Erstmalig wurde der historische Musikalienbestand der Schola Thomana in seiner Gesamtheit durch einen Forscher des Bach-Archivs Leipzig dokumentiert und veröffentlicht. Der Großteil der ursprünglich 2.500 Musikalien umfassenden Schulbibliothek gilt als verschollen. Unter den wenigen noch erhaltenen Handschriften und Drucken befinden sich auch 44 Originalstimmensätze von Kantaten Johann Sebastian Bachs, die heute im Bach-Archiv Leipzig verwahrt werden. Mit der Dokumentation des Bestandes wird ein wichtiger Beitrag zur Leipziger Musikgeschichte und zum Thomanerchorjubiläum geleistet.
Die Spuren der umfassenden Thomaner-Musikbibliothek verlieren sich im Zweiten Weltkrieg. Bei einem schweren Luftangriff auf Leipzig am 3. und 4. Dezember 1943 wurde die Thomasschule beschädigt und die Alumnen mussten nach Grimma evakuiert werden, wo sie in der Fürstenschule bis Kriegsende untergebracht waren. Bei der übereilten Abreise hatte der damalige Thomaskantor Günter Ramin nur einige Zimelien der Bibliothek, darunter 44 Originalstimmensätze von Kantaten Bachs, mitnehmen können. Über den damals in Leipzig verbliebenen Bestand gibt es bislang keine zuverlässigen Erkenntnisse. Nach ungesicherter Überlieferung soll ein Teil der älteren Notenhandschriften und -drucke Anfang 1945 in das Schloss Belgershain (bei Grimma) verlagert worden sein.
Dr. Andreas Glöckner, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bach-Archivs Leipzig, hat den verschollenen Bestand in den vergangenen Jahren systematisch rekonstruiert. Da die Musikalien nie unter bibliothekarischen Gesichtspunkten katalogisiert worden sind, ließen sie sich nur durch mühsame und aufwendige Recherchen nachträglich erfassen. Als besonders hilfreich erwiesen sich dabei bislang unbekannte Verzeichnisse aus den Jahren 1823 bis 1921, welche über die nicht mehr verfügbaren ca. 2.500 Musikalien Auskunft geben. "Die geistlichen Vokalwerke stammen zum Teil aus den Notenbibliotheken Johann Sebastian Bachs und seiner Amtsnachfolger Doles, Hiller, Schicht und Weinlig; einige der weltlichen Kompositionen befanden sich ehedem im Notenarchiv des Verlegers Breitkopf oder gehen auf das Repertoire der Leipziger Collegia musica, des Großen Concerts beziehungsweise der frühen Gewandhausconcerte zurück", erläutert Dr. Andreas Glöckner. Hinzu kommen Schenkungen von namhaften Bürgern, Komponisten und Musikaliensammlern des 19. Jahrhunderts.
Die Buchvorstellung "Die ältere Notenbibliothek der Thomasschule zu Leipzig. Verzeichnis eines weitgehend verschollenen Bestands", herausgegeben und erläutert von Andreas Glöckner, erfolgt im Rahmen der Buchmesse Leipzig am 16. März 2012, um 20 Uhr im Sommersaal des Bach-Museums Leipzig. Neben diesem Band 11 der Leipziger Beiträge zur Bach-Forschung, welcher dem Thomanerchor gewidmet ist, werden im Rahmen dieser Veranstaltung auch "Johann Christoph Friedrich Bach. Briefe und Dokumente" von Dr. Ulrich Leisinger (Stiftung Mozarteum Salzburg) und der zweibändige Katalog "Die Bach-Quellen in Wien und Alt-Österreich" von Dr. Christine Blanken (Bach-Archiv Leipzig) präsentiert.
Das Bach-Archiv Leipzig versteht sich als musikalisches Kompetenzzentrum am Hauptwirkungsort Johann Sebastian Bachs. Sein Zweck ist, Leben, Werk und Wirkungsgeschichte des Komponisten und der weit verzweigten Musikerfamilie Bach zu erforschen, sein Erbe zu bewahren und als Bildungsgut zu vermitteln. Die besondere Stärke des Bach-Archivs liegt in dem Perspektivenreichtum, den es im Zusammenwirken von Forschungsinstitut, Bibliothek, Bach-Museum, künstlerischem Betriebsbüro und Servicefunktionen auf eine der herausragenden Künstlerpersönlichkeiten der europäischen Kulturgeschichte richten kann.
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Quelle
http://www.bach-leipzig.de