Unter den Schlagworten „Ausbildung“, „Auswahl“ und „Arbeitsmarkt“ diskutierten am 26. und 27. Januar in der Hochschule für Musik und Tanz Köln Orchestermusiker, Studierende, Manager, Verbandsvertreter und auch Dirigenten über die Schnittstellen zwischen Ausbildung und Berufsfeldern. Erstmals hatten sich die Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen, die Deutsche Orchestervereinigung und der Deutsche Bühnenverein zu einer gemeinsamen Veranstaltung dieses Zuschnitts zusammengefunden.

Sowohl Rektor Heinz Geuen als auch Kulturministerin Ute Schäfer wiesen bei der Begrüßung nur zu gerne auf die Kooperation hin. Beide freuten sich auch darüber, dass das deutsche Orchesterwesen in die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes Eingang gefunden hat, und mit Stolz verwies Ute Schäfer darauf, dass NRW allein drei Landesorchester, zwei Rundfunkorchester, 13 kommunale Orchester und eine Fülle von Ensembles und Orchestern in freier Trägerschaft aufweisen kann. Von letzteren haben einige Ensembles Weltruf, namentlich nannte sie die Musikfabrik als Spezialensemble für Neue Musik und Concerto Köln als Spezialensemble für Alte Musik.

Dass die Zahl der Orchester in Deutschland zurückgeht, kann nicht verdecken, dass diese kulturelle Infrastruktur weltweit nach wie vor einmalig ist. Dass es gleichwohl ein Missverhältnis zwischen der Zahl der Hochschulabsolventen und der sehr viel kleineren Zahl an Orchestervakanzen gibt, das sahen auch Heinz Geuen und Ute Schäfer als problematisch an. Die Ministerin begrüßte deshalb den Ansatz der Tagung und den Willen der Veranstalter hier selbständig Lösungsansätze zu finden. Keineswegs wolle die nordrhein-westfälische Landesregierung in den Hochschulen eine Planwirtschaft einrichten, um das Missverhältnis aufzulösen.

Im Eröffnungsvortrag warf Holger Noltze Schlaglichter auf „das Musikland Deutschland im Winter“, wie er seinen Vortrag betitelte: Kritisch ging er sowohl mit Befürwortern als auch Kritikern der Förderung solcher Kultureinrichtungen ins Gericht, riet vom bloßen Artikulieren eines grundsätzlichen Unbehagens über Kulturausgaben ab und regte vielmehr ein grundsätzliches Nachdenken an. Aus der Misere helfe weder Jammern noch trotziges Weitermachen. Vielleicht sollte man eher darüber nachdenken, warum und wozu eine Musik für die Gesellschaft gut ist? Die Fähigkeit zuzuhören werde in der Welt von morgen eine Schlüsselkompetenz sein, und an der Frage, ob man mit Neuem und mit Fremdem umgehen könne, werde sich viel entscheiden. Die Antwort ‚wozu und für wen’ müsse immer ‚für alle’ lauten – nicht etwa, um das Motto „Kultur für alle“ der 1970er Jahre aufleben zu lassen, sondern als eine Haltung, mit der ‚Musikbesitzer’ mit denen kommunizieren, die in der Jugend kein Instrument erlernten oder musikalische Erfahrungen machten.

In der Diskussion pflichtete ihm Rolf Bolwin vom Deutschen Bühnenverein bei: Vor der Frage, wie Orchester ihre Konzerte vermitteln, müssten sie die Frage klären, was sie eigentlich insgesamt wollten und darüber dann mit ansteckender Begeisterung reden. Dass dieser Begeisterung manches Mal die Routine der Orchesterarbeit entgegen steht, themasierte das Panel Ausbildung, auf dem Robert Ehrlich, Leipzig, Anne-Cathérine Heinzmann, Frankfurt, und Susanne Rode-Breymann, Hannover, mit Moderator Michael Struck-Schloen diskutierten. Einig waren sie sich darin, dass die Musikhochschulen den Auftrag hätten, einen jungen Menschen zu bilden, und erst zweitrangig, diesen auszubilden. Erst, wenn seine Erwartungen mit den Realitäten nichts zu tun haben sollten, müssten sie relativierend auf ihn einwirken. Rode-Breymann vertraut dabei mehr als die anderen auf die natürliche Entwicklungsfähigkeit der Menschen, die in der multikulturellen Umgebung der Hochschulen begünstigt werde. Aus dem Publikum bestärkte sie später Thomas Rietschel, Frankfurt, darin. Eine Schlüsselrolle zwischen Studium und Beruf kommt Orchesterakademien zu. Die Hannoveraner Hochschule gründet derzeit eine Akademie zusammen mit dem NDR, eine solche betreiben auch die Leipziger Hochschule und das Gewandhausorchester, während die Hochschule für Musik Nürnberg seit dem Wintersemester 2014/15 einen auf die Ausbildung zum Orchestermusiker ausgelegten Masterstudiengang in Kooperation mit der Akademie der Staatsphilharmonie Nürnberg anbietet.

In einer ersten Runde zum Arbeitsmarkt diskutierten Rolf Bolwin (Deutscher Bühnenverein) und Hartmut Karmeier (Deutsche Orchestervereinigung) miteinander. Bolwin wies darauf hin, dass der größte Teil der angestellten Orchestermusiker im Opernbereich tätig ist. Die Ausbildung müsse das berücksichtigen. Dieser Bereich verändert sich vor allem im Ensemble-Theater. Die Arbeitsplätze werden weniger stabil werden, Musiker an mehreren Standorten spielen, die Selbstvermarktung wichtiger werden. Der Tarifvertrag sei schon flexibler geworden und werde es noch mehr werden. Hier hakte Karmeyer ein. Er kämpft für akzeptable Arbeitsbedingungen, für Verlässlichkeit und gegen den Rückgang der Stellen: Etwa 1000 Absolventen würden jährlich auf den Arbeitsmarkt drängen, die sich 2014 um 127 Stellen bewarben. Auf einen Musiker, der eine Stelle bekommt, kommen 6 oder 7, die leer ausgehen. Die geforderte Flexiblität sei von den meisten Orchestern längst erbracht worden. Viele Orchestermusiker sind zudem verpflichtet, an Musikschulen zu arbeiten oder im Education Bereich tätig zu sein.

In der zweiten Runde zum Arbeitsmarkt diskutierten Intendantin Barbara Mundel sowie die Musiker Konrad Metz (Soloflötist Heidelberg) und Nora Krahl (Cellistin, Berlin), letztere stand für die freie Szene. Konrad Metz bekannte, dass Orchestermusiker in der Regel Musiker sein wollen, wofür sie auch ausgebildet wurden. Die Anforderungen der Kulturellen Bildung machen vor keinem halt, Kindergärten und Schulen sind neue Einsatzorte. Die Arbeit ist wichtig, denn über die Education Arbeit erreiche man auch die Eltern der Kinder, die oft den Kontakt zur Orchesterkultur verloren haben. Nora Krahl entwarf mit ihrem Werdegang das Berufsbild des Musikers in der freien Szene. Anfangs wollte sie zwar Orchestermusikerin werden, doch dann wurden ihr Neue-Musik-Projekte wichtiger. Krahl schreibt viele Förderanträge und nutzt ein umfangreiches Netzwerk. Um dahin zu kommen, so meinte sie, bräuchte man aber einen langen Atem. Auf der Hochschule lerne man das nicht. Einmal machte sie auch ein Probespiel, um die Situation kennenzulernen.

Der Sinn und die Anforderungen der Probespiele zogen sich quer durch alle Diskussionen. Im Gespräch zwischen Thomas Bäurle, dem Manager des Staatsorchesters Stuttgart, und Annelie Haenisch-Göller, der Stellvertretenden Solobratschistin der Duisburger Philharmoniker und Sprecherin der Orchesterkonferenz NRW, erwies sich das Probespiel letztlich doch als das Instrument der Zeit: Mit Nachteilen behaftet, doch ohne eine Alternative. Bäurle betonte aber, wie wichtig es sei, dass die Kriterien vor dem Probespiel geklärt seien. Wen wollen wir einstellen? Der Musiker komme im Alter von vielleicht Mitte zwanzig und bliebe vierzig Jahre. Er müsse nicht nur gut spielen können, sondern für den Typ des Orchesters geeignet sein. Die Hochschulen müssten klar machen, welche Unterschiede es gebe und wer sich für welches Orchester eigne. Für Bäurle muss das Probespiel auch erweisen, ob der Musiker sein Unternehmensziel mit trägt. Annelie Haenisch-Göller ergänzte, dass das Probejahr manche dieser Fragen klären und insbesondere die Sozialkompetenz erweisen könne, was allerdings Bäurle bezweifelte.

Die Tagung teilte sich sodann zur Klärung von Spezialfragen in Arbeitsgruppen auf, zudem entstanden Meinungsbilder im Rahmen eines Worldcafés, die zu Beginn des zweiten Tages vorgestellt wurden. Auch präsentierten Mitglieder der Jungen Deutschen Philharmonie die Ergebnisse einer Umfrage, die sie in ihren Reihen durchgeführt hatten. Christian Fausch, Geschäftsführer der Jungen Deutschen Philharmonie, und Miriam Schmaderer vom Orchestervorstand stellten sich der Diskussion. Bei dem Orchester handelt es sich um eine Ausbildungsphilharmonie als Ergänzung zum Studium. Alle ca. 250 Mitglieder sind an einer deutschen Musikhochschule eingeschrieben. Nur ein Drittel von ihnen beantwortete die Fragen, die sich auf die Themengebiete Musik und Instrument, Körper und Geist, Info und Management richteten. Insgesamt sehen sich die Studierenden, so Christian Fausch, an ihrem Instrument gut ausgebildet. In Fragen des praktischen Orchestermusikerlebens und der Vorbereitung darauf fühlen sie sich eher alleine gelassen. Auffallend sei auch ein geringer Kontakt vieler Studierender zur Neuen Musik. In der Diskussion mit Mitgliedern der Philharmonie wurde ein gerüttelt Maß an Skepsis gegenüber der Orchesterarbeit deutlich. Die Freiheit im Orchester sei schon sehr viel geringer als beim Freiberufler oder Solisten, die Bürokratie groß und die individualistischen Charaktere müssten sehr auf sich aufpassen.

Deutlich wurde erneut, wie wichtig heute die Bindeglieder zwischen Studium und Beruf geworden sind, seien es Akademien oder Kooperationen zwischen Orchestern und Ausbildungsstätten anderer Art. Was wird sich nun ändern mit den Orchestermusikern, fragte Michael Struck-Schloen in der Abschlussdiskussion Christoph Dittrich, Dirk Kaftan, Hartmut Karmeier, Susanne Rode-Breymann und Miriam Schmaderer. Folgt man deren Ausführungen, so wird das Einiges sein: Vor allem soll der Beruf noch interessanter werden, auch, was die Gestaltung der Tarifverträge und damit die Möglichkeiten, den Lebensunterhalt als Orchestermusiker zu bestreiten, betrifft, so Hartmut Karmeier. Orchester müssen sich immer wieder neu legitimieren. Und ein Profil stand vor Augen: Eine ideale Absolventin für ein Orchester soll technisch virtuos, mit Solokonzertkenntnis, mit Kenntnis der Probespielstellen inklusive des Wissens um den musikhistorischen Gesamtzusammenhang, mit Erfahrung in der historischen Aufführungspraxis, mit Kenntnissen rund um die Neue Musik sowie mit pädagogischen Fähigkeiten ausgestattet sein.

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