Führende Köpfe aus Politik, Recht und Wirtschaft diskutierten gestern beim Kongress Urheberrechtspolitik 2014 in Berlin aktuelle Tendenzen und Entwicklungen der Urheberrechtspolitik in Deutschland und auf europäischer Ebene. Maria Martin-Prat, Mitglied der Europäischen Kommission, Directorate General Connect, Head of Unit–Copyright stellte hierzu die Position der Europäischen Kommission dar. Matthias Schmid, Leiter des Referats Urheber- und Verlagsrecht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, fasste die Agenda der Bundesregierung zusammen. Der Kongress lieferte wichtige Erkenntnisse: Auf europäischer Ebene ist eine Aufweichung des Territorialprinzips bei Online-Diensten zu erwarten. Analog zu Jean-Claude Junckers erster Priorität – der Schaffung eines digitalen Binnenmarktes für Verbraucher und Unternehmen – wird auch die neu gewählte EU-Kommission als erstes Projekt die Gesetzgebung angehen. In Deutschland wird die Reform des Urheberwahrnehmungsgesetzes bis Mitte 2015 abgeschlossen sein. Dies wird sowohl die Umsetzung der Richtlinie als auch einige deutsche Sonderfragen betreffen.

Die Veranstaltung des Ministeriums für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg und der Senatskanzlei des Landes Berlin in Kooperation mit dem Erich Pommer Institut wurde gefördert vom Medienboard Berlin-Brandenburg und ist Auftakt für eine jährliche Reihe Kongress Urheberrechtspolitik, die den urheberrechtspolitischen Prozess begleiten und neue Impulse für eine Entwicklung im digitalen Zeitalter ermöglichen soll. Durch die Veranstaltung führte Prof. Dr. Jan Bernd Nordemann, LL.M., außerdem moderierten Prof. Dr. Ulrich Michel, Prof. Dr. Lothar Mikos und Dr. Martin Schaefer.

Vertreter und Vertreterinnen der Bundestagsfraktionen und Parteien, Verbände und Initiativen stimmten bei der Beurteilung der aktuellen Urheberrechtspolitik dahingehend überein, dass Handlungsbedarf für einen fairen Interessenausgleich zwischen Urhebern, Rechteinhabern und Nutzern besteht. Schwerpunkte werden von den Akteuren jedoch unterschiedlich herausgestellt. Bereits die Einschätzung des Status quo fällt unterschiedlich aus.

Ansgar Heveling (MdB, CDU/CSU): „Die Reform des Urheberrechts nimmt im Koalitionsvertrag einen breiten Raum ein. Dies ist unsere Richtschnur für die weitere Arbeit der Regierungsfraktionen. Aus meiner Sicht haben wir in den Koalitionsverhandlungen eine gute Basis dafür geschaffen, die dringenden Reformen im Urheberrecht umzusetzen. Das ist nunmehr fast ein Jahr her. Deshalb kommt der Kongress Urheberrechtspolitik 2014 genau zur richtigen Zeit – es ist Zeit, den formulierten Vorhaben nun auch Taten folgen zu lassen.“

Saskia Esken (MdB, SPD) stellt fest: „Wir brauchen eine zeitgemäße Weiterentwicklung des Urheberrechts, um den Herausforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden. Im Bereich Bildung und Wissenschaft ist die Entfristung des §52a Urheberrechtsgesetz ein erster Schritt in die richtige Richtung. Weitere müssen folgen, denn Wissenschaftler, Lehrkräfte und Lernende sind durch die Angst vor teuren Abmahnungen stark verunsichert und nutzen die Chancen der Digitalisierung für eine vernetzte und kollaborative Bildungslandschaft deshalb nur mit angezogener Handbremse.“

Halina Wawzyniak (MdB, DIE LINKE) rechtspolitische Sprecherin der Fraktion im Bundestag, fordert, das Urhebervertragsrecht müsse dringend angegangen werden. „Kreativschaffende müssen deutlich besser gegenüber den Verwertern gestellt werden, als es momentan der Fall ist. Dazu gehören die Einschränkung von Total-Buy-out-Verträgen und die Möglichkeit für Kreativschaffende, ihre Vergütung nachzuverhandeln, wenn sie sich im Nachhinein als nicht angemessen herausstellt. Hier ist dann auch die Bundesregierung gefragt, die Initiative zu ergreifen. Konkrete Umsetzungsvorschläge gibt es genug, zum Beispiel von der Fraktion DIE LINKE.“

Malte Spitz (Bündnis 90/Die Grünen) bringt als Mitglied des Parteirats den Standpunkt seiner Partei wie folgt auf den Punkt: „Wir Grüne treten für einen fairen Interessensausgleich im Urheberrecht ein, dies erfordert auch Innovationen. Deswegen fordern wir neue Schranken im Urheberrecht, um sowohl die transformatorische Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken im definierten nichtkommerziellen Umfang abzusichern als auch die nichtkommerzielle Vervielfältigung (offline wie online) gegen angemessene Vergütung zu ermöglichen.“


Prof. Dr. Gerhard Pfennig, Sprecher der Initiative Urheberrecht, fordert eine EU-weite Regelung des Urhebervertragsrechts. Sollte diese nicht erfolgen, bestimmten auch weiterhin ausschließlich Verleger und Produzenten über die Verwertung der Werke. Besonders wichtig sei dies für die Branchen Film, Fernsehen (vor allem privat organisiertes TV), Presse, Buch, weniger schwierig bei Musik, weil dort starke Verwertungsgesellschaften existieren, die wesentliche Rechte kollektiv verwalten. Die Vergütung insbesondere der digitalen Nutzungen von Werken europäischer Urheber müsse europaweit gesichert und ein Abgabensystem eingeführt werden, auf dessen Grundlage Intermediäre, z.B. Google, die Urheber und ausübenden Künstler für Nutzungen ihrer Werke durch Dritte zu privaten Zwecken auf ihren Plattformen entschädigen. Die Verteilungsstruktur könne in Anlehnung an die Verteilung der Privatkopie organisiert werden.

Anna Katharina Hiersemenzel, Copyright Policy Counsel EMEA, Motion Picture Association, kommentiert wie folgt: „Die Europäische Kommission identifiziert das Urheberrecht und ‚national isolierte Urheberrechtssysteme’ als eine Barriere zum Digitalen Binnenmarkt. Alles deutet darauf hin, dass dies in Wahrheit nicht so ist. Wenn die Barrieren, die es geben mag, jedoch außerhalb des Urheberrechts liegen, warum muss dann das Urheberrecht geändert werden? Studien, von der Kommission selbst in Auftrag gegeben, belegen zudem eine geringe, echte Nachfrage für Inhalte aus anderen EU-Ländern. So können Plattformanbieter auch schon heute multi-territoriale oder gar pan-europäische Lizenzen erwerben, tun es aber häufig nicht. Soweit es eine Nachfrage gibt, entwickelt der Markt bereits jetzt grenzüberschreitende Modelle; dies ist mit dem Status quo problemlos möglich – und es gibt derzeit über 3.000 On-Demand-Services in Europa. Das Internet floriert. Filmproduzenten und Anbieter bereichern das Internet mit ihren Filmen und kreativen Inhalten und sind Motor einer kontinuierlichen Entwicklung, die es den Nutzern erlaubt, auf vielzählige Angebote Zugriff zu haben. Am Urheberrecht sowie der Territorialität der europäischen Filmproduktion und Lizenzierung zu rütteln, erschüttert das Fundament der europäischen Filmproduktion und Filmdistribution und gefährdet die kulturelle Vielfalt Europas.“

Dr. Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI), sagt: „Es ist aus unserer Sicht wünschenswert, dass man die von der letzten Kommission geleisteten Vorarbeiten bei den aktuellen Überlegungen ernst nimmt und nicht wieder ganz von vorne anfängt. Generell ist uns wichtig, dass Fragen der Durchsetzbarkeit von Rechten nicht unter den Tisch fallen.“

Dr. Till Kreutzer, Rechtsanwalt, iRights.info, fasst zusammen: „[...] Während das Urheberrecht von dem Grundsatz ausgeht, dass jede Werknutzung, jede Kopie, einer individuellen Einwilligung des Rechteinhabers bedarf, wird das Netz von der Kultur des Teilens beherrscht. Milliarden Menschen kommunizieren über Online-Netzwerke. Hierbei teilen sie Inhalte und Informationen, erschaffen neue Inhalte unter Verwendung fremder Werke und stellen sie frei zur Verfügung. Aufgrund des genannten Grundansatzes des Urheberrechts sind die meisten Nutzungen dieser Art illegal, ein unhaltbarer Zustand. Das Urheberrecht wird diese Entwicklung nicht aufhalten. Entweder es werden angepasste Schutzmechanismen geschaffen, die diese massenhaften Phänomene effizient und fair regeln. Sie müssen geeignet sein, die Interessen der Urheber und Verwertungswirtschaft zu sichern, ohne dabei die Kultur-, Nutzungs- und Kommunikationspraktiken der Digitalen Welt zu ersticken. Oder das Urheberrecht schafft sich selbst ab und lässt sich von der Macht des Faktischen überrollen.“

„Die Bundeszentrale für politische Bildung fühlt sich dem Ziel einer offenen Kultur verpflichtet. Das heißt: Wir wollen so viele Menschen wie möglich an der Wissensproduktion sowie am Prozess und den Resultaten kreativen Arbeitens beteiligen – in der Schule, der Wissenschaft und in der Bildung. Offene Kultur ist eine Kultur, in der so viele Inhalte wie möglich zugänglich gemacht werden, oder anders gesagt: Der Mensch soll nicht erst schüchtern um Erlaubnis fragen müssen, wenn er mit unseren Angeboten seinen Alltag bereichert – auch weil wir wollen, dass unsere Angebote ihm diesen Alltag erklären“, so Thomas Krüger, Präsident Bundeszentrale für Politische Bildung.