Seit dem 01. Juni 2009 ist der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag in Kraft. Alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind seitdem verpflichtet, den Dreistufentest für alle öffentlich-rechtlichen Telemedienangebote durchzuführen.

Dazu Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates, und Dr. Ulrike Liedtke, Vorsitzende des Rundfunkausschusses der Konferenz der Landesmusikräte:

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist konstitutiver Bestandteil des Kulturlandes Deutschland. Mit seiner breiten Angebotspalette orientiert sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht nur an der bestehenden Nachfrage, sondern erzeugt diese auch. In der Kombination von journalistisch abgesicherter Qualitätsarbeit und einer demokratisch strukturierten Programmbegleitung ergibt sich ein weltweit einzigartiges Konstrukt bildungskultureller Informationsvermittlung und Unterhaltung. Für den Deutschen Musikrat ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht nur ein Spiegelbild, sondern auch ein Seismograph für die kulturelle Vielfalt in unserem Land. Angesichts eines sich verändernden Nutzerverhaltens und der Konvergenz der Medien ist es deshalb folgerichtig, dass mit dem Inkrafttreten des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages die Telemedienangebote zum originären Aufgabenbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehören.

Die föderative Struktur und der gesellschaftspolitische Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erlauben es, die Breite und Tiefe der kulturellen Vielfalt in Deutschland zu spiegeln und zu verstärken. Damit erfüllt der öffentlich-rechtliche Rundfunk strukturell und konzeptionell die Voraussetzungen zur Umsetzung der UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt. Diese von über 90 Mitgliedsstaaten – unter anderem von der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union – ratifizierte, völkerrechtlich verbindliche Konvention stellt auf internationaler Ebene zum ersten Mal einen gleichgewichtigen Zusammenhang zwischen dem Schutz und Erhalt des kulturellen Erbes, dem Schutz und Erhalt der zeitgenössischen künstlerischen Ausdrucksformen (Stil übergreifend und einschließlich der bisher bekannten Jugendkulturen) und dem Schutz und der Förderung der anderer Kulturen im eigenen Land her. In der Umsetzung dieser drei Grundsäulen der UNESCO-Konvention ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht nur strukturell und konzeptionell, sondern auch faktisch auf einem guten Weg, wie die den Rundfunkräten bisher vorgelegten Telemedienkonzepte deutlich werden lassen. In der Abgrenzung zu den Angeboten privatrechtlicher Medien ergibt sich eine Fülle von originären Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die allerdings bei weitem noch nicht vollständig bewältigt sind.

Die Diskussion um das Dogma der Mehrheitsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zeigt den schmalen Grat in der Programmgestaltung auf. Würde der Rundfunk durch seine Programmangebote nur noch eine Minderheit der Seher und Hörer erreichen, wäre er nicht mehr in der Lage, seiner öffentlichen Aufgabe hinreichend nachzukommen. Ebenso wichtig wie Fernsehen und Hörfunk ist hier das Angebot von Online-Inhalten, die vor allem von Jüngeren genutzt werden, um auch diese Bevölkerungsgruppe weiterhin erreichen zu können. Steht eine möglichst hohe Reichweite jedoch an erster Stelle, stellt sich die Frage nach der Berechtigung eines öffentlich finanzierten Angebotes auch im Verhältnis zu den privatrechtlichen Medien. Der Dreistufentest kann ein Hilfsmittel dazu sein, die Balance zwischen Bedarfsdeckung und Interessenweckung herzustellen. Unabdingbare Voraussetzung ist und bleibt, dass in allen entscheidungsrelevanten Positionen das Bewusstsein für den Wert der Kreativität und damit für den immensen Reichtum an kultureller Vielfalt in unserem Land im Sinne der gleichnamigen UNESCO-Konvention erhalten und gestärkt wird.

Die Konvention zur kulturellen Vielfalt bietet nicht nur eine ausgezeichnete Begründungslage für den gesellschaftlichen Mehrwert des publizistischen Wettbewerbs, sondern ist auch Berufungsgrundlage für die Sicherung und den notwendigen Ausbau der kulturellen Vielfalt bei den Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Hörfunk, Fernsehen und Internet.

Der Dreistufentest eröffnet im Kontext der notwendigen Gutachten nicht nur die Chance einer Professionalisierung und damit erhöhten Transparenz bei den Telemedienkonzepten nach innen und außen, sondern verbessert die sachbezogene Argumentationsgrundlage in den Auseinandersetzungen auf europäischer Ebene. Dieser Prozess erfordert Augenmaß – die Durchführung des Dreistufentests darf nicht zu Lasten von Programminhalten erfolgen, die notwendigen Gutachter-Kosten müssen in vertretbarem Rahmen bleiben. Ziel des Dreistufentests ist und bleibt ein für den Nutzer sinnvolles, qualitativ hochwertiges und zeitgemäßes Online-Angebot als dritte Säule des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Fazit zum neu etablierten Verfahren des Dreistufentests:

1. Die UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt sollte die zentrale Handlungsgrundlage in der konzeptionellen Fortschreibung der Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darstellen.

2. Bei der Fortschreibung der Telemedienkonzepte sollten die Nutzerinteressen im Vordergrund stehen, nicht dagegen die wirtschaftlichen Interessen anderer Wettbewerber. Aus Nutzersicht ist entscheidend, dass öffentlich finanzierte Angebote auch allen Bevölkerungsgruppen frei zugänglich sind und dies über einen möglichst langen Zeitraum. Das Kriterium des „Sendungsbezugs“ bzw. der „Programmbegleitung“ ist für die Nutzer zweitrangig, wenn die Angebote für sie einen Mehrwert haben. Kulturelle Themen sollten
z. B. aus Sicht des Deutschen Musikrats über Mediatheken langfristig abrufbar bleiben bzw. im Internet vertieft behandelt werden können. Unabhängig davon bleibt eine große Notwendigkeit, Angebote im Sinne der Bewusstseinsbildung für den Wert der Kreativität auszubauen, bestehen.

3. In der Kulturberichterstattung und -vermittlung sowie Dokumentation des Kulturlebens sind bei einigen Sendern durchaus Defizite erkennbar. In der Weiterentwicklung der Angebote ist es wichtig, die gesellschaftliche Relevanz nicht nur an quantitativen Maßstäben, sondern auch an dem prägenden und mittelfristig angelegten Aspekt der Nachfrageerzeugung und Bewusstseinsbildung auszurichten.

4. Qualitativ hochwertige Angebote erfordern eine angemessene Vergütung der Urheber und Leistungsschutzberechtigten. Diese ist insbesondere vor dem Hintergrund des Nutzerverhaltens bei den Telemedien sicher zu stellen.

5. Die Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft sollte im Dialog mit den Rundfunkräten ausgebaut werden. Dafür sollten längere Beteilungsfristen angesetzt werden.“

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