Im Rahmen der Diskussion um die Urheberrechtsreform der Europäischen Union waren die Verpflichtungen der Online-Plattformen zum Ergreifen von Maßnahmen, um das zukünftige Hochladen von urheberrechtlich geschützten Inhalte zu verhindern, sehr umstritten. Der Europäische Gerichtshof hat nun entschieden, dass diese Verpflichtungen verhältnismäßig und damit mit den Grundrechten vereinbar sind.

Ausgangspunkt für die Bestrebungen zu einer Urheberrechtsreform auf europäischer Ebene war die unklare Rechtssituation, inwieweit ,,Online-Plattformen‘‘, also solche Dienste, bei denen Nutzern und Nutzerinnen selbst Inhalte hochladen und veröffentlichen können, wie zum Beispiel Youtube, Instagram oder Facebook, für urheberrechtlich geschützte Inhalte, die hochgeladen werden, haften. Die GEMA setzte sich daher im Interesse ihrer Mitglieder und gegen den Widerstand der großen Plattformbetreiber dafür ein, dass innerhalb der Europäischen Union ein gesetzlicher Rahmen geschaffen wird, der unter anderem auch die Haftung dieser Plattformen für die Veröffentlichung von urheberrechtlich geschützten Inhalten durch ihre Nutzer und Nutzerinnen vorsehen sollte.

Richtlinie führt Lizenzierungspflicht für ,,Online-Plattformen‘‘ ein

Begleitet von großen öffentlichen Diskussionen beschloss 2019 das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die sogenannte ,,Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt‘‘. Kernanliegen der Richtlinie ist die angemessene Beteiligung von Urheberinnen und Urhebern an der Veröffentlichung und Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Inhalten auf den Plattformen. Die Richtlinie sieht vor, dass diese Dienste alle Anstrengungen unternehmen müssen, um für die Veröffentlichung von geschützten Inhalten auf ihrer Plattform entsprechende Lizenzen von Rechteinhabern einzuholen. Für den Fall, dass keine Lizenz eingeholt wurde, verpflichtet die Richtlinie die Dienste auf Hinweis des Rechteinhabers hochgeladene Inhalte zu entfernen und Maßnahmen zu treffen, um das zukünftige Hochladen der gemeldeten Inhalte zu verhindern.

Klage Polens gegen ,,Stay Down‘‘-Pflicht

Gegen diese ,,Stay-Down‘‘-Verpflichtung der Plattformen regte sich im Zuge des Gesetzgebungsprozesses starker Protest. Nach Verabschiedung der Richtlinie durch das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union klagte die polnische Regierung gegen diese Regelung, da sie in dieser Verpflichtung einen Verstoß gegen die Meinungs- und Informationsfreiheit begründet sah.
Mit seinem Urteil vom 27.04.2022 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Klage zurückgewiesen und damit die Regelungen der Richtlinie bestätigt. Der EuGH erkennt zwar an, dass die Regelungen der Richtlinie dazu führen, dass Dienstanbieter verpflichtet sind, die von ihren Nutzern und Nutzerinnen hochgeladenen Inhalte zu kontrollieren, sofern sie von den Rechteinhabern entsprechende Informationen oder Hinweise erhalten haben. Allerdings ist die damit verbundene Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit im Hinblick auf den mit der Richtlinie verfolgten Schutz des geistigen Eigentums gerechtfertigt. Dem Schutz der Meinungs-und Informationsfreiheit sei dadurch Genüge getan, dass die Richtlinie die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Regelungen verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass das Hochladen von Inhalten, die keine Urheberrechte verletzen, verhindert wird. So muss gewährleistet sein, dass Nutzer und Nutzerinnen Inhalte zum Zwecke des Zitats, der Parodie, Karikatur oder des Pastiches hochladen dürfen. Zudem sei nach Ansicht des EuGHs der Schutz von Urheberrechten in gewissen Umfang mit einer Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit verbunden. Die Richtlinie sehe aber auch Regelungen vor, die es Nutzern und Nutzerinnen erlaubt, gegen unberechtigte Sperrungen von Inhalten vorzugehen.

Richtlinie durch Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz umgesetzt

Der EuGH hat schließlich darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei der Umsetzung der Richtlinie darauf achten müssen, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der Meinungs- und Informationsfreiheit sowie des Schutzes des geistigen Eigentums zu wahren. Der deutsche Gesetzgeber hat mit der Einführung des Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) im vergangenen Jahr die Richtlinie bereits in nationales Gesetz umgesetzt und dabei ausgewogene Regelungen getroffen. So dürfen Nutzer und Nutzerinnen urheberrechtlich geschützte Inhalte zum Zwecke des Zitats, der Parodie, Karikatur oder des Pastiches hochladen. Zugleich müssen die Plattformen für diese Nutzungen den Urheberinnen und Urhebern eine angemessene Vergütung zahlen. Werden daneben Werke einer Urheberin oder eines Urhebers nicht zu den genannten Zwecken auf einer Plattform hochgeladen und veröffentlicht, kann der Urheber, sofern er nicht mit der Veröffentlichung einverstanden ist, der Plattform einen Hinweis geben und verlangen, dass der hochgeladene Inhalt entfernt wird und zukünftig nicht verfügbar ist. Diese nationalen Regelungen berücksichtigen alle Vorgaben, die der EuGH mit seinem jetzigen Urteil den Mitgliedstaaten aufgegeben hat.

Das Urteil des EuGHs sorgt für Rechtssicherheit und ist daher im Interesse der Urheberinnen und Urheber zu begrüßen.

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