Preußischer Regierungsbeamter und Jurist, vor allem aber Literat, Zeichner, Dirigent, Musikschriftsteller und Komponist: E.T.A. Hoffmann (1776 - 1822) ist eine der vielseitigsten und schillerndsten künstlerischen Persönlichkeiten des beginnenden 19. Jahrhunderts. Er gilt als Wegbereiter der musikalischen Romantik und der modernen Musikkritik. Da sich sein Todestag zum 200. Mal jährt, widmen ihm einige Berliner Institutionen Veranstaltungen, so auch das Staatliche Institut für Musikforschung.

Als Literat bereits zu Lebzeiten eine Berühmtheit, war Hoffmann als Musiker und Komponist weniger erfolgreich. Abgesehen von einigen Instrumentalwerken, darunter Klaviersonaten und eine Sinfonie, galt Hoffmanns kompositorisches Interesse der Vokalmusik: Neben Kirchenmusik und kleineren Gelegenheitsarbeiten schrieb er zahlreiche Bühnenwerke, vom frühen Singspiel Die Maske (1799) bis zur Zauberoper Undine (1814), die bis heute gespielt wird. Auf Basis unseres Sammlungsbestands widmen wir uns mit der Spotlight-Ausstellung den Musikinstrumenten, die in Hoffmanns Schriften von Bedeutung sind und von denen eine starke Wirkung bis in die Gegenwart ausgeht.

Faszination Automaten

In Blitzlichtern beleuchten wir unsere Dauerausstellung mit Fokus auf Hoffmanns Faszination für Musikautomaten. Dies ist ein zentraler Topos seines literarischen Schaffens bis heute – man denke nur an den Androiden Olimpia aus Der Sandmann, die in der Erzählung eine Bravourarie in schneidender Glasglockenstimme, aber im „unangenehm richtigen geistlosen Takt der singenden Maschine“ vorträgt. Oder die für die Protagonisten gleichermaßen faszinierenden wie abstoßenden Musikautomaten, die in Hoffmanns Erzählung Die Automate Diskussionen über die „Starre der Maschinenmusik“ auslösen. Einen Gegenpol bilden jene „geheimnisvollen Laute der Natur“, deren Nachhall aus der geheimnisvollen Tiefe dieser Urzeit die „Sphärenmusik“ ist. Als Beispiel für die ideale Klangästhetik der Romantik, die gerne als ätherisch und übersinnlich beschrieben wird, stellen wir eine Physharmonika von Friedrich Kaufmann & Sohn (Kat.-Nr. 4913) aus. Dies ist im Übrigen eine der berühmten Automatenbauerfamilien aus Dresden. Darüber hinaus können zahlreiche Musikautomaten des Musikinstrumenten-Museums im Rahmen der Ausstellung nicht nur besichtigt, sondern auch über den Digitalen Museumsguide gehört werden

„Das Streben der Mechaniker, immer mehr und mehr die menschlichen Organe zum Hervorbringen musikalischer Töne nachzuahmen oder durch mechanische Mittel zu ersetzen“ als erklärter „Krieg gegen das geistige Prinzip“, wie es in Die Automate heißt, wird gut 100 Jahre nach Hoffmanns Tod erneut zum ästhetischen Politikum und kehrt als Kritik am Technizismus elektronischer Musikinstrumente schon in den 1930er-Jahren zurück. Bis in die Gegenwart entfacht es angesichts digitaler Instrumente, singender Androiden und komponierender Computerprogramme heftige Debatten. Das Musikinstrumenten-Museum zeigt zu diesem Thema Synthesizer-Systeme wie den EMS VCS 3 (Kat.-Nr. 5253) und das Sample-Instrument Mellotron (Kat.-Nr. 6111).

Einen zweiten Schwerpunkt der Spotlight-Ausstellung bilden Musikinstrumente des 19. Jahrhunderts. Darunter ein Flügel von Kisting & Sohn, der in Hoffmanns Irrungen – Fragment aus dem Leben eines Fantasten (1820) Erwähnung findet, sowie eine Harfe von Pierre Krupp, die gemeinsam mit Berliner Streichinstrumenten einen Bezug zu E.T.A. Hoffmans Harfenquintett herstellt.

Der instrumentenkundliche Ansatz der Ausstellung wird ergänzt durch Informationen zu Hoffmanns musikkritischem Schaffen sowie durch eine interaktive Karte, mit der sein Leben und sein kulturelles Umfeld in Berlin erkundet werden kann.

Zahlreiche Veranstaltungen begleiten die Ausstellung: Die Reihe SIM-Science ist dieses Jahr den Themen Automaten und elektronische Musikinstrumente gewidmet. Zum Internationalen Museumstag zeigt ein Theremin-Workshop für Kinder und Familien, wie die unsichtbare Kraft elektromagnetischer Felder die Bewegungen unserer Hände zum Klingen bringt. Zum Abschluss des E.T.A.-Hoffmann-Jahres beleuchtet im November 2022 ein zweitägiges wissenschaftliches Symposium unter dem Motto „Zeitgenosse Hoffmann – Im Spannungsfeld von mechanischer und künstlerisch-individueller Musikproduktion“ die Rezeption E.T.A. Hoffmanns in der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts.

Ausstellungseröffnung am 5. Mai 2022 um 17 Uhr

Bei der Ausstellungseröffnung am 5. Mai spricht die Direktorin des Staatlichen Instituts für Musikforschung Rebecca Wolf, Museumsdirektorin Conny Restle liest aus E.T.A. Hoffmann-Texten. Der Pianist stefanpaul spielt neben der 3. Klaviersonate in f-Moll von E.T.A. Hoffmann eine Hommage à E.T.A. Hoffmann des zeitgenössischen Pianisten Horst Lohse: Valses sentimentales et tristes. Beim anschließenden Ausstellungs-Pitch führen die wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen des SIM in die einzelnen Themenbereiche ein.

Musikinstrumenten-Museum
Staatliches Institut für Musikforschung
am Kulturforum Berlin
Eingang: Ben-Gurion-Straße
Telefon: 030 254 81-178
Mail: kasse@mimpk.de
Internet: www.simpk.de

Öffnungszeiten
Dienstag, Mittwoch, Freitag: 9 – 17 Uhr
Donnerstag: 9 – 20 Uhr
Samstag, Sonntag: 10 – 17 Uhr
Montag geschlossen
Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 3 Euro

Termine

5. Mai 2022, 17 Uhr, Vernissage
Zeitgenosse Hoffmann? – E.T.A. Hoffmann und die Musik
Begrüßung: Rebecca Wolf, Direktorin des Staatlichen Instituts für Musikforschung
Lesung: Conny Restle, Direktorin des Musikinstrumenten-Museums
Musik: stefanpaul (Klavier) spielt Werke von E.T.A. Hoffmann und Horst Lohse
Ausstellungs-Pitch: Thea Beger, Christian Breternitz, Benedikt Brilmayer, Simone Hohmaier, Heinz von Loesch, Conny Restle, René Wallor, Rebecca Wolf

12. Mai 2022, 19 Uhr, SIM-Science
Unheimliche (Musik-)Automaten. E.T.A. Hoffmann und das Verhältnis von Mensch und Maschine
mit Benjamin Schlodder, E.T.A. Hoffmann Portal, Staatsbibliothek zu Berlin
Der Romantiker E.T.A. Hoffmann war wie viele seiner Zeitgenossen fasziniert von Musikautomaten. In seiner Erzählung Die Automate (1819) beschäftigt ihn u. a. die Frage, ob automatische Musikinstrumente in der Lage wären, menschliche Musiker zu ersetzen. Auch die berühmte unheimliche Erzählung Der Sandmann (1816) thematisiert mit der Puppe Olimpia das Verhältnis von Mensch und Maschine. Hoffmanns Fragen sind aktueller denn je: Heute beschäftigen uns künstliche Intelligenz, Roboter und Cyborgs.

15. Mai 2022, Internationaler Museumstag
14 Uhr: Theremin-Workshop für Kinder und Familien
mit Carolina Eyck, Preisträgerin ECHO Klassik 2015
Das berührungslos zu spielende Theremin fasziniert uns bis heute. Bei einem Theremin-Workshop für Kinder und Familien am 15. Mai erklärt Carolina Eyck, wie dieses magisch anmutende Instrument funktioniert. Sie bringt Weltraummusik ins Museum, träumt von musizierenden Robotern und lädt dazu ein, eigene Klänge am Theremin auszuprobieren.

15.30 Uhr: Theremin-Performance „Thetis 2086“
mit Carolina Eyck
Die Komponistin und Meisterin des Theremins veröffentlicht mit Thetis 2086 ein Album über die Schönheit der Erde und ihre Fragilität. Dafür nimmt sie die Perspektive eines extraterrestrischen Besuchers des fiktiven Planeten Thetis 2086 ein. Sie zeigt die Klangbreite des Theremins, vereint elektronische und vokale Elemente und thematisiert parallel eines der dringendsten gesellschaftlichen Probleme der Gegenwart.

16 Uhr: SIM-Science
Faszination des Unsichtbaren. Elektrizität bei E.T.A. Hoffmann und Lev Termen
mit Rebecca Wolf, Staatliches Institut für Musikforschung
Das Spiel mit dem Theremin erfolgt nicht nur berührungslos, sondern wir spielen augenscheinlich mit dem Unsichtbaren. Tatsächlich geschieht dies aber mit elektrischen Schwingkreisen. Vor gut hundert Jahren wurde dieses Instrument vom Physiker Lev Termen erfunden und ist seither Quelle für Musik, die geheimnisvoll, überirdisch oder gar unheimlich erscheint. Was hat es mit Elektrizität in der Kunst und Aufführung von Naturphänomenen auf sich? Hierzu sollen die Schriften E.T.A. Hoffmanns zurate gezogen werden, der sich weitaus nicht nur mit Musikautomaten seiner Zeit beschäftigt hat, sondern auch mit der Wirkung des Elektrischen. Die Romantik war auch die Zeit der frühen Elektrisiermaschinen, des Magnetismus und Mesmerismus. Welche Verbindungen lassen sich über die Beschäftigung mit dem Unsichtbaren ziehen?

23. Juni 2022, 19 Uhr, SIM-Science
Von Sphärenmusik und Elektronen
mit Benedikt Brilmayer, Musikinstrumenten-Museum
Die künstlerischen Fragen, die E.T.A. Hoffmann anhand von Musik-Automaten in seinen literarischen Werken aufwirft, schwingen bis in die heutige Musik nach. Kann ein solch mechanisches Werk tatsächliche Kunst hervorbringen? Oder regiert nicht der Technizismus über die Kunst? Sind elektronische Instrumente tatsächlich ‚Musik‘-Instrumente oder bloße Spielereien einer medialen Welt? Können Elektronen die Sphären der Kunst überhaupt erklingen lassen, oder bleibt dies die Domäne der kreativen Künstler:innen?

11./12. November 2022, Symposium
Zeitgenosse Hoffmann – Im Spannungsfeld von mechanischer und künstlerisch-individueller Musikproduktion
Im Mittelpunkt des (musik-)wissenschaftlichen Symposiums steht zum einen die Rezeption E.T.A. Hoffmanns und seiner literarischen Produktion in der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, zum anderen werden sich die Vorträge im Anschluss an den Topos der Musikautomaten mit dem gerade für die aktuelle Musikproduktion maßgeblichen Spannungsfeld zwischen „mechanischer“ Musikproduktion und -wiedergabe auf der einen und künstlerisch-individueller Komposition bzw. Interpretation auf der anderen Seite auseinandersetzen.

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