Die Oper Leipzig trauert um Prof. Joachim Herz. Die „Meistersinger"-Premiere zum 50jährigen Jubiläum des Leipziger Opernhauses am 9. Oktober hat er noch besucht – geistig frisch und regsam wie immer, doch von schwerer Krankheit gezeichnet. Kollegen, die ihn an diesem Abend begrüßten, konnten nicht ahnen, dass sie ihn zum letzten Mal sehen würden. Am Montag, dem 18. Oktober, verstarb Joachim Herz im 86. Lebensjahr.

Am 9. Oktober 1960 hatten seine „Meistersinger" zur Eröffnung des neu erbauten Leipziger Opernhauses Premiere und als Gegenentwurf zu Wieland Wagners Neu-Bayreuth für Verblüffung gesorgt, diesseits und jenseits des Atlantiks: als pralle Renaissance-Komödie im szenischen Rahmen einer Hans-Sachs-Bühne.

In den 19 Jahren seiner Leipziger Tätigkeit hat er in bahnbrechenden Inszenierungen die Methode des Musiktheaters wie sie Walter Felsenstein an der Berliner Komischen Oper entwickelte, auf die Bedingungen eines Repertoiretheaters übertragen, mit einem Spielplan, der alle wesentlichen Epochen der Operngeschichte umfasste. Kaum eine Premiere ereignete sich, ohne dass die internationale Presse anwesend war. Seine Leipziger Inszenierungen gingen auf Gastspielreisen durch ganz Europa. Er selbst arbeitete als Opernregisseur auf allen großen Bühnen der Welt.

1957 wurde Joachim Herz an das Leipziger Opernhaus engagiert, schon mit Blick auf das neu zu eröffnende Haus, dessen Operndirektor er 1959 bis 1976 war. Diese Epoche ist als „Ära Herz" in die Leipziger Operngeschichte eingegangen, gekrönt durch die in den Jahren 1973 bis 1976 mit dem Bühnenbildner Rudolf Heinrich geschaffene Neuinterpretation von Wagners „Ring des Nibelungen". Entgegen aller bisherigen Rezeptionsgeschichte wurde das Werk nicht als altgermanischer Mythos, sondern als Parabel auf die kapitalistische Geld- und Profitwelt des 19. Jahrhunderts gesehen.

Als Nachfolger Walter Felsensteins leitete er bis 1981 die Komische Oper und wirkte dann bis 1991 als Chefregisseur der Dresdner Staatsoper, deren wiedererrichteten Semperbau er 1985 mit Webers „Freischütz" eröffnete. 1992 ist er noch einmal an den Ort seines früheren Wirkens zurückgekehrt und inszenierte an der Leipziger Oper „Le Grand Macabre" von Ligeti.

Joachim Herz war einer der bedeutendsten und wirkungsmächtigsten Operregisseure der letzten 50 Jahre. Das Musiktheater der DDR hat er entscheidend geprägt, und nachhaltig war auch sein Einfluss auf das Musiktheater in der Bundesrepublik, wo er seit den 60er Jahren kontinuierlich arbeiten konnte. So mancher der heute noch tätigen großen Opernregisseure betrachtet sich als seinen Schüler.

Lehrtätigkeit war ein weiterer Schwerpunkt im Leben von Joachim Herz. 1976 erhielt er eine Professur an der Leipziger Universität. Bis in sein hohes Alter hielt er Vorlesungen und Seminare an Universitäten in Europa und Übersee und war Generationen von Operninteressierten ein streitbarer Gesprächspartner.

Es ist wie ein Symbol dieses erfüllten Lebens, dass es Joachim Herz vergönnt war, die Premiere desselben Stückes mitzuerleben, mit dem er genau 50 Jahre zuvor dasselbe Haus eröffnet hat.