Zum 205. Geburtstag von Felix Mendelssohn Bartholdy (Montag, 3. Februar 2014) öffnet das letzte baulich erhalten gebliebene Wohnhaus des Komponisten in der Goldschmidtstraße 12 nach zehnmonatiger Umbauphase wieder seine Pforten. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, Prof. Sabine von Schorlemer (Sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst), Michael Kretschmer (MdB, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für Bildung, Forschung, Kunst, Kultur und Medien) und der Urenkel von Felix Mendelssohn Bartholdy, Dr. Thomas Wach, sowie der Herausgeber des Mendelssohn-Werkverzeichnisses, Dr. Ralf Wehner, zählten zu den ersten Gästen, die das interaktive Museum am Montagvormittag besuchten. Es erstreckt sich über eine Gesamtfläche von rund 900m, bestehend aus zwei Etagen und einem Gartenhaus. Hier werden nahezu alle Facetten des Komponisten, Dirigenten, Instrumentalisten, Malers, Reisenden, Briefkorrespondenten, gesellschaftlich und sozial Engagierten sowie des Familienmenschen und Liebhabers für musikalische Späße und Süßspeisen aufzeigt.
„Seit 15 Jahren zeigen wir dem Besucher im ersten Obergeschoss des Museums die Welt des 19. Jahrhunderts in historisch authentischer Atmosphäre, mit originalen Möbeln von Mendelssohn, ergänzt mit einigen Ausstellungsstücken und informativen Texten sowie den sonntäglichen Matineekonzerten im Musiksalon. Für uns ist es nun entscheidend, dieses historische Erbe mit Hilfe der uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts zu bewahren und dem Publikum noch intensiver erlebbar zu machen. Die Räume des Erdgeschosses haben wir so lebendig gestaltet, dass man sich Dank technischer Raffinessen unserer Zeit der Musikwelt von Mendelssohn nähern und umfassend mit dem Leben und Werk des Komponisten auseinandersetzen kann“, so Jürgen Ernst, Direktor des Mendelssohn-Hauses und Geschäftsführender Vorstand der Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Stiftung. Die Entwürfe für die Einrichtung des neuen Museumsbereichs stammen vom Berliner Büro „Bertron Schwarz Frey“.
Pünktlich zur Neueröffnung erhielt die Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Stiftung drei MendelssohnOriginale aus dem Nachlass von Cécile Lowenthal Hensel, der Urenkelin von Felix’ Schwester Fanny Hensel. Der Erbe Hendrik Kübler überreichte Jürgen Ernst ein von Mendelssohn gemaltes Aquarell, zwei Kerzenleuchter mit den Initialen „FMB“ als Dauerleihgabe sowie ein Büchlein von Homer (Odyssea, Leipzig 1839) in griechischer Sprache als Schenkung. Das bislang unbekannte Aquarell „Comer See, Blick auf Cadenabbia“ konnte erst durch Recherchen von Museumsleiterin Cornelia Thierbach und Dr. Ralf Wehner (Sächsische Akademie der Wissenschaften) zugeordnet werden. Es galt lange Zeit als verschollen und war bisher nur mittels eines Eintrages vom 23. Juni 1837 im Hochzeitstagebuch überliefert. Dort schrieb Felix’ Ehefrau Cécile: „Morgens früh’ Zeichenstunde. Die Hitze, der Geruch der Farben und das Pallettehalten, machen mich so müde, daß ich alle Augenblicke aufhören muß, während Felix sehr eifrig an seiner Caddenabbia malt.“ Eine Bleistiftskizze zu dem Bild liegt in der Bodleian Library Oxford und ist von Mendelssohn mit „22. Juli 1831“ datiert.
Finanziert wird die 1,5 Millionen teure Museumerweiterung mit Mitteln des Bundes, des Freistaates Sachsen, der Stadt Leipzig, der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Sparkasse Leipzig, der Stiftung „Leipzig hilft Kindern“ und Eigenmitteln der Stiftung. Zudem erhielt das Projekt Unterstützung durch den Mitteldeutschen Rundfunk.
Zu den Attraktionen des neuen Museumsbereichs zählt neben der 3-D-Projektion des Leipziger Mendelssohn-Denkmals (Pepper’s Ghost) das weltweit einzigartige „Effektorium“, das durch die Förderung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Sparkasse Leipzig umgesetzt werden konnte. Mittels einer aufwändigen Installation von 13 Lautsprechern, die jeweils eine Instrumentengruppe „verkörpern“, kann der Besucher selbst zum Dirigenten werden. Von einem digitalen Dirigentenpult mit Partitur aus lassen sich Tempo, Lautstärke und Raumlichteffekte regulieren, Instrumenten- bzw. Stimmgruppen einzeln hervorheben und Interpretationen vergleichen. Die Konzertouvertüre zum Sommernachtstraum und der Finalsatz aus der Reformationssinfonie wurden extra für das Effektorium mit historischen und modernen Instrumenten unter der Leitung von David Timm (Leipzigs Universitätsmusikdirektor) eingespielt. Der Universitätschor Leipzig sang die beiden Lieder „O Täler weit, o Höhen“ und „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ ein.
Neue Dimensionen in der Präsentation von Exponaten setzt die 5m breite und knapp 4m hohe Paternostervitrine. Insgesamt 40 Ausstellungsstücke (Noten, Briefe, Münzen, Gegenstände von Mendelssohn und aus der Zeit sowie Dokumente aus dem Klingemann-Nachlass) rotieren vor den Augen der Besucher. Die dazugehörigen Beschreibungen sind auf iPads aufzurufen. Außerdem bietet eine Bibliothek Bücher, Notenmaterial und audiovisuelle Informationen zu Felix Mendelssohn Bartholdy. Auf sechs iPads lässt sich u.a. die digitale Notenbibliothek einsehen. Der gesamte Bestand der umfangreichsten Sammlung von Erst- und Frühdrucken, die sich seit 2009 im Besitz des Mendelssohn-Hauses befindet, wird schrittweise digitalisiert.
Außergewöhnlich sind auch die Präsentationsmöbel in schwarzem Klavierlack. Das im Stile des 19. Jahrhunderts gefertigte Mobiliar weckt die Neugier der Besucher. Informationen und Ausstellungsstücke sind in beleuchteten Schubladen und Schränken versteckt. Themenschwerpunkte in der Beletage sind u.a. Familie, Vorbilder, Zeitgenossen, Mendelssohn als Maler und Europäer sowie Leipzig im 19. Jahrhundert. Das erste Obergeschoss ist seit 1997 in seiner originalen Fassung wiederhergestellt und umfasst u.a. das Arbeitszimmer in rekonstruierter Ausstattung nach einem Aquarell von Felix Moscheles, zwei Kabinette mit originalen Möbeln und den Musiksalon.
Das Mendelssohn-Haus erweitert ebenfalls das museumspädagogisches Angebot. Spezielle Veranstaltungen und Workshops in Zusammenarbeit mit Ritornell Musikvermittlung richten sich an Kinder, Jugendliche und Senioren. Für junge Entdecker entstand in der Remise ein eigenes Kindermuseum. Unterstützt wurde das Projekt durch die Stiftung „Leipzig hilft Kindern“.
Im neu gestalteten Raum für Dauerausstellungen ist ab dem 3. Februar die vielbeachtete Ausstellung „Blut und Geist – Bach, Mendelssohn und ihre Musik im dritten Reich“ des Bachhauses Eisenach zu sehen. Sie widmet sich eindringlich einem dunklen Kapitel der Musikgeschichte und verdeutlicht dessen Auswirkungen, die bis in die 1980er Jahre reichten. Bis zum 31. August stellt Bachhaus-Direktor Dr. Jörg Hansen die Ausstellung dem Mendelssohn-Haus zur Verfügung.
Das Wohnhaus in der heutigen Goldschmidtstraße 12 (früher Königsstraße 5) wurde 1844/45 errichtet. Mendelssohn lebte in der Beletage von 1845 bis zu seinem Tod 1847 mit seiner Frau Cécile und seinen fünf Kindern, Carl, Marie, Paul, Felix und Elisabeth (Lili). Louis Spohr beschreibt die Wohnung nach einem Besuch im Juni 1846: „In ihrer Einrichtung und ganzem Wesen herrscht neben allem Luxus und Reichthum eine so reizende Anspruchslosigkeit, daß man sich sehr wohl dabei befinden muß.“ Nachdem Cécile den Wohnsitz 1848 auflöste, mietete u.a. von 1867-1874 der Musikalienverlag Carl Friedrich Peters die 1. Etage. 1993 wurde das Haus durch die FelixMendelssohn-Bartholdy-Stiftung käuflich erworben und so vor dem Verfall gerettet. Seit 1997 ist das Museum ein einzigartiges Zentrum zur Bewahrung und Pflege des Mendelssohnschen Erbes. Über 40.000 Gäste werden jährlich aus der ganzen Welt begrüßt. Das Mendelssohn-Haus wurde in das Blaubuch der Bundesregierung als ein „Kultureller Gedächtnisort mit besonderer nationaler Bedeutung“ aufgenommen.
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