-Paan 1994 zur Professorin für Komposition an die Hochschule für Künste Bremen berufen. Dort gründete sie das „Atelier Neue Musik“, das sie bis 2011 leitete. Younghi Pagh-Paan erhielt mehrere internationale Auszeichnungen, zuletzt aus ihrem Heimatland den „15th KBS Global Korea Award“. 2009 wurde sie zum Mitglied der Akademie der Künste Berlin gewählt, 2011 verlieh ihr der Senat der Freien Hansestadt Bremen die Senatsmedaille für Kunst und Wissenschaft. Ihre Schaffensdokumente werden in der Paul-Sacher-Stiftung in Basel aufbewahrt, ihre Kompositionen im Ricordi-Verlag Berlin publiziert.