Auch in diesem Jahr waren die Donaueschinger Musiktage ein großer Publikumserfolg. Gut 10.000 Konzertbesucher erlebten vom 15. bis 17. Oktober 20 Uraufführungen und Installationen von Künstlern aus acht Nationen. Das erklärte Festivalleiter Armin Köhler (SWR2) bei der Pressekonferenz zum Abschluss der Musiktage am Sonntagnachmittag (17.10.) in Donaueschingen. In diesem Jahr, so Köhler weiter, hätten fast alle Werke sich mit räumlich akzentuierten Konzeptionen auseinandergesetzt. Dabei stehe der Arbeitstitel - "Ferne Nähe" - sowohl für die "Reduktion realer Distanzen in Zeiten digitaler Datenübertragung als auch ganz konkret für die zunehmende gegenseitige Beeinflussung unterschiedlicher Kulturräume sowie für die Einbeziehung räumlicher Komponenten in die Aufführungspraxis". Beispielhaft dafür seien etwa Benedict Masons Komposition "felt | ebb | thus | brink | here | array | telling", Gerhard E. Winklers "Terra incognita", Manos Tsangaris’ "Drei Räume Theater" oder die NOWJazz Session "4rooms" von Andrea Neumann und Christof Kurzmann. Wie immer, so Köhler weiter, seien alle Kompositionen als Anregungen zu
verstehen, Neugierig zu sein und Fragen zu stellen: "Bewertungen sind nur möglich über die Fragen, die wir an die Werke stellen."

Erneut zog das älteste und renommierteste Festival für zeitgenössische Musik auch zahlreiche Komponisten, Interpreten, Journalisten und Autoren aus dem In- und Ausland an und gab Gelegenheit zum Austausch. Auch dadurch, so Köhler, bestätige sich der produktive Arbeits- und Messecharakter der Musiktage, der dieses jährliche Festival auch international so unverzichtbar mache. In diesem Kontext und vor dem Hintergrund möglicher Einsparungen im kulturellen Engagement des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach der Entscheidung zur Erhöhung der Rundfunkgebühren, nutzten verschiedene kulturinteressierte Persönlichkeiten die Gelegenheit, dazu
aufzurufen, eine "starke Lobby für Kultur" zu bilden. So forderten der Komponist Wolfgang Rihm und der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum Künstler, Politik und Publikum auf "Solidarität zu zeigen" und sich für den Bestand der SWR-Klangkörper in ihrer jetzigen Form einzusetzen. Baum: "Der SWR kann stolz sein auf seine wunderbaren Klangkörper und auf musikalische Ereignisse wie die Donaueschinger Musiktage oder das Eclat-Festival. Wir fordern die Verantwortlichen auf, sich selbstbewusst und unnachgiebig für deren Erhalt einzusetzen."


SWR-Hörfunkdirektor Hermann fordert "Verantwortungspartnerschaft für Kultur"

Während der Pressekonferenz zum Abschluss der Musiktage erklärte SWR-Hörfunkdirektor Bernhard Hermann, dass man mit solchen Aufrufen bei ihm offene Türen einrenne. Auch er sei unbedingt für den Erhalt des derzeitigen kulturellen Engagements der öffentlich-rechtlichen
Sender: "Allerdings können auch wir nur das ausgeben, was uns zur Verfügung steht." Deshalb habe er bereits in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass öffentliche Unterstützung in der Gebührendebatte dringend nötig sei: "Ich bin nach wie vor sehr verwundert darüber, dass wir in dem gesamten Verfahren der Gebührenfestsetzung so wenig öffentliche Unterstützung erfahren haben. In den vergangenen zwölf Monaten hätten wir öffentliche Unterstützung gut brauchen können. Jetzt kommt sie leider zu spät."

Wie schon bei der Verleihung des Karl-Sczuka-Preises (s. SWR-Pressemeldung vom 16.10.04) verwies Hermann darauf, dass nach der geringeren Gebührenerhöhung jegliches Engagement, das über die konkrete Programmgestaltung hinaus gehe, auf dem Prüfstand stehe. "Weder die Klangkörper noch die Donaueschinger Musiktage oder der Karl-Sczuka-Preis können da ausgenommen werden." Allerdings versprach Hermann: "ich werde kämpfen für diesen Preis und für diese
Veranstaltung, die zum Wichtigsten gehört, was die deutsche Gegenwartskultur zu bieten hat." Grundsätzlich, so Hermann weiter, gelte für ihn die Devise: "Intelligenter Umbau vor zerstörerischem Abbau." Angesichts der immer leereren Kassen fordert Hermann auf, eine "Verantwortungspartnerschaft für Kultur" zu bilden. Dafür müssten sich Länder, Regionen, Städte und Gemeinden mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und anderen Kulturveranstaltern an einen Tisch setzen: "Kulturelles Engagement auf viele Schultern zu verteilen, das ist vorbildlich und in diesen Zeiten der beste Weg, um gemeinsam etwas für die Kultur in unserer Gesellschaft zu tun." Durch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Förderern wie der Kulturstiftung des Bundes und der Ernst von Siemens Musikstiftung seien die Donaueschinger Musiktage dafür ein gelungenes Beispiel.

Diese Einschätzung bestätigten auch Vertreter dieser beiden größten Förderer der Musiktage. Alexander Farenholtz (Verwaltungsdirektor der Kulturstiftung des Bundes) bezeichnete die Musiktage erneut als "einen der wichtigsten Leuchttürme unserer Förderprojekte" und erklärte, dass die bis 2008 in Aussicht gestellte Förderung von jährlich 210.000 Euro dazu dienen solle, die künstlerisch hochwertige Arbeit dieses Festivals zu sichern. In diesem Sinne, so Michael Roßnagl (Geschäftsführer der Ernst von Siemens Musikstiftung), sei auch das finanzielle Engagement der Ernst von Siemens Musikstiftung zu verstehen, die "die Donaueschinger Musiktage als wesentliches Förderprojekt mit der maximalen Förderungsdauer von drei Jahren bis 2006 mit jährlich 100.000 Euro unterstützen wird."

Im Rahmen der Pressekonferenz erklärte der scheidende Oberbürgermeister, Dr. Bernhard Everke, dass ihm die Donaueschinger Musiktage in den vergangenen dreißig Jahren seiner Amtszeit "eine völlig neue Welt erschlossen haben." Habe ihn die Neue Musik anfangs eher noch befremdet, so sei ihm über die Jahre "das intensive Zuhören zu einer zentralen persönlichen Erfahrung und Bereicherung geworden". Deshalb freue es ihn besonders, dass er über diese lange Zeit "einen kontinuierlichen Anstieg der Besucherzahlen beobachten konnte, die auch von einer Zunahme der Bedeutung dieses wunderbaren, manchmal auch verstörenden, immer aber experimentierfreudigen Festivals zeugt."

Informationen zu allen Sendeterminen, den Komponisten und Werken der diesjährigen Musiktage finden Sie im Internet unter www.swr.de/donaueschingen

Die nächsten Donaueschinger Musiktage finden von 14. bis 16. Oktober 2005 statt. Geplant sind u.a. Uraufführungen von Brian Ferneyhough, Dai Fujikura, Beat Furrer, Clemens Gadenstätter, Lars Petter Hagen, György Kurtág, Hanspeter Kyburz, Samir Odeh-Tamimi, Valerio Sannicandro, Salvatore Sciarrino, Philippe Schoeller, Marco Stroppa, Hans Zender. Alle Kompositionen entstehen im Auftrag des Südwestrundfunks. Das vollständige Programm erscheint voraussichtlich im Juni 2005. Kartenvorverkauf ab Juli 2005 über das Kulturamt Donaueschingen.