Relativ viele Viren können aus der Klarinette kommen. Sie setzt deutlich mehr Aerosol frei, das Krankheitserreger wie Sars-CoV-2 enthalten kann, als etwa die Flöte. Generell ist das Übertragungsrisiko, das von einer infizierten Person an einem Blasinstrument ausgeht, jedoch deutlich geringer als bei singenden oder sprechenden Menschen, wenn man sich jeweils gleich lange in ihrer Nähe aufhält. Zu diesem Schluss kommt ein Team des Göttinger Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPI-DS) und der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) in einer umfassenden Studie. Die Forschenden haben den Partikelausstoß und das damit verbundene maximale Übertragungsrisiko beim Spielen von vielen verschiedenen Blasinstrumenten bestimmt. Die Ergebnisse geben Anhaltspunkte, wie kulturelle Veranstaltungen auch während der Pandemie mit möglichst geringem Ansteckungsrisiko organisiert werden können.

Das risikoreichste Instrument ist die Stimme, zumindest wenn es um die Verbreitung von Viren wie etwa Sars-CoV2 geht. Denn beim Singen und Sprechen bringen infizierte Personen in der gleichen Zeit mehr als 500-mal mehr Partikel in die Luft, die Viren enthalten können, als beim ruhigen Atmen. Ein Team unter Leitung von Mohsen Bagheri und Eberhard Bodenschatz, Direktor am MPI-DS und Professor an der Fakultät für Physik an der Universität Göttingen, hat das Musizieren mit Blasinstrumenten untersucht: Beim Spielen dieser Instrumente gelangt deutlich weniger Aerosol in die Umgebung als beim Singen – aber immer noch 5 bis 50-mal mehr als beim Atmen. Gemeinsam mit Kolleg*innen des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektiologie an der UMG haben die Forschenden analysiert, wie viele Partikel welcher Größe beim Spielen von 20 verschiedenen Blasinstrumenten freigesetzt werden. Die Messungen nahmen sie unter kontrollierten Bedingungen in einem Reinraum vor und ermittelten aus den Ergebnissen jeweils die obere Grenze für das Infektionsrisiko mit der Omikronvariante von Sars-CoV-2. Die vollständige Studie ist frei zugänglich.

Das Ansteckungsrisiko hängt vom Instrument ab

„Wir haben überraschenderweise festgestellt, dass Musikinstrumente weniger riskant sind als Sprechen oder Singen", sagt Mohsen Bagheri, Leiter einer Forschungsgruppe zu Aerosolen am MPI-DS. Wie die Untersuchung des Göttinger Teams zeigt, bleiben vor allem die größeren für die Übertragung von Viren besonders wichtigen Atemtröpfchen in den Blasinstrumenten hängen. Die Instrumente wirken somit wie ein Filter für größere Partikel. Dass Blasmusik jedoch aus Sicht des Infektionsschutzes für die Musizierenden und das Publikum nicht ungefährlich ist, liegt daran, dass Partikel mit einer Größe von weniger als fünf Mikrometer weitestgehend aus dem Instrument nach außen dringen. Sie bleiben länger in der Luft und breiten sich weiter aus, sodass sie vor allem in ungelüfteten Räumen hohe Konzentrationen erreichen können. Wie viele solche kleinen Partikel die Blasmusik freisetzt, hängt dabei auch vom Instrument ab: Während das Team bei verschiedenen Flöten eine sehr geringe Konzentration freigesetzter Partikel gemessen hat, erreichte diese bei der Klarinette beinahe so hohe Werte wie beim Singen.

So beträgt das Ansteckungsrisiko etwa bei der Klarinette und der Posaune in einem Abstand von anderthalb Metern nach vier Minuten bereits bis zu 50 Prozent. Im selben Abstand zu einer Flöte wird dieses Infektionsrisiko erst nach drei Stunden erreicht. Alle anderen gemessenen Instrumente lagen dazwischen.

Masken für Instrumente und Menschen schützen

In seiner Studie untersuchte das Team auch, wie gut sich die Ansteckungsgefahr durch eigens angefertigte Partikelfilter, ähnlich dem Vlies von FFP2-Masken, reduzieren lässt. Die Prototypen der Masken setzten sie dabei auf die Enden der Blechblasinstrumente; Holzblasinstrumente umhüllten sie fast vollständig mit dem Filtermaterial. „Bei Blechblasinstrumenten funktionieren Masken auf dem Schallstück zuverlässig, um den Ausstoß infektiöser Partikel zu reduzieren“, sagt Oliver Schlenczek, Erstautor der Studie. Tragen darüber hinaus auch Zuhörer*innen eine FFP2-Maske liegt die Ansteckungsgefahr selbst nach einer Stunde bei maximal 0,2 Prozent. Simone Scheithauer, Direktorin des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektiologie der UMG, bewertet diese Ergebnisse sehr positiv: „Auf dieser Grundlage können wir zukünftig viel gezielter Schutzmaßnahmen empfehlen und den musikalischen Kulturbetrieb auch in kritischen Situationen mit nur geringen Einschränkungen aufrechterhalten“, sagt sie.

"Bei ausreichender Belüftung und dem Tragen von FFP2-Masken können Unterricht, Proben und Konzerte mit Blasinstrumenten sicher durchgeführt werden", schließt Aerosolforscher Eberhard Bodenschatz.

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