Nicht allein die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Energiekrise stellen die Akteur*innen der Musikwirtschaft derzeit und in naher Zukunft vor große Herausforderungen. Gemeinsam mit Politiker*innen und Unternehmer*innen diskutierte das Forum Musikwirtschaft auf der Musikwirtschaftskonferenz am 6. September 2022 all jene Themen, die die Branche derzeit bewegen. Reichlich 200 Gäste folgten der Einladung in das Berliner nhow-Hotel, trotz gewichtiger Paralleltermine im bundespolitischen Kalender. Unter der Moderation von Silke Super konnte sich die Konferenz des Forums Musikwirtschaft so als Austauschplattform zwischen Politik und Praxis etablieren.

In seiner Keynote zum Auftakt der Veranstaltung bekräftigte Dr. Carsten Brosda, Hamburger Senator für Kultur und Medien, den dringenden Handlungsbedarf angesichts der Vielzahl an zunehmend existenziellen Herausforderungen der Branche und signalisierte zugleich Zuversicht: „Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen auf allen Ebenen. Wenn die Solidarität der Teilbranchen untereinander da ist und die drängenden Themen ernsthaft angegangen werden, bin ich zuversichtlich. Auch mit Blick darauf, dass es da vielleicht noch einiger zärtlicher Hinweise in Richtung des Bundesfinanzministers braucht, damit das notwendige Geld zur Verfügung steht und vielleicht auch die Möglichkeiten der Schuldenbremse mutig genutzt werden. Ich werbe dafür im Wissen darum, dass wir Lösungen finden müssen, die der Musikbranche helfen und die unverzichtbare Leidenschaft der Musik spürbar machen.”

Auf dem Programm standen im ersten Teil die Bandbreite der Herausforderungen, vor denen die einzelnen Sektoren der Musikwirtschaft aktuell stehen. Im vertieften Austausch mit den kulturpolitischen Sprecher*innen, Erhard Grundl (Grüne), Helge Lindh (SPD), Anikó Merten (FDP) und Dr. Christiane Schenderlein (CDU), besprachen Vertreter*innen des Forums Musikwirtschaft unter anderem die Themen Musikstreaming, kulturintegrierte Stadtentwicklung und Newcomerplatzierung. Anschließend diskutierten sie mit Gitta Connemann (CDU), Daniel Schneider (SPD) und Anikó Merten (FDP), ob die Kulturveranstaltungsbranche derzeit vor dem Kollaps steht und welche Perspektiven es gibt. Nach der Mittagspause stellten die Praktiker*innen Good Practice-Beispiele ihrer Unternehmen auf dem Weg zur ökologischen Nachhaltigkeit vor. Weitere Themen am Nachmittag waren die Newcomerplatzierung im Radio, die Förderung für Musikunternehmer*innen, die Bedeutung von Musikinstrumenten als kulturelle Grundversorgung sowie die digitalen Nutzungsrealitäten und die Rolle der Labels.

Mit ihrer gestrigen Konferenz knüpften die Verbände an das erstmals 2018 veranstaltete Kongressprojekt für den gesamten Wirtschaftszweig an. Seit Gründung des Forum Musikwirtschaft im Jahr 2020 treibt dieses sowohl den engen Austausch und Schulterschluss zwischen den Sektoren als auch den regelmäßigen Diskurs mit Politik und Öffentlichkeit voran. Inzwischen reichen die gemeinsamen Themensetzungen weit über die anfänglichen Fragen zum Umgang mit der Corona-Krise hinaus. Erst kürzlich wurde das Forum Musikwirtschaft für diese Arbeit mit dem Live Entertainment Award (LEA) als beste Branchenallianz ausgezeichnet.

Statements der veranstaltenden Verbände zur Musikwirtschaftskonferenz

Prof. Jens Michow, Präsident, Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV):

„Es ist ein fataler Irrtum, angesichts weniger ausverkaufter Spitzenfestivals sowie der Besucherzahlen von Konzerten mit Superstars Rückschlüsse auf die aktuelle Lage der Kulturveranstaltungsbranche zu ziehen. Die Realität ist, dass immer mehr Konzerte, Tourneen und Festivals abgesagt werden, da der Kartenverkauf verheerend ist. Und selbst ausverkaufte Events sind verlustreich, da sich mit den überwiegend bereits 2019 verkauften Tickets die aktuellen Veranstaltungskosten nicht annähernd finanzieren lassen. Die Hoffnung auf die Erholung nach der Pandemie ist geplatzt. Damit stehen nicht nur Existenzen sondern auch die Vielfalt unseres Kulturangebots auf dem Spiel.“

Dr. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender, des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI):

„Die Konferenz ist ein Zeichen der gemeinsamen Schlagkraft der verschiedenen und doch eng verwobenen Teilbranchen der Musikwirtschaft. Gemeinsame thematische Schwerpunkte zu setzen, die wir naturgemäß zum Teil aus durchaus unterschiedlichen Perspektiven beurteilen, unterstreicht das! Im Rahmen des BVMI-Panels war es uns wichtig, die Zusammenarbeit zwischen Künstler:innen und ihrem Label zu adressieren und damit aktuelle Lebens- und Schaffensbedingungen zu beleuchten, denn es ist entscheidend, sich mit den jeweiligen Rollen innerhalb der Branche auseinanderzusetzen, um die Debatte über die notwendigen Rahmenbedingungen faktenbasiert führen zu können – wir müssen das Anekdotische hinter uns lassen. Die britische Competition and Markets Authority hat etwa mit Blick auf das Streaming für wichtige Erkenntnisse gesorgt. Vor diesem Hintergrund hoffen wir nun auf die von der BKM in Aussicht gestellte Studie und vor allem auf einen Dialog mit allen Akteur*innen bereits bei der Vorbereitung.”

Birgit Böcher, Geschäftsführerin, Deutscher Musikverleger-Verband (DMV):

„Mit der Musikwirtschaftskonferenz hat das Forum Musikwirtschaft seine Schlagkraft auch nach Corona unter Beweis gestellt. Aktuelle Herausforderungen zu benennen, Lösungen aufzeigen und in den öffentlichen Diskurs bringen war und ist Hauptaufgabe des Zusammenschluss der Verbände der Musikwirtschaft. Die Anwesenheit der kulturpolitischen Sprecher:innen der Bundestagsfraktionen ist ein Zeichen für die Akzeptanz des Forums – gerne hätten wir auch mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und der/dem Ansprechpartner*in für die Kreativwirtschaft diskutiert…. “

Patrick Oginski, stellvertretender Vorsitzender, Interessenverband Musikmanager und Consultants (IMUC):

„Der Tag in Berlin hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig die Vermittlung der Probleme aber auch der Chancen unseres Wirtschaftszweiges im Zusammenspiel der Verbände mit der Politik ist. Die Musikwirtschaft ist gerade nach Corona fast noch enger zusammen gewachsen. Mit dem Panel zum Thema Radio haben wir auf die Probleme vor allem der Newcomer hingewiesen und Anregungen gegeben wie sich der Radiomarkt fairer aufstellen ließe. Ähnlich wie im Livebereich mit den ständigen Kostensteigerungen, stehen die fehlenden Plattformen vor allem auch für durch die Initiative Musik geförderte Künstler*innen deutlich stärker im Fokus, zumal die Erlösmöglichkeiten von Künstler*innen gerade in der Etablierungsphase doch sehr begrenzt sind. Für mich war die Musikwirtschaftskonferenz jedenfalls ein toller erster Schritt, der nach Fortsetzung ruft.”

Axel Ballreich, erster Vorsitzender, LiveMusikKommission (Livekomm):

„Wenn Kulturveranstaltende berichten, dass es für ihre gegenwärtig wirtschaftliche Existenz besser sei, die Shows zu stornieren und die gebuchten Künstler*innen auszuzahlen, als die Konzerte stattfinden zu lassen, dann zeigt das doch, wie hart die Veranstaltungsbranche aktuell angeschlagen ist. Die Gefahr eines Kollapses ist gegenwärtig höher als während der verordneten Schließung der Clubs. Ob Kostenexplosionen, Fachkräftemangel, verändertes Konsumverhalten, die Angst vor einem erneuten Flickenteppich an Corona-Landesverordnungen… die Liste der aktuellen Symptome und Beschwerden wird länger und länger. Eine Perspektive für die Kultur- und Veranstaltungsbranche scheint ohne Unterstützung von Bund und Ländern nicht in Sicht.“

Daniel Knöll, Geschäftsführer, Society Of Music Merchants (SOMM):

„Musikwirtschaft ist dann doch mehr als die Summe ihrer Teile. Ich denke, das haben wir heute mit der ersten Musikwirtschaftskonferenz unter Beweis stellen können Es wurde sehr deutlich und pointiert ausgearbeitet, was die Musikwirtschaft im Innersten Zusammenhält und mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen hat. Ich wünsche mir, dass in Zukunft genau dieses Bild einer komplexen, miteinander verzahnten, hochemotionalen, kreativen, positiv besetzen, zukunftsgerichteten und effizenten Branche bei der Politik und der Öffentlichkeit hängen bleibt. Wir haben daran gearbeitet, dieses Bild zu schärfen. Jetzt liegt es an der Politik sich der geeinten Branche endlich anzunehmen, um zügig an so den notwendigen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Musikwirtschaft zu arbeiten.”

Dr. Birte Wiemann, Vorstandsvorsitzende, Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen (VUT):

„Die Musikwirtschaftskonferenz hat uns die besondere Gelegenheit beschert, die Herausforderungen der Musikbranche im aktiven Austausch zwischen Praktiker*innen, Politik und Öffentlichkeit aufzuzeigen und Lösungswege zu entwerfen. Dass es einen gangbaren Weg für die Zukunft des digitalen Musikstreamings nicht nur im Kontext der existierenden Streamingplattformen, sondern auch im Hinblick auf digitale Musiknutzungen, die wir heute nur erahnen können, geben muss, ist ebenso entscheidend für die Zukunft der Musikbranche wie im stetigen Austausch mit der Praxis entwickelte Förderprogramme für Künstler*innen, Labels und Verlage. Zentral ist und bleibt die Forderung nach eine*r zentralen politischen Ansprechpartner*in für unsere Branche über die Ressortgrenzen hinweg, mit dem*der auch zukünftig so konstruktive Dialogformate wie die Musikwirtschaftskonferenz verstetigt werden könn(t)en.“

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