Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ), das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) und das Deutsch-Polnische Jugendwerk (DPJW) haben im Rahmen einer internationalen Fachtagung in Berlin erstmals ein neues, gemeinsam entwickeltes Verfahren zur Auswertung von internationalen Jugendbegegnungen der Öffentlichkeit vorgestellt. 100 deutsche, französische und polnische Interessierte aus Politik, Wissenschaft und Begegnungsorganisationen nahmen diese neue Evaluationsform sowie erste inhaltliche Ergebnisse einer 2005 durchgeführten Pilotphase sehr interessiert zur Kenntnis. Mittels einfach am Computer zu erstellender Fragebögen und einer anwenderfreundlichen Software lassen sich von nun an die Wirkungen internationaler Jugendbegegungen ohne größeren Aufwand statistisch auswerten und übersichtlich präsentieren.

Die in Berlin vorgestellte CD-Rom „Jugend und Europa“ enthält standardisierte Fragebögen, die bei Bedarf zusätzlich durch eigene Fragestellungen ergänzt werden können und so zu einem auf die jeweilige Begegnung zugeschnittenen und gleichzeitig wissenschaftlich abgesicherten Evaluationsinstrument werden. Die statistische Auswertung der Antworten der jugendlichen TeilnehmerInnen übernimmt anschließend die Software „GrafStat“ der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), bei der die CD-Rom auch bestellt werden kann (http://www.bpb.de/publikationen/TSS0AI,0,Jugend_und_Europa.html). Für internationale Jugendbegegnungen sind die Sprachen Deutsch, Französisch, Polnisch und Englisch verfügbar.

Die Generalsekretärin des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW), Dr. Eva Sabine Kuntz, betonte bei ihrer Begrüßungsansprache, dass die vor zwei Jahren vorgestellten sehr positiven Ergebnisse der Studie zu den Langzeitwirkungen internationaler Jugendbegegnungen, die von der Universität Regensburg vorgelegt wurden, nun durch kurzfristig erhebbare Daten von jugendlichen TeilnehmerInnen aus allen drei Ländern ergänzt werden können. Dies sei vor allem für die lokalen Träger von Begegnungen von großer Wichtigkeit, da sie diese Befragungsergebnisse für die Darstellung ihrer eigenen Begegnungsarbeit vor Ort sehr praktisch nutzen können.

Der Geschäftsführer des Deutsch-Polnischen Jugendwerks (DPJW), Piotr Womela, wies bei seiner Begrüßung deutlich darauf hin, dass diese Form der Evaluation nicht zwangsläufig alle anderen Formen der Auswertung von Begegnungen ersetzen wird. Auch weiterhin seien Auswertungsgespräche mit den jugendlichen TeilnehmerInnen und andere kreative Formen der TeilnehmerInnen-Befragung ganz wichtig, um den Jugendlichen über die Fragebögen hinaus noch andere adäquate Formen zur Meinungsäußerung zu geben.

Etienne Madranges, Leiter der Abteilung Jugend im französischen Ministerium für Jugend, Sport und das Vereinswesen, hob in seinem Grußwort die Bedeutung dieser trilateralen Initiative für die gesamte Europäische Union hervor. Er begrüßte ausdrücklich die Entwicklung eines solchen wissenschaftlich abgesicherten Evaluationsinstruments und ermunterte die beteiligten Jugendwerke, dies auch anderen wichtigen Institutionen des Jugendaustauschs sowie der EU-Kommission vorzustellen. Er könne sich durchaus eine europäische Weiterentwicklung dieses Vorhabens vorstellen.

Uwe Finke-Timpe, Leiter des Referats für Internationale Jugendpolitische Zusammenarbeit im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zeigte sich sehr erfreut über die Evaluations-Initiative der beiden Jugendwerke und der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ). Er hob deutlich hervor, dass die mit den Fragebögen erhobenen Ergebnisse nicht dazu genutzt werden sollen, eventuelle finanzielle Einschnitte im Bereich der Förderung der Internationalen Jugendarbeit zu begründen. Vielmehr sollen sie dazu dienen, die Begegnungserfahrungen vieler Träger leichter sammeln und bündeln und damit die Bedeutung der Bildungswirkungen der Internationalen Jugendarbeit stärker darstellen zu können.

Im Mittelpunkt der Fachtagung stand die ausführliche Vorstellung der Evaluationsmethode sowie ausgewählter Ergebnisse der Pilotstudie, bei der mit dem Evaluationsinstrument im Sommer 2005 111 LeiterInnen und 541 TeilnehmerInnen von 22 internationalen Begegnungen in Deutschland, Frankreich und Polen befragt wurden.

Der wissenschaftliche Leiter des Projekts, Diplom-Psychologe Wolfgang Ilg, hob in seinem Hauptvortrag einige wesentliche Punkte aus der Pilotstudie hervor:
- So haben sich Fragebögen mit Skalen zum Ankreuzen als ein geeignetes Instrument erwiesen, um Jugendliche nach einer Begegnung zu befragen. Praktisch alle TeilnehmerInnen haben die Fragebögen ernsthaft ausgefüllt, auch die 15 %, die angaben, dass sie das Ausfüllen des Fragebogens „genervt“ habe.
- Die Antworten der Jugendlichen sind sehr ernst zu nehmende Fakten und nicht nur spontane, möglichst freundliche Antworten aus der Begeisterung am Ende einer ereignisreichen Begegnung heraus. Dies belegt einerseits eine Nachbefragung, die mehrere Monate später durchgeführt wurde. Und dies belegen andererseits auch die Ergebnisse der Langzeitstudie der Universität Regensburg, die 8 bis 15 Jahre nach der Begegnung erhoben wurden und die sehr vergleichbare Aussagen erbrachten.
- 60 % der TeilnehmerInnen an der Pilotstudie waren weiblich, 40 % männlich, ihr Durchschnittsalter betrug 17,6 Jahre.
- 87 % gaben an, dass die bei dieser Begegnung neue Freunde gefunden haben, was auch einer Hauptmotivation der Jugendlichen für die Teilnahme entspricht.
- 84 % konnten sich nach dieser Begegnung vorstellen, auch länger (mehr als drei Monate) in eines der Partnerländer zu gehen. Immerhin verwirklichen dies letztlich 26 % der Begegnungs-TeilnehmerInnen, wie die Langzeitstudie herausgefunden hat.
- 90 % gaben in der Nachbefragung an, dass sie durch diese Begegnung mehr Lust bekommen haben, auch andere Länder und Kulturen kennen zu lernen.
- 85 % gaben direkt am Ende der Begegnung an, dass sie gerne noch mehr über das andere Land erfahren wollten. Die Nachbefragung zeigte deutlich, dass die Jugendlichen dies auch verwirklichen: Je mehr TeilnehmerInnen am Ende der Begegnung über das andere Land erfahren wollten, desto mehr setzten sie das auch tatsächlich in ein verändertes Informationsverhalten um („Berichte in TV/Zeitung über das Partnerland verfolge ich seit der Begegnung aufmerksamer“).
- 91 % gaben an, dass sie eine solche Begegnung ihren FreundInnen weiterempfehlen können.
- 59 % gaben an, dass sie manches, was bei ihnen zu Hause üblich ist, aufgrund der Erfahrungen bei der Begegnung anders sehen, als früher.
- 90 % gaben an, dass sie von den LeiterInnen der Begegnung ernst genommen wurden und immerhin 63 % gaben an, dass auch LeiterInnen mit einer anderen Nationalität Vertrauenspersonen während der Begegnung für sie darstellten.
- Jeweils 78 % gaben an, dass sie durch die Begegnung ihre Fremdsprachenkenntnisse verbessert haben und dass sie Lust bekommen haben, die andere Sprache zu lernen. Auch hier belegt die Langzeitstudie, dass tatsächlich 23 % der TeilnehmerInnen aufgrund von Begegnungserfahrungen eine neue Fremdsprache erlernen.
- 97 % äußerten in der Nachbefragung Lust, einmal als LeiterIn bei einer solchen Begegnung mitzumachen, was für die Begegnungsorganisationen ein großes Potenzial an Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement in der Organisation signalisiert, das sie nutzen sollten.
- 68 % gaben bei der Nachbefragung an, dass sie auch jetzt noch, mehrere Monate nach der Begegnung, Kontakt zu TeilnehmerInnen oder LeiterInnen aus dem Partnerland haben. Es ist zu erwarten, dass diese Kontakte auch lange Zeit aufrecht erhalten werden, denn die Langzeitstudie hat ermittelt, dass selbst 10 Jahre nach der Begegnung noch 41 % der Befragten relativ starken Kontakt zu TeilnehmerInnen haben, die sie bei der Begegnung kennen gelernt haben.
- 76 % der TeilnehmerInnen an den untersuchten Jugendkultur-Begegnungen gaben an, dass sie durch die TeilnehmerInnen aus dem anderen Land neue Methoden des künstlerischen Arbeitens kennen gelernt haben.

In der anschließenden Aussprache, an der sich u.a. auch VertreterInnen des komplett aus Warschau angereisten Jugend-Ausschusses des polnischen Parlaments Sejm engagiert einbrachten, wurden einige wesentliche Punkte des Evaluations-Instruments genauer durchleuchtet. So wurde mehrfach aus den Reihen der Begegnungs-OrganisatorInnen eingefordert, dass die Interpretation der in Zukunft erhobenen Daten aus verschiedensten Begegnungen ein transparenter dialogischer Prozess unter Beteiligung der Träger von Begegnungen und der binationalen Jugendwerke sein müsse. Dieser Dialog könne dann einen wertvollen Beitrag zur Qualitätsentwicklung in der Internationalen Jugendarbeit darstellen, wenn den Trägern die Möglichkeit gegeben werde, ihre Begegnungskonzepte aufgrund der Rückmeldungen der TeilnehmerInnen zu verändern und immer weiter zu entwickeln.

Dr. Verena Aebischer, Sozial-Psychologin an der Universität Paris 10, hob in ihrem Redebeitrag hervor, wie wichtig es sei, mit diesem Evaluationsmodell eine den Begegnungssituationen und den Jugendlichen angemessene Befragungsmethode entwickelt zu haben, um tatsächlich zu validen Ergebnissen zu kommen.

Prof. Dr. Andreas Thimmel vom Institut für Kindheit, Jugend und Familie der Fachhochschule Köln betonte in seinem Statement die erneute Vorreiterrolle, die die Internationale Jugendarbeit mit der Entwicklung dieser Evaluationsmethode im gesamten Feld der Jugendhilfe in Deutschland einnehme. Auch die enge Zusammenarbeit im Verlauf dieses Projekts mit den Bereichen Jugendfreizeiten und Jugendreisen hob er als eine Besonderheit hervor, da dies völlig ohne Konkurrenzdenken möglich war.

In der Abschlussdiskussion griff Max Claudet, Generalsekretär des Deutsch-Französischen Jugendwerks den Vorschlag des französischen Ministeriumsvertreters vom Anfang der Veranstaltung auf: diese Form der Evaluation internationaler Begegnungen sollte auch Begegnungs-Organisationen in anderen europäischen Ländern und der EU-Kommission als beispielhafte Methode vorgestellt werden.

Dr. Doris Lemmermeier, Geschäftsführerin des Deutsch-Polnischen Jugendwerks, hob besonders die Wichtigkeit der jetzt einsetzenden, möglichst breiten Nutzung des Evaluationsinstruments hervor. Denn nur, wenn möglichst bald wirklich viele Daten aus verschiedensten Begegnungen gewonnen werden könnten, entstünde so eine Grundlage für weitere auch politische Gespräche über den Stellenwert des internationalen Jugendaustauschs.

Prof. Dr. Max Fuchs, Vorsitzender der BKJ, beleuchtete in seinem Beitrag nochmals verschiedene Dimensionen von Evaluation in der Jugend- und Bildungspolitik. Auch er begrüßte die frühzeitige Entwicklung dieses Evaluationsinstruments aus dem Feld der Internationalen Jugendarbeit heraus. Denn so könne eventuellen politischen Forderungen nach einer Fremdevaluation mit der impliziten Absicht von Ressourcen-Umverteilung mit einer selbst gewonnen Datenbasis effektiv begegnet werden. Auch forderte er die außerschulische Bildungsarbeit auf, sich gegen eine eventuell zu erwartende Übertragung der ISO 9000 Zertifizierung auf die eigene Arbeit zu wappnen, wozu diese Form der Evaluation u.a. ein geeigneter Schritt sei.