Die Musikhochschule Lübeck (MHL) hat zum Wintersemester 2023/24 ein neues Projekt gestartet, das die Wirkung musikalischer Betätigung im Jugendarrest erforscht. Damit wird hier erstmalig aus musikpädagogischer Perspektive eine gesellschaftliche Gruppe in den Blick genommen, die überwiegend einem bildungsfernen Milieu entstammt und laut Studien kaum Zugang zu kulturellen Bildungsangeboten erhält.
Bereits 2022 hat die MHL, vertreten durch Musikpädagogik-Professorin Annette Ziegenmeyer, eine Kooperation mit der Jugendarrestanstalt (JAA) Moltsfelde initiiert. Studierende eines ihrer musikpädagogischen Seminare entwickeln dabei jedes Semester musizierpraktische Angebote im Bereich der „Community Music“, die sie im Rahmen einer Projektwoche mit einer Gruppe straffällig gewordener Jugendlicher in Moltsfelde umsetzen. Sie erarbeiten gemeinsam konkrete Ergebnisse, so sind unter anderem Songs entstanden, die die Jugendlichen unter Anleitung der Studierenden selber konzipierten, texteten, sangen und sogar instrumental begleiteten. Alle Beteiligten konnten durch die Projektwochen, die unter dem Motto „Perspektivwechsel“ standen, neue Erfahrungen sammeln.
Durch die Förderung der Possehl-Stiftung mit 180.000 Euro kann nun ein dreijähriges Forschungsprojekt starten, das diese musikpädagogische Arbeit begleiten soll. Es befasst sich mit der Frage, inwieweit der Jugendarrest ein Ort kultureller Bildung darstellen und damit in die kulturelle Infrastruktur des Landes Schleswig-Holstein integriert werden kann. Jugendlichen und Heranwachsenden, die durch kulturelle Bildung bisher kaum erreicht wurden, können so möglicherweise neue Zugangsmöglichkeiten eröffnet und Musik als Teilaspekt in ihrer Resozialisierung verankert werden. „Die Jugendlichen können Musik als ein Mittel erleben, durch schwierige Lebensphasen hindurchzukommen. Sie lernen dabei eigene Grenzen zu überwinden und wieder positive Selbstwirksamkeit zu erleben“, fasst Annette Ziegenmeyer ihre durchweg positiven Erfahrungen zusammen. Julia Peters, die das neue Forschungsprojekt begleitet und in diesem Rahmen ihre Dissertation verfassen wird, fügt hinzu: „Dass wir jetzt Fördermittel bekommen, um die Ergebnisse unserer Arbeit mit den Jugendlichen und Heranwachsenden in der Arrestanstalt nachhaltig und wissenschaftlich fundiert zu etablieren, gibt uns einen großartigen Handlungsspielraum. Er ermöglicht auch, uns noch besser mit allen an der Jugendbildung in Schleswig-Holstein Beteiligten zu vernetzen“. Als weiterer Projektpartner konnte Dr. Andreas Heye von der Hochschule Bielefeld gewonnen werden, der in Bielefeld zeitgleich musikpädagogische Projekte im Jugendstrafvollzug durchführt und das Lübecker Projekt unterstützen und mitgestalten wird.
Links
Die Perspektive wechseln - Musikpädagogisches Projekt in der Jugendarrestanstalt Moltsfelde
https://youtu.be/7qbvOG5bzQs?si=Vb4K_4jb_PDx5j1Z
(auch auf der MHL-Website: https://www.mh-luebeck.de/de/studium/inklusion/projekte/)
Singen hinter Gittern: Musik im Strafvollzug
https://miz.org/en/interviews/lieder-im-haftalltag
Ulrike Henningsen / NDR Kultur / 23.9.2023, 13.22 Uhr
https://www.ndr.de/kultur/musik/Singen-hinter-Gittern-Musik-im-Strafvollzug,singen284.html
Musik im Strafvollzug - Klänge hinter Gittern
Marie König / Deutschlandfunk / 5.6.2023, 20.45 Uhr
https://www.deutschlandfunk.de/annette-ziegenmeyer-von-der-musikhochschule-luebeck-ueber-musik-im-strafvollzug-dlf-2d1867f9-100.html