Musik kennt keine Grenzen. Und dennoch hat sich die neue Große Landesausstellung 2010 im Badischen Landesmuseum Karlsruhe in ihrem Titel eine (Landes-)Grenze gesetzt: „Vom Minnesang zur Popakademie. Musikkultur in Baden-Württemberg“ heißt die Ausstellung – und will damit auf einen ganz besonderen Aspekt hinweisen. Musik ist zwar grenzenlos, doch hat sie in ihren Ursprüngen, in ihrer Geschichte und ihrer Entwicklung meist eine (regionale) Wurzel. In dieser Hinsicht hat das heutige Baden-Württemberg viel aufzuweisen: Im Bereich des Orgelbaus und der Orgelmusik beispielweise zeigt die Region bis heute Spitzenleistungen, die nicht zuletzt auf die tiefe religiöse Prägung des Landstriches zurückgehen. In der breit entwickelten südwestdeutschen Konzertkultur lebt die höfische Musiktradition der einstmaligen Residenzen ebenso weiter wie die ausgeprägte Salonkultur des 19. Jahrhunderts. Ebenso ist Baden-Württemberg noch immer die Heimat musikalischer Erfinder, bedeutender Komponisten und der bislang ersten Popakademie in Deutschland. Musik entsteht in Baden-Württemberg – und kennt dann keine Grenzen.

Einblicke in die reiche musikalische Vergangenheit Baden-Württembergs und seine Kulturregionen gibt die Karlsruher Ausstellung in sechs thematischen Einheiten. Anhand von knapp 400 Exponaten auf rund 800 Quadratmetern ermöglicht sie das Flanieren durch 500 Jahre Musikgeschichte ebenso wie die Erkundung dessen, was gemeinhin unter dem Begriff „Musik“ zusammengefasst wird.

Historisch gesehen beginnt die Erzeugung von Musik bereits vor 35 000 Jahren: Aus dieser Zeit stammt der Fund einer altsteinzeitlichen Knochenflöte, der belegt, dass Musik seit je zum Alltag der Menschen gehörte. Schon vor der Blütezeit des mittelalterlichen Minnesangs nutzten Sänger im 6. Jahrhundert auf dem Gebiet des heutigen „Ländle“ Musikinstrumente wie die merowingische Leier. Mit dem „robotlab“, einer Maschine, die 2007 von der gleichnamigen Gruppe des ZKM Karlsruhe erschaffen wurde, endet der Streifzug im 21. Jahrhundert: Die Technik hat aus der Maschine einen Ko-Komponisten gemacht.

Inhaltlich arbeitet die Ausstellung mit den Bereichen „Klang im Alltag“, „Musik und Ritual“, „Konzert“, „Innovation“, „Musik und Macht“ sowie „Lied“ heraus, welche Schwerpunkte die Musikkultur im „Ländle“ durch die Jahrhunderte aufzuweisen hat (vgl. „Rundgang durch die Ausstellung“). Mit geistlicher Musik beschäftigt sich gleich eine ganze Abteilung: Sie zeigt jüdische Musiktraditionen ebenso auf wie den Gregorianischen Gesang, das pietistische Lied und die innovative Orgelmusik. So wurde in Südbaden im Jahr 2008 mit der Alpirsbacher Orgelskulptur die erste fahrbare Orgel in Deutschland entwickelt.

Auch das Konzertwesen kann auf eine lange Tradition zurückblicken: Die Liebe des Mannheimer Kurfürsten Carl Theodor zur Musik ist ebenso bekannt wie seine berühmte Mannheimer Schule. Auf die Hofkomponisten und -musiker des 18. Jahrhunderts folgte im 19. Jahrhundert die intensive Pflege der Salonkultur wie beispielweise im Kurort Baden-Baden, wo der Salon der französischen Opernsängerin Pauline Viardot-Garcia einen Anziehungspunkt darstellte.

Innovativ zeigt sich der Südwesten auch im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit von Musik. So schafften es Schwarzwälder Uhrmacher, selbstspielende Flötenmusikwerke aus Holz herzustellen. Der Weg war frei für die Verbreitung mechanischer Musikinstrumente – und Musik-Hören nicht mehr ans -Machen gebunden. Mit der Schallplatte im 19. und dem Radio im 20. Jahrhundert fand diese Reproduzierbarkeit ihre Fortsetzung und die Musik den Weg in die Massenmedien. Mit den Medien Radio und Fernsehen ist auch die Geschichte des SWR untrennbar verbunden – ohne ihn wäre die flächendeckende musikalische Versorgung heute nicht denkbar. In der Karlsruher Ausstellung zeugen unter anderem Leihgaben von Dieter Thomas Kuhn und den Flippers vom Erfolg südwestdeutscher Unterhaltungskünstler.

Kuratiert wurde die Ausstellung von Dr. Markus Zepf (Assistenz: Andreas Seim M.A.), gestaltet vom Karlsruher Büro „zwoelf“. Als Kooperations- und Medienpartner für die Bespielung der Medienstationen und für das Begleitprogramm wurden das SWR Fernsehen und das Kulturprogramm SWR2 gewonnen. Die Finanzgruppe der Sparkassen Baden-Württemberg hat als Hauptsponsor das Ausstellungsvorhaben in großzügiger Weise unterstützt, der Drogeriemarkt dm einzelne Angebote der Museumspädagogik möglich gemacht.

Zur Ausstellung erscheint ein Audioguide und ein reich bebilderter Katalog (ca. 400 Seiten). Mehr als 200 Kooperationspartner machen in einem landesweiten Begleitprogramm die Musik erfahrbar: http://www.musikkultur-bw.de.