Der Preis für das Lebenswerk des Deutschen Theaterpreises DER FAUST geht in diesem Jahr an den Dramaturgen und Opernintendanten Prof. Klaus Zehelein.
Die Jury des Deutschen Theaterpreises DER FAUST ehrt mit Prof. Klaus Zehelein einen Theater-schaffenden, der die moderne Oper geprägt hat wie kein anderer zu seiner Zeit. Zunächst als Dramaturg, später als Intendant und, an unterschiedlichen Orten in verschiedenen Funktionen, auch vom Lehrstuhl aus:
„Klaus Zehelein war nie ein Mann des Rampenlichts. Das mag ein Grund dafür sein, dass viele Menschen außerhalb der engeren Theaterszene kaum eine Vorstellung davon haben, was er für das Theater, insbesondere aber für unser heutiges Verständnis von zeitgemäßem Musiktheater, geleistet hat. Theater für bildungsferne Schichten hat er schon gemacht, bevor der Appell zum ‚diversen‘ Theater von politischer Seite erklungen war: Arbeitertheater als Dramaturg in Kiel, Musiktheater für Lehrlinge (wie es damals noch hieß) ebenso wie für Abiturient:innen am Staatstheater Oldenburg. In seiner Geburtsstadt Frankfurt, an der Seite von Michael Gielen, hat er Regisseur:innen wie Hans Neuenfels, Ruth Berghaus oder Christof Nel in der Oper durchgesetzt. Und dann, nach einem Zwischenspiel am Thalia Theater gemeinsam mit Jürgen Flimm, folgten 15 ebenso konflikt- wie erfolgreiche Jahre als Intendant der Oper Stuttgart, die unter seiner Leitung ganze sechsmal Opernhaus des Jahres in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt wurde.
Klaus Zehelein war in Stuttgart Initiator und Spiritus Rector der sprichwörtlichen Stuttgarter Operndramaturgie: einer Dramaturgie, die den Regisseur:innen bei der Entstehung ihrer Inszenierungen zur Seite stand, diese aber auch forderte und hinterfragte. Legendär bleibt der Stuttgarter „Ring des Nibelungen“, mit dem Zehelein auf die Werk-Skepsis der Postmoderne reagierte, indem er die vier Teile an fünf verschiedene Regisseur:innen, Joachim Schloemer, Christof Nel, Jossi Wieler/ Sergio Morabito und Peter Konwitschny, vergab. Und Zehelein förderte zeitgenössische Komponist:innen, lieferte den Beweis, dass die großen Werke von Luigi Nono oder Helmut Lachenmann auch am Repertoire-Opernhaus, am Stadt- oder Staatstheater aufführbar sind. Mit der Gründung der Jungen Oper Stuttgart 1993 setzte er Maßstäbe für die Vermittlung von Musiktheater an junges Publikum und weitete mit dem von Andreas Breitscheid geleiteten Forum Neues Musiktheater erstarrte institutionelle Grenzen des Opernbetriebs.
Schließlich gab er als deren Präsident der Bayerischen Theaterakademie August Everding (heute: Theaterakademie August Everding) im Prinzregententheater München tragfähige Strukturen und übernahm selbst dort und an der Ludwig-Maximilians-Universität den Studiengang Dramaturgie. Von 2003 bis 2015 amtierte Zehelein zudem als Präsident des Deutschen Bühnenvereins, half den Deutschen Theaterpreis DER FAUST aus der Taufe zu heben und stritt nimmermüde, streitlustig und Adorno-kundig für den Stellenwert der Bühnenkunst im Spätkapitalismus.“
Klaus Zehelein
Klaus Zehelein wurde 1940 in Frankfurt am Main geboren. Er studierte Germanistik, Musikwissenschaft und Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Von 1967 bis 1970 war Zehelein als Dramaturg am Theater Kiel engagiert und wechselte von dort als Chefdramaturg an das Oldenburgische Staatstheater. Von 1977 bis 1987 arbeitete er als Chefdramaturg für die Oper Frankfurt und wurde dort bald koordinierter Operndirektor. 1989 wurde er Chefdrama-turg und künstlerischer Direktor des Hamburger Thalia Theaters. Von 1991 bis 2006 war Zehelein Opernintendant an der Staatsoper Stuttgart.
Klaus Zehelein war Dozent an der Universität Oldenburg und lehrte als Gastprofessor an der University of Minnesota, am Collège international de philosophie in Paris, am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft der Universität Gießen und der Universität für angewandte Kunst in Wien. Von Herbst 2006 bis August 2014 leitete er als Präsident die Bayerische Theaterakademie August Everding (heute: Theaterakademie August Everding) im Prinzregententheater München und an der Ludwig-Maximilians-Universität München den Studiengang Dramaturgie. Von 2003 bis 2015 amtierte Zehelein als Präsident des Deutschen Bühnenvereins. Von 2006 bis 2014 war er im Stiftungsbeirat der Kulturstiftung des Bundes und Kuratoriumsmitglied in der Akademie für gesprochenes Wort in Stuttgart.
Klaus Zehelein erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1983 den deutschen Kritikerpreis für die Dramaturgie an der Oper Frankfurt, 2001 die Verdienstmedaille des Landes Baden Württemberg für besondere Verdienste um das Land Baden-Württemberg und 2006 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. 2007 wurde er als Mitglied an die Bayerische Akademie der Schönen Künste berufen.